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Stadtilm zwischen unscheinbar wirkenden Bergen |
2018 feiert Stadtilm 750 Jahre Ersterwähnung. Da kann man gleich mehrfach gratulieren: einmal wäre da das mittelalterliche Jubiläum selbst, andererseits wegen des außergewöhnlichen Geschichtsverständnisses dort. Die kleine Thüringer Stadt gehört zu den ganz wenigen Kommunen in Deutschland, die ihre Historie aus vorschriftlicher Zeit überhaupt in Erwägung zieht: In der Stadtchronik wird auf die urnenfelderzeitlichen Scherben auf dem Haunberg nebenan vergewiesen (1200 bis 700 v. Chr.). Ich kann den Stadtilmern versichern, der Haunberg ist wahrscheinlich nur ein winziger Teil spätbronzezeitlicher Höhensiedlungen, von denen es um die Stadt herum geradezu wimmelt. Darauf weisen Flurnamen, Schanzen, Wälle, Gräben, Hohlwege und große Hügelgräber hin. Doch der Reihe nach.
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Maps-Karte früher Relikte um Stadtilm |
Zur Illustration habe ich eine Karte bei Google-Maps entwickelt: „
Stadtilm in der Spätbronzezeit“ (Bitte Markierung anklicken). Wenn man diese in einem zusätzlichen Browser-Fenster hier „daneben“ legt, hat man eine schöne Übersicht. Obwohl ich nur relevante Relikte verwende, ist deren Konzentration um Stadtilm herum bemerkenswert. Hintergrund scheint der urzeitliche Fernweg von Italien nach Skandinavien gewesen zu sein, der hier die Ilm gefurtet haben muss. Der reicht entsprechend den archäologischen Funden am Weg bis in die Zeit der ersten Bauern um 4500 v. Chr. zurück. In Schleswig-Holstein heißt er Ochsenstraße, dann Alte Heerstraße, in Niedersachen wird er als eine der vielen Salzstraßen identifiziert, durch Thüringen führt er als sog. Kupferstraße, in Franken wurde er zum heutigen Keltenerlebnisweg ausgebaut und als Vorgänger der römische Via Claudia Augusta zieht er von Donau-Wörth über die Alpen bis ins etruskische Altinum an der Adria (ab 800 v. Chr. belegt).
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Bsp. Ochsenkarren, mindestens seit 4000 v. Chr. |
Stadtilm - ein frühzeitliches Zentrum an einem prähistorischen Fernweg? Lächerlich? Bei wissenschaftlichen Autoren, wie Michael Köhler, kommt die Stadt fast gar nicht vor. Bernd Bahn, ausgewiesener Kupferstraßenexperte, legt die einzelnen Wegestränge der Kupferstraße östlich und westlich von Stadtilm, auf die Trassen Erfurt-Arnstadt-Oberhof bzw. Weimar-Rudolstadt-Neuhaus am Rennweg. Er vergisst dabei aber scheinbar die jeweilige zeitliche Zuordnung zwischen 4500 vor und vielleicht 500 nach der Zeitrechnung. Nach den Mustern, wie solche Trassen über lange Wasserscheiden angelegt wurden, muss es mehrere Hauptstränge gegeben haben. Man findet z. B. generell alle 20 Kilometer, dem Tagespensum eines Ochsenkarrens, frühzeitliche Befestigungen. Außerdem tauchen Hohlwege auf, die nicht auf den bekannten mittelalterlichen Trassen liegen. Dazu kommen Hinweise von Flurnamen, Gräberfeldern und Menhiren an Kreuzungen, die während der Christianisierung von Kreuzen abgelöst wurden. Wenn man die bekannten großen und bereits neolithisch besiedelten Fixpunkte „Steinsburg“ bei Römhild im Süden und „Monraburg“ auf der Schmücke bei Beichlingen nimmt, und sie mit Zwangsführungen über Höhenrücken durch Thüringen verbindet, zeigt sich:
- Der bekannteste Strang der Kupferstraße zieht über Erfurt, Arnstadt zur Steinsburg bei Römhild. Dabei kreuzt er den Rennsteig - ebenfalls ein prähistorischer Fernweg par excellence (Siehe entsprechender Post in diesem Blog). Der Oberhofer Pass ist aber erst seit Kupferzeit (3000 v. Chr.) belegt. Die wichtigste Befestigung auf dieser Strecke, die Alteburg bei Arnstadt, endet aber in der Urnenfelderzeit (Späte Bronze), andere Autoren sagen in der Eisenzeit.
- Die Strecke über Rudolstadt könnte zwar die älteste sein, führt aber als Umweg zu weit nach Osten und hatte eher die Urwege in Ostfranken zu bedienen (Siehe Post „Urwege durch Franken“). Möglich war aber auch eine durch Wachstationen begleitete „Rückführung“ dieses Zweigs auf den unter 1. genannten Kontinentalweg (hier eingezeichnet). Diese Route zwingt aber zusätzlich zum queren der, gegenüber der Ilm, viel breiteren Schwarza bei Rudolstadt.
- Der effektivste, weil kürzeste und am wenigsten steilste Weg am Thüringer Wald führt die Reisenden - zumindest in der Urnenfelderzeit - durch unsere Stadt und Furt an der Ilm. Im weiteren Verlauf steigt sie über Wasserscheiden nach Neustadt am Rennsteig hoch oder nimmt die Abkürzung über Altenfeld. Weiter gelangte man an den Oberlauf der Werra bei Harras , nachgewiesen seit 4000 v. Chr. oder bei Hildburghausen-Bedheim, seit der frühen Eisenzeit besiedelt. An der ganzen Strecke gilt die 20-Kilometer-Regel für prähistorische Stationen (Siehe Posts „Kupferstraße“ und „Keltenerlebnisweg“). Im Mittelalter wurden Teile dieser Strecke noch als Hanseatische Straße von Nürnberg über Erfurt nach Hamburg genutzt.
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Urne mit typischer Steinpackung |
Die Begrenzung „Urnenfelderzeit“ ist dabei so wichtig, weil damals ein Klimakollaps um 1200 v. Chr. mit Dauerregen unsere Täler und Niederungen unpassierbar gemacht haben soll. Klimaforscher und Archäologen beschreiben die Flussauen in Europa nach 1200 v. Chr. als praktisch menschenleer.
Der mäanderreiche Abschnitt der Ilm, wie er heute noch rechts und links der Stadt anzutreffen ist, muss aber gute Furten angeboten haben. Und egal welchen Namen die Urstraße damals getragen haben könnte, die tiefen Hohlwege aus dem Ilmtal heraus zum Schweinskopf oder Haunberg hoch sprechen Bände.
Die archäologisch nachgewiesenen Wegestationen vor und nach Stadtilm wären dann im Süden der Singener Berg - mindestens seit der Bronzezeit besiedelt und 20 Kilometzer weiter im Norden der Riecheimer Berg - ebenfalls seit der Bronzezeit belegt.
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prähistorischer Singener Berg |
Damit haben wir auch die besten Beispiele, wie solche Wallanlagern ausgebildet waren: Einmal den spitzen Kegel mit seinen Ringschanzen, der andere ein typischer Abschnittswall, als mehrfach verriegelte Bergnase. Von diesen aus ging es dann weiter zu den spätbronze- sprich urnenfelderzeitlichen Höhensiedlungen um Erfurt (Katzenberg, Herrenberg, Domhügel etc.).
Solche prähistorischen Sicherungsposten wurden immer nach dem gleichen Prinzip angelegt: trockene, sicherungsfähige Anhöhe, Weitblick, künstlich abgeflachte Kuppe, übersät mit flachen Bruchsteinen (u.a. ehemalige Pfostensteine für die Hütten), rundum führende Schanzkanten, oft mit Resten von Trockensteinmauern (wahrscheinlich für Palisaden), die im Gegensatz zu den darunter liegenden Feldterrassen nur als solche Sinn machen, dazu eine hoch liegende Quelle und gleich nebenan ein Gräberfeld. Durch diese Muster kann man solche Befestigungen auch finden, wenn sie nicht archäologisch erkannt wurden. Diese Highlights menschlicher Siedlungsarchitektur müssen aber, jeden Höhenunterschied meisterhaft ausnutzend, von sehr vielen Menschen über mehrere Jahrhunderte angelegt worden sein. Um Stadtilm finden sich dutzende solcher vergessener Anlagen.
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Beispiel Schanzen und Terrassen an früher Befestigung |
Denn zum typischen Bild der Urstraßen gehörte auch, dass eine Furt auf beiden Seiten eines Flusses zusätzlich durch Befestigungen gesichert war. Bei Stadtilm scheinen dazu nicht nur einzelne Bergkuppen okkupiert worden zu sein, sondern ganze Plateaus. Das sind die Hochflächen um den „Großen Hund“ und den „Schweinsberg“. Jede einzelne hier heraustretende Bergnase müsste entsprechend eine befestigte Höhensiedlung getragen haben, jedes Tal zusätzlich abgesperrt gewesen sein. Dazwischen lagen die Felder. Solch eine Form der „Rundum-Kollektivverteidigung“ von Höhenzügen findet sich alleine in Thüringen ein halbes Dutzend Mal und wurde um Erkenbrechtsweiler in Baden-Württemberg wissenschaftlich nachgewiesen. Hier um Stadtilm aber sind die
künstlichen Deformationen viel besser zu erkunden, weil sie im Mittelalter nicht überbaut wurden. Sogar die Flurbezeichnungen sprechen Bände, benannt von den ersten Germanen, die hier eintrafen, als die Erbauer bereits nach Süden gezogen waren. Später wurden die Namen verschliffen und verballhornt. Nach all dem wären die Befestigungen um den Großen Hund:
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Haunberg mit sog. Abschnittswällen |
- Der Haunberg natürlich, mit jenen Tonscherben aus der Spätbronzezeit, zwei rundum führenden kleinen Schanzkanten, flachen Wallresten und 2 kleineren Steinhügelgräbern, die zwar angegraben, aber wie rekonstruiert aussehen,
- der Edelmannskopf mit Ölberg als typische bronzezeitliche Kombination von Siedlungs- und Kultplatz, mit großen Schanzen, Steinwällen und Terrassen,
- der Kaffenberg über der Saline mit deutlichen Resten eines Abschnittswalls nebst Graben,
- die Höhe um den „Spitzen Hügel“ als wahrscheinlich noch ungeöffnetes, Hügelgrab, dass von der Größe her dem berühmten Fürstengrab von Leubingen Konkurrenz machen könnte.
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künstlicher Erdaufwurf: Spitzer Hügel |
Es ist lediglich ein künstlicher Erdaufwurf zu erkennen - der sonst geologisch notwendige Felsen fehlt. Hier scheint archäologisch der interessanteste Platz zu sein. Daneben reihen sich weitere Großsteingräber auf, die aber wegen der außen liegenden großen Bruchsteine schon geplündert sein dürften.
- Am Döllstedter Berg finden sich die größten erhaltenen Steinwälle, die am stärksten mit „Fremdsteinen“ übersäten Schanzkanten (nach Norden und Osten), sowie die meisten typischen Altsteinbrüche. Über letztere wird noch zu sprechen sein.
- Auch der südlich davon gelegene Sperlingsberg weist einen starken flachen Wall und Altsteinbruch auf.
- Selbst das heftig geneigte Loh scheint ein Abschnittswall gewesen zu sein. In den oberflächlichen Steinansammlungen dort fand ich trotz Schnee eine zerbrochene aber typische steinerne Malschale.
- Der Große Hund selbst könnte auch befestigt gewesen sein, die Struktur ist aber verschwommen.
- Weitere gesicherte Höhen werden auf Luftbildern wie Google-Earth sichtbar: in den Feldern zwischen Läuseberg und Eichberg über Geilsdorf und auf der Höhe zwischen Döllstedt und Nahwinden.
Keine Hinweise habe ich auf dem Weinberg Richtung Kalm entdeckt; wahrscheinlich war der Höhenrücken zu schmal.
Der nun gegenüber dem Großen Hund liegende Schweinskopf über der Ilm ist zwar weniger schroff strukturiert, zeigt aber immer noch deutlich mutmaßliche befestigte Bergsporne an:
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Schweinskopf mit Schanzen und Terrassen |
- Der Schweinskopf selbst, mit Schanzen, Terrassen und dem typischen Magerrasen. Einige Biologen begründen diesen Bodentyp über Kalkstein mit alter landwirtschaftlicher Überbeanspruchung.
- Der stark künstlich aabgeflachte Weinberg, in der Altwegeforschung hundertfach abgeleitet vom indogermanischen Way, als Weg- oder Wagenberg, mit Feld- und Schanzterrassen und wieder Magerrasen,
- der Sperlingsberg im Westen mit deutlichen Schanzen und Feldstufen,
- die Berge Katzenzahl und Osterberg über Großhettstett, deutlich mit Steinwällen zum dahinterliegenden Berg abgesichert, vielleicht das Kitztal als Zugang bewachend,
- und der Meichlitzer Berg, mit seinen Schanzen.
- Weitere sicherungsfähige Höhen sollten sich um das „Große Holz“ gruppieren, die später frühmittelalterliche Burgen getragen haben sollen („Gommerstedt“, „Wahl“ und einen Burgwüstung südlich von Witzleben)
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Beispiel eines noch aufrecht stehenden Dolmengrabes |
An allen den eben genannten Siedlungsverdachtsplätzen finden sich mutmaßliche Gräberfelder, bestehend aus „geordneten“ oft noch kreisrunden Bruchsteinhaufen, die als willkürliche Ansammlungen von „Lesesteinen“ aus der Bodenbearbeitung keinen Sinn machen. An anderen Stellen liegen „körpergroße“ Einzelsteine, immer mehrere konzentriert zusammen. Manche sind einfach in der Furche verblieben, andere wurden scheinbar bewusst an den Feldrain gezogen. Von der Anzahl her und ihrer Größe entsprechen sie durchweg den sog. Dolmengräbern aus megalithischer Zeit.
Am spannendsten aber finde ich jene schmalen kerzengeraden Rinnen, jeweils bis auf halbe Höhe von Edelmannskopf, Haunberg und „Spitzer Hügel“, die weder einem Bachlauf, Hohlweg oder Altbergbau zugeordnet werden können. Solche Kerben diskutiert man anderen Orts als Schlittenspuren (im Stein „Felsengleise“) für den Trinkwassertransport (Domberg in Suhl, Odilienberg in Frankreich, Meca in Spanien). Auch um den Großen Hund herum beginnen diese Kerben erwartungsgemäß an potentiellen Quellen und enden am ersten mutmaßlichen Schanzring. Auffallend sind auch Flurnamendopplungen auf beiden Anhöhen: Sperlingsberg, Weinberg, Kaffenberg, Osterberg, Katzenberg. Deuten sich hier die Beziehungen zwischen den jeweiligen Bewohnern an?
Kopfschmerzen bereiten mir allerdings die Altsteinbrüche auf Döllstedter Berg, Sperlingsberg nebenan und Eichberg. Normalerweise wurden allerorts die Trockenmauern der Spätbronzeschmiede (ab 1200 v. Chr.), der Hallstadtsiedler (ab 800 v. Chr.) und später der La Tene-Kelten (ab 500 v. Chr.) von den ersten fränkischen Steinhäuslebauern ab 800 jetzt unserer Zeit abgeräumt. Erst trug man die herrenlosen Steinwälle ab und als die zur Neige gingen, grub man sich in die Tiefe. So entstanden die meisten frühen Altsteinbrüche. Deshalb sind auch 80 Prozent aller nachgewiesenen Höhensiedlungen durch solche Abbaugruben „angeknappert“. An manchen Wallanlagen baggert man da heute noch rum (Dietrichsberg neben Öchsen in der Rhön). Das alles kann aus archäologischen Indizien oder alten Urkunden erschlossen werden. Nicht so am Großen Hund. Keine Unterlagen in der Stadt, kein Hinweis auf Bergbau, kein Abtransport von Material. Die ausgehobenen Gräben scheinen 1 zu 1 als Wall dahinter wieder aufgeschichtet worden zu sein.
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Trockenmauern im Altsteinbruch am Döllstedter Berg |
An manchen Stellen sieht man sogar noch kleine Trockenmauern (Döllstedter Berg). Das verrückte aber: Dieses Wall-Graben-System verläuft exakt an jenen Stellen, wo der ebene Übergang von der mutmaßlichen Siedlung zum dahinter liegenden Berg abgesichert werden musste. Haben wir die alten Verteidigungsgräben und -wälle der Urnenfelderleute gefunden? Dann wären sie aber unvollendet. Oder sind es deren Steinbrüche? Irgendwoher müssen die ja auch ihr Material bekommen haben. Ich wage es gar nicht zu glauben: das wäre einmalig und überhaupt sehen die Anlagen so aus, als wären sie vorgestern erst verlassen worden.
In diesem Stil geraten zu den oben genannten Bergsiedlungen auch andere Hügel im Umfeld von Stadtilm unter Siedlungsverdacht: Kleiner Kalm am Kalmberg, Herrenberg, Arlsberg, Willinger Berge, Husarenberg, typischerweise wieder unter einem Altsteinbruch.
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künstlich stark abgeflacht: Weinberg |
Neben unserem prähistorischen Urweg muss es weitere Alttrassen um Stadtilm herum in West-Ost-Richtung gegeben haben, darauf deuten Namen wie Hohes Kreuz und Morgenleite sowie das Kreuz am Maichlitzer Berg hin. Logisch wäre sogar eine „Vorgebirgsverbindung“ zwischen den drei Strängen der Kupferstraße. Diese Trassen sollten zu Altwegekreuzungen mit unserem Nord-Süd-Kontinentalweg auf dem Schweinskopf und am Kaffenberg bei Zeppelinmühle geführt haben. Schon deswegen muss es dort mustergültige Wachen gegeben haben. Die beiden extremen Hohlwege von Stadtilm nach Wüllersleben hoch, könnten hingegen aus dem Mittelalter stammen. Es wäre der kürzeste Weg nach Erfurt, allerdings durch ein paar Senken. Einige wahrscheinlich ebenfalls frühmittelalterliche Wüstungen auf den Höhen um Stadtilm zeigen das wankelmütige Siedlungspotential hier an (Maichlitz, sowie Rotenhaus zwischen Geilsdorf und Großliebringen ).
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Hohe Terrassen und Schanzen um Stadtilm |
Weiterhin beeindruckt die hohe Zahl von Flur- und Ortsbezeichnungen, die für unser „deutsches“ Ohr fremd klingen, oder von unseren germanischen Vorfahren ab etwa 100 v. Chr. verballhornt worden sein müssen. Linguisten sind sich nämlich einig, dass Haupt- oder Bestimmungswörter wie Hund, Katze, Hahn oder Schwein als Ortsnamen unlogisch sind. Im Gegensatz zu den Namensforschern aber, die oft genug im Trüben fischen müssen, benutze ich gerne gleichlautende Nennungen, die anderenorts im deutschsprachigen Raum mit archäologischen Funden in Zusammenhang gebracht werden können:
- Döllstedt - vergleiche z. B. Döllberg über Suhl mit „Heidnischem Grab“
- Katz- tausendfach in topografischen Karten anzutreffen - vergleiche Oberkatz mit bronzezeitlichem Wünscheberg
- Loh - vergleiche dutzende Lohs, wie der Hohe Loh über Suhl, als Heiliger Ort auch bei M. Köhler
- Kaffenberg - vergleiche Kaffenburg, ganz in der Nähe über Barchfeld (unter den 5 übereinander liegenden Befestigungen wird wohl auch eine frühzeitliche gelegen haben)
- Ellichleben - vergleiche Ellenbogen, Altstraßenkrümmungen bei Oberweid, Wiesbaden und Erlangen
- Tännreisig - vergleiche später überbauten Schlossberg über Tännes
- Kleiner und Großer Hund - vergleiche mehrere „Hundsrück“ als Höhenwege in Thüringen und Rheinland-Pfalz
- Spielberg - vergleiche dutzende Spielberge, z. B. die bronzezeitliche Schanze über Neustadt bei Nordhausen
- Singener Berg - vergleiche Singen im Hohentwiel, mit bedeutender frühbronzezeitlicher Kultur.
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Magerrasenabhänge am Weinberg |
Das alles nun deutet auf heftige Umtriebigkeit der Spätbronzezeitler um Stadtilm herum hin. Was war davor, was danach? Singener und Richheimer Berg scheinen auch schon davor besiedelt gewesen zu sein. Während der klimatischen und gesellschaftlichen Umbrüche um 1200 v. Chr. könnte es einen starken Völkerzustrom aus Norden und Westen in der Region gegeben haben. Deshalb dieser ungewöhnliche Ausbau! 700 Jahre später - so die Archäologen - trieben wieder Unbilden im Norden die Menschen nach Süden und Westen. Auch Kelten und Germanen! Die meisten Siedlungen wurden ohne Kampf verlassen und die Höhen dienten ab vielleicht 100 v. Chr. als Felder für die langsam entstehenden germanischen Dörfer im Tal (Hermunduren, Thüringer, Franken). Nach den Erkenntnissen der Flurnamenforschung müssen die aufgegebenen Schanzen damals noch als „Rodungen“ erkennbar gewesen sein (Bestimmungswort „Rot- oder Rode“).
Sicher können - ohne archäologische Grabungen - einzelne Interpretationen hier meinem Eifer geschuldet sein. Eher aber glaube ich, dass Einheimische noch viel mehr versteckte Merkmale kennen. Solche alten Siedlungszentren gibt es im Freistaat sonst nur um Erfurt, Gotha, Weimar, Jena, Gera, und eben um die Monraburg im Norden und die Gleichberge im Süden. Alle älter als 3200 Jahre! Nach Erkenntnissen der Theoretischen Archäologie kann sich die kleine Stadt an der Ilm hier nun einreihen! Demnach wäre um 500 dann, nach der Völkerwanderung, die Kommune aus der notwendigen Infrastruktur an der Furt entstanden. Dort ist aber längst alles überbaut. Ich empfehle den Bürgern und Gästen der Stadt, sich die Hinterlassenschaften unserer Altvorderen auf den Bergen ringsum schnell noch einmal anzuschauen. Denn die Neuzeit setzt ihnen böse zu. Nachdem die Landwirtschaft für Großflächen schon so manchen Wall geschliffen hat, werden aktuell die Schanzen im nördlichen Bereich des Haunberges von einem Forstwirtschaftsbetrieb gnadenlos zusammengefahren. Kein Archäologe weit und breit, um dem Einhalt zu gebieten.
Und nun? Sollen die Stadilmer ihr Jubiläum ändern? Keine Angst! Menschen brauchen greifbares, Schriftliches, Gemäuer. Für Prähistorisches interessiert sich sowieso nur einer von 100.000. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Feiern!
Vielen Dank für diesen Post und die zugehörige Karte!
AntwortenLöschenHätte ein paar Fragen / Anmerkungen:
1. Welche Funktion hatten denn die "Lochsteine" unterschiedlicher Form und Größe, die man in großer Zahl u.a. auf Döllstedter Berg findet?
2. Beim Spitzen Hügel kann man sicherlich weitgehend zustimmen, allerdings meine ich an der Westflanke eine Felsformation erkennen zu können.
3. Nördl. vom Gr. Hund befinden sich ebenfalls Steinwälle, die aber alle hangabwärts zu verlaufen scheinen. Was sollte denn damit bezweckt werden?
4. Wäre evtl. ein sprachlicher Zusammenhang zw. dem hier genannten Haunberg und anderen frühzeitlich belegten Höhen wie Hünenburg, Heuneburg od. Houbirg denkbar?
Vielen Dank vorab für weitere Infos.
Herzlichen Dank für Ihr Interesse! Die handgroßen Lochsteine werden als Gewichte am Webstuhl interpretiert. Experimentell entstehen sie als Unterlage für Knochenbohrer. Felsenunterlagen wie am Spitzen Hügel dienten oft für Begräbnisstätten (Bretagne). Steinwälle über die Höhenlinien hinweg habe ich bisher nur an Siedlungsplätzen gefunden, wo die fortifikatorische Spornfunktion nicht ausgereicht hat. Sie könnten aber auch erst im Frühmittelalter nachträglich für Viehpferche gebaut worden sein. Das muss man vor Ort sehen. Ihre Flurnameninterpretation ist genial!
AntwortenLöschenZu ergänzen wäre inzwischen: In Stadtilm gibt es eine rührige Hobbyforschergruppe um Heiko Weilert. Während der Haunberg ja als spätbronzezeitliche Anlage bekannt ist, möchte ich den Döllstätter Berg als endneolithisches Grabenwerk interpretieren. Dafür sprechen die um den Berg zickzackförmig herum führenden Gruben, teilweise mit Trockenmauern, gemeinhin als Altsteinbrüche klassifiziert. Hier in Südthüringen gibt es dutzende davon.
Gruß, Hinz Kunz