Freitag, 26. April 2019

Der Ortesweg - Prähistorische Kammstraße per pedes und Rad


Ortesweg mit prähistorischen Relikten
Wiedermal eine selbst abgefahrene Altstraße, wiedermal habe ich versucht, ihren urzeitlichen Verlauf exakt nachzuvollziehen (Siehe Meine Karten bei Google Earth), wiedermal ist ein Zwangsverlauf über Höhenrücken mit wenigen Furten heraus gekommen. Dabei gehört der Ortesweg von Marburg nach Bamberg zu den wenigen mittelalterlichen Straßen, denen selbst anerkannte Historiker ein viel höheres Alter zugestehen.
Das macht durchaus Sinn, denn der Handel zwischen den frühen Siedlern im Hessischen Bergland, in der Rhön, im Grabfeld und in Oberfranken ist ja archäologisch nachgewiesen. Der Ortesweg könnte den Völkerwanderungen in der Frühzeit gedient haben, noch während der fränkischen Invasion in Thüringen und Bayern, sicher aber während der Christianisierung vom Kloster Fulda aus. Urkundlich ist so eine mittelalterliche Heer- und Handelsstraße über uns gekommen, die das Marburger Land und den Osten des Römischen Reiches Deutscher Nation miteinander verbunden hat.
Der Ortesweg führt knapp an Südthüringen vorbei
Das Problem nur: Wiedermal gehen aus diesen Schriftstücken nur die durchzogenen Ortschaften hervor, wiedermal haben alle Altstraßenforscher diese nur theoretisch verknüpft, wiedermal scheint niemand im Gelände unterwegs gewesen zu sein. Wenn man sich aber sämtliche neuzeitliche und mittelalterliche Infrastruktur auf dieser Trasse wegdenkt, bleiben nur Hügelgräber, Hohlwege längs der Wasserscheiden, bekannte oder vergessene Höhenbefestigungen, siedlungsferne Schanzen und Terrassen sowie beziehungsvolle Flurnamen übrig, die die ersten Germanen den Relikten ihrer Vorgänger gegeben haben müssen.
Wie man so etwas erkundet, habe ich mehrfach in diesem Block beschrieben. Ich kann mich also auf den Verlauf konzentrieren. 
Legende:

·         rote Linien: Ortesweg -dick - im Netz bekannter prähistorischer Höhenwege

·         lila Linien: noch nicht vollständig recherchierte Altstraßen

·         Blaue Ringe: strategisch angelegte urzeitliche Befestigungen

·         3 blaue Punkte: frühzeitliche Relikte, die mit dem Weg in Verbindung stehen könnten

·         Blaue Burg: Mittelalterliche Befestigungen, die wahrscheinlich auf vorzeitlichen Höhensiedlungen stehen

·         Rote Burg: bedeutende bronze- und früheisenzeitliche Höhensiedlungen

·         3 lila Punkte: beurkundete Durchzugsorte 

·         3 rote Punkte: Ortesweg direkt benannt
Diese farbliche Unterscheidung ist deshalb notwendig, weil ich mich hier auf den prähistorischen Verlauf konzentrieren möchte. Und wir werden sehen: die Differenz zum mittelalterlichen Weg ist besonders dort gegeben, wo breite Hochflächen viele Alternativen anbieten. 
In der Geländeansicht ist ein besserer Abgleich möglich

Bei den Flurnamen habe ich ausschließlich solche verwendet, die gleichlautend anderen Orts entsprechende archäologische Funde hervor brachten.
Start also in Marburg, das ja seit der Steinzeit über alle sesshaften Kulturen hinweg besiedelt war. Bekannt sind Hügelgräber um 1500 v.Chr., ein frühbronzezeitliches Grab und die Wallanlage Schanzenkopf aus dem Frühmittelalter. Unbeachtet, aber mit typisch urzeitlichen Bezug sind Flurnamen wie Ortenberg, Hohenstein, Weimar, Ringmauer, Dommels(Dom)berg, Kirchspitze und Wein(Weg)berg. Ausdrücklich möchte ich auf die Terrassen an Hasenkopf, über Cappel und am Richtsberg hinweisen, wie sie viele untersuchte keltische Siedlungen umschließen.
In der Karte fällt sofort auf, dass der mutmaßliche mittelalterliche Weg (lila) in jedem Fall eine ständiges Auf und Ab der Strecke bedeuten würde, sowie die Nutzung der in der Frühzeit noch versumpften Täler. Das ist erst ab den fränkischen Siedlern um 600 herum logisch, deren Dörfer ja angefahren werden mussten. Kürzer, kräftesparender, sicherer ging es für die alten Fernreisenden über die wasserscheidenden Höhenwege. Das ist meine eingezeichnete Trasse.
Zwischen Vogelberg und Fulda sind zwei Trassen plausibel. Ich bin beide abgefahren. Sie ähneln sich hinsichtlich Länge, Höhendifferenz und Konzentration der urzeitlichen Artefakte. Fulda könnte ebenfalls aus einer alten Furt dort hervor gegangen zu sein. Typisch auf jeden Fall die beidseitige Absicherung des Flussübergangs mit den Wallanlagen auf Steinberg und Rauschenberg. 
Mittelalterliche Altstraße =
bronzezeitlicher Urwege?
An der Milseburg bin ich mir nicht sicher. Natürlich musste das Kelten-Oppida angefahren worden sein, aber die „trockene“ Höhenstrecke verläuft über die Schanze auf dem Stellberg.Die nächste Ballung strategischer Anlagen findet sich dann um Bad Neustadt an der fränkischen Saale. Die meisten Forscher präferieren den dortigen Veitsberg als die legendäre Königspfalz Salz. Wer die mickrigen Ausgrabungsergebnisse da oben kennt, weiß, dass hier niemals ein herrschaftliches Gefolge untergekommen wäre. Dazu der Umweg! Ich vermute die frühmittelalterliche Holzbefestigung direkt über Salz auf der Luipoldhöhe. Trotz der Überbauung mit einem typischen Höhensportplatz (ebene Fläche) sind die Abschnittswälle noch deutlich zu erkennen. Im Hochmittelalter muss der Ortesweg natürlich die Salzburg nebenan tangiert haben.
Der Rennweg dann in den Haßbergen ist ja als Keltenerlebnisweg ausgiebig erforscht. Auch Bamberg glänzt mit entsprechenden Funden, besonders seinen urzeitlichen Götzen.
Bronzezeitliches Marburg am Anfang des Ortesweges
Hallstadt, dessen Namensvetter in den Alpen der vorkeltischen Kultur ihren Namen gegeben hat, muss sicher nicht hervorgehoben werden. Es gibt dort am Zusammenfluss von Main und Regnitz aber eine völlig vergessene Wallanalage: Der Vieretsknock ist nicht nur größer und sicherer als alle bekannten befestigten Siedlungen im Umkreis, er verfügt auch mit dem Kreuzberg über einen noch heute - natürlich christlichen - genutzten Kultplatz. Sogar die mutmaßliche Prozessionsstraße zwischen beiden ist noch zu erkennen.   

Natürlich muss auch der Ortesweg in der Gesamtheit der europäischen Altstaßen gesehen werden. In der Karte sind wichtige Schnittstellen mit anderen Urwegen eingezeichnet. Seine strategische Ausrichtung von Nordwest nach Südost macht in der Frühzeit nur Sinn, wenn man den Ärmelkanal und den Orient im Blick hat. Wie wir wissen, sind ja keltische Volcae auch in Anatolien aufgetaucht. Der Ortesweg lag zwar außerhalb des römischen Straßennetzes, aber Karl der Große hat ja mit seiner Fossa Carolina einen Schifffahrtsweg von der Nordsee bis ins Schwarze Meer verfolgt.
Handelsknoten Bamberg am Ende des Ortesweges
Um den alten Kanal zu graben, musste man erst mal dorthin kommen. Es ist also notwendig, seine Fortführung an den Enden zu betrachten. Marburg stellt einen wichtigen Altstraßen-Knotenpunkt dar. Von hier führte auch die Brabanter Straße seit Urzeiten nach Köln und Lüttich. Bamberg hatte über den östlichen Keltenweg in Franken Anschluss an die Donauebene, Wien und damit Konstantinopel.
Doch begnügen wir uns mit dem Ortesweg. 233 km quer durch Deutschland, weitab vom Massentourismus? Ein Ochsengespann der frühen Bauern hätte von Marburg nach Bamberg 12 Tage gebraucht. Mit dem Fahrrad schaffte ich die Strecke in einer Woche und hatte noch Zeit für Besichtigung der eingetragenen Denkmale aus schriftloser Zeit. Für Geschichtsinteressierte über das Mittelalter hinaus ist das kaum zu toppen. Viel Spaß!

Sonntag, 21. April 2019

Schloss Kühndorf (von C. A.)


Das Schloss ist eines der bedeutendsten Wahrzeichen der Ortschaft Kühndorf. Es wurde zwischen 1290 und 1315 erbaut. Die Herren von Kühndorf waren es, ein Rittergeschlecht mit hohem Ansehen, die in der Burg lebten und Vasallen der Grafen von Henneberg waren. Der letzte dieses Stammes, Otto von Kühndorf, verkaufte 1316 die Burg samt Nebengelass und den umfangreichen Grundbesitz, an den Johanniterorden, der die Burg weiter ausbaute und zum Sitz einer Komturei (Verwaltungsbezirk) machte. Kühndorf war neben Schleusingen eine der 7 Niederlassungen des Johanniterordens in Franken. Es waren vor allem die Beziehungen der Johanniter zu den Grafen von Henneberg, aus deren Familien mehrere führende Ordensleute stammten, dass der Orden südlich des Thüringer Waldes am Ausgang des 13. Jhd. Fuß fassen konnte. 1290/91 erfolgte die Gründung der Komturei Schleusingen, wenig später um 1316 Kühndorf. Heute ist das Schloss die einzige erhaltene Johanniter Ordensburg, die in Mitteldeutschland steht. Die Henneberger Grafen, Förderer des Johanniter–Ordens, ließen u.a. auch die Burg von 1435 bis 1449 weiter ausbauen.

Mit der Reformation, die in der Grafschaft Henneberg – Schleusingen 1545 durchgeführt wurde, begann für den Orden und dessen Komtureien im deutschsprachigen Raum ein Überlebenskampf. Für die Landesfürsten, die sich der Reformation anschlossen, war die Gelegenheit günstig, sich den Besitz des Ordens anzueignen. Viele der Kommenden kamen in fürstliche Verwaltung und wurden staatliche Domänen, andere wurden von den Fürsten verpachtet. Den Brüdern des Ordens blieb es überlassen, ob sie sich der Lutherischen Lehre anschließen oder beim Katholischen Glauben verbleiben wollten. Das deutsche Großpriorat trat schließlich geschlossen zum Protestantismus über, aus dem später der evangelische Johanniterorden hervorgegangen ist.
Das Ordensschloss der Johanniter in Kühndorf mit seinen umfangreichen Besitzungen kam in die Hände der Grafen von Henneberg -Schleusingen, die 1583 hier ein neugeschaffenes Amt Kühndorf einrichteten, das auch unter der sächsischen Verwaltung bis 1815 bestand. Das Schloss war Sitz der Amtsverwaltung und des Amtsgerichts. Hier fanden unter anderem auch die im Amt Kühndorf geführten Hexenprozesse statt. Am 28. Juni 1660 wurde eine Utendorfer Frau als letzte Hexe verbrannt und ihre Asche am Dolmar in alle Winde zerstreut. Im Kühndorfer Schloss hatte man sie vorher grausam gefoltert und nach ihrem Geständnis den Prozess gemacht.
Unter Preußen wurden dann 1816 die Ämter Schleusingen, Suhl, Kühndorf und Benshausen zum preußischen Kreis Schleusingen zusammengeschlossen. Die Ländereien der früheren Johanniter wurden eine staatliche Domäne, deren Verwaltung im Schloss untergebracht war. 1902 begann man die Ländereien an Bauern der umliegenden Dörfer zu verkaufen. Auch das Schloss wurde an den Rittmeister Sigmund aus Berlin und Johann Michael Keßler für 3000 Goldmark verkauft. 1920 erwarb Herr Dr. Treubel aus Jena das Schloss.
Er sammelte alte Waffen und Möbel und richtete neben einer kompletten Wohnung ein Museum ein. Im ersten Stockwerk des Südflügels wurde eine Gaststätte betrieben. Bei diesen Umbauten wurden auch viele bedeutsame Veränderungen an der Burg vorgenommen.
Ab 1945 war die Gemeinde Kühndorf Rechtsträger des Schlosses. Ins Dorf kamen damals auch viele Umsiedler aus den Ostgebieten. Allein 25 Familien waren über Jahre im Schloss untergebracht. Ab 1968 begann der örtliche Kulturbund mit der Renovierung des Schlosses. Es entstanden eine Küche und ein Kulturraum. Beide sind auch für die Schulspeisung genutzt worden.
Nach der Wende im August 1990 begann man mit Unterstützung der Denkmalpflege das gesamte Dach zu erneuern, aber schon am 16.12.1991 verkaufte die Gemeinde das Schloss, so dass es jetzt in Privatbesitz ist. Die neuen Besitzer nutzen die ehemalige Johanniter- Ordensburg als Wohngebäude, stellen aber die Schlossanlage und auch bestimmte Räumlichkeiten als Museum und Kulturzentrum sowie als Touristenattraktion zur Verfügung.

Quelle: Henneberger Heimatblätter
Veröffentlichungen im FW
Für weitere Informationen zur aktuellen Öffentlichkeitsarbeit siehe: johanniterburg.de