Donnerstag, 27. Juli 2017

Zur Geschichte des Stutenhauses (von C.A.)

Der uns schon vom Dolmar bekannte natursinnige Wandersmann und Heimatbeschreiber Trinius schildert voller Romantik des 19. Jh. im Band 6 seines „Thüringer Wanderbuches“ aus dem Jahr 1896 die Lage des Stutenhauses wie folgt:
„Nahe dem Hauptknotenpunkt des Thüringer Waldes, um den sich die namhaftesten Bergeshäupter gruppieren, liegt das Stutenhaus am Fuße des turmgekrönten Adlersberg, eingebettet in dem über 100 000 Morgen umfassenden Forstgelände des Kreises Schleusingen. Dem gedankenraubenden, nervenzermarternden Straßen- und Verkehrslärm (!!! 1896) entrückt, erhebt sich die einsame, trauliche Klause am oberen Ende einer großen, von Buchen- und Fichtenwald in reizendem Wechsel umgebenen Wiesenfläche, die sich in nordöstlicher Richtung etwas schroff abdacht. Wahrlich ein berückendes Bild, in dem sich Ernst und Anmut auf harmonische Weise trefflich vereinigen! Ich kenne kaum einen zweiten Punkt in den höheren Teilen unseres Gebirges, der sich so herrlich zum Standort eignet, wie das Stutenhaus, um von hier aus mit einer sich erneuernden Luft das sich anschließende Gebiet köstlicher Täler, Bergmatten und weitausblickender Höhen zu durchschweifen. Stundenweit ringsum nichts denn schweigende Bergpracht, duftender, üppig quellender Hochwald, von forellenreichen Wassern schäumend durcheilt.“Trinius berichtet in seinem Buch jedoch nichts über die Entstehung und den bisherigen Werdegang des viel besuchten Stutenhauses. In den nachfolgenden Darlegungen soll deshalb versucht werden, nach der Aktenlage in den Archiven, auf Grund von verstreuten Nachrichten und aus der Heimatliteratur, ein historisches Bild vom Stutenhaus zu zeichnen.
Eng mit der Historie des Stutenhauses verknüpft ist die Geschichte des Gestüts der Domäne Kloster Veßra. Das Prämonstratenser Kloster war in der Reformationszeit vom Grafen Georg Ernst verweltlicht und dessen nicht unbeträchtlicher Besitz 1544 eingezogen worden. Veßra wurde schrittweise in eine Domäne umgewandelt, die Verwaltung übernahm ab 1573 ein vom Grafen eingesetzter Klostervogt. - Nach dem Aussterben der Henneberger fiel dessen Ländchen 1583 an das sächs. Herrscherhaus der Wettiner und wurde von dessen Ernestinische und Albertinische Linie zunächst gemeinsam regiert. Bei einer Teilung 1660 bekam der Albertiner Herzog Moritz von Sachsen-Naumburg-Zeitz den späteren Kreis Schleusingen und damit auch die Domäne Kloster Veßra zuerkannt.
Es muss vorausgeschickt werden, dass unweit des heutigen Stutenhauses noch ein anderes, das ursprüngliche Stutenhaus gestanden hat. Es ist auf älteren Karten südöstlich von dem heutigen eingetragen und noch in den 1930-er Jahren waren ruinenhafte Reste des alten Stutenhauses zu erkennen. Es war mit großer wahrscheinlich schon während der gemeinsamen Regierungszeit der Sächsischen Herzöge (1583- 1660) von der Kron-Domäne Veßra errichtet worden und es ist anzunehmen, dass auch ein Gestüt Ende des 16. Jh. bereits bestand und nicht, wie amtlich angegeben, erst 1677 gegründet wurde. Akten und Urkunden des Kloster Veßra lassen nicht genau erkennen, ob 1677 Herzog Moritz eine „Stuterey“ in der nunmehrigen sächsische Kron- Domäne neu eingerichtet oder ein schon vor 1660 bestehendes Gestüt erweitert hat.. (Auch Zeitangaben der Heimatkundler Völker, Schultes u. Findeis widersprechen sich.) Andere Urkunden bestätigen, dass die Herzöge von Sachsen, die Grafen von Gleichen und andere „allerhöchster Herrschaften zwecks Förderung der Rossezucht“ bereits Ende des 16. Jh., die zahlreichen Waldwiesen oder Wildentriften des Thüringer Waldes durch Zuchtstuten (man nannte sie Wilden) abweiden ließen.
Wie dem auch sei. Von Veßra aus wurden alljährlich im Frühjahr die dort gezüchteten weiblichen Pferde mit ihrem Nachwuchs nach dem sich etwa 2 ½ Km oberhalb des Dorfes Vesser zwischen dem Nahe- und Vessertal hinziehenden Wiesengelände gebracht, wo sie sich den Sommer über auf der frischgrünen Matte umhertummeln konnten. Damit sie nachts oder bei nasskalter Witterung Schutz finden konnten, errichtete man sogenannte Wildenställe, die das Aussehen von Feldscheunen hatten und seitlich durch Hürten verschlossen waren. Auch für die ansehnlichen Heu- und Grummetmengen (6-700 Zentner.) wurden geräumige Scheunen errichtet. Und natürlich musste ein Wohnhaus für die Hirten und Knechte gebaut werden. Schon Ende des 17. Jh. nannte man dieses große und wichtige Bauwerk Stutenhaus. Der Name wurde dann auf die ganze Niederlassung dort oben am Adlersberg übertragen.
Hier läuft auch eine alte Fahrstraße von Ilmenau, Schmiedefeld über Silbach nach Schleusingen vorüber, „die dicht am Alten Stutenhaus vorbeikommt, in welchem Reisende Branntwein, Milch und einige Erfrischungen haben können.“ Das Alte Stutenhaus war bis zur Mitte des 18. Jh. noch vorhanden, ist aber danach mehr und mehr verfallen. Das heutige, „Neue Stutenhaus“, (770 m über NN) ist dagegen das ursprünglich Jagdhaus des Herzogs Moritz. Er ließ es, lt. Juncker, nach einem Bericht des zeitgenössischen Oberförsters von Suhl und Erlau, auf seinen Befehl hin 1664 „auf einem überaus lustigem Platze“ erbauen und es wurde schon 1676 um einen ganz neuen Bau erweitert. Bei dieser Gelegenheit wurde der ältere Bau ausgebessert und für den Hofstaat noch etliche andere errichtet. Es waren sog. Schwedenhäuser, welche nur aus Balken zusammengesetzt, mit Moos ausgestopft und mit einem Kamin versehen wurden.“ (Am Kamin des heutigen Stutenhauses ist die Jahreszahl 1664 erhalten geblieben.)
Entspr. den „Schriften des Henneberg. Geschichtsvereins Jahrg. 1909“, „pflegen ab 1703 Höchstgedachte, Ihro Hochfürstliche Durchlaucht alle Jahre, sonderlichen zur Brunftzeit, dero Hof- und Jagdlager an diesem sehr pläsirlichen Ort zu halten.“ Am 15. Januar 1706 stellt der sächs. Amtsvogt in Schleusingen, Joh. Sebastian Steuerlein, den Antrag, einen neuen Brunnen gleich am neuen Hause anzulegen, weil nämlich der Brunnen „aufm Adlersberg“, der gar weit vom neuen Hause liege und bei Anwesenheit der Hochfürstlichen Herrschaft, den armen Dienstleuten sehr beschwerliche Frohn (Arbeit) mache, indem für die Pferde, für die Herren zum Waschen und für die Küche täglich und fast ununterbrochen Wasser herbeigeschafft werden müsse. Laut einer Urkunde im Mgdb. Archiv (F XIV Nr. 14) gibt Herzog Moritz am 25. September 1706 den Befehl, dass im kommenden Frühjahr noch ein Schweden- Haus in einer Linie mit den alten gesetzt und angepasst, außerdem solle auch ein neuer Brunnen am Hause angelegt werden.
Und wie das Leben so spielt, verstarb 1718 Herzogs Moritz Wilhelm und sein Nachfolger nebst Hofstaat zeigte keinerlei Interesse am Jagddomizil am Adlersberg. Sie kamen nicht mehr auf das Stutenhaus oder nutzten es als zeitweilige Bleibe. Es diente für die nächsten 100 Jahre als Unterkunft für den Gestütsverwalter und die Pferdeknechte, die die Stuten betreuten. Nachdem 1815 unser Gebiet als Kreis Schleusingen an den Preußischen Staat gefallen war, hatte das Veßraer Gestüt eine bedeutende Erweiterung erhalten. Es bestand 1830 aus: 4 Hengsten, 59 Hengstfohlen von 3 bis 4 Jahren, 54 Zuchtstuten, 68 Stutenfohlen und 2 Dienstpferden. Im Jahr 1816 wird in Akten das Jagd- oder Stutenhaus als „Hengsthaus“ bezeichnet, wo sich die vom Kloster Veßra zur Weide gehenden Hengstfohlen und ihre Hirten aufhalten. Da die männlichen Zuchttiere in den umgebauten Wirtschaftsgebäuden der ehemaligen jagdlichen „Residenz“ des sächs. Herzogs untergebracht waren, so ist die Benennung Hengsthaus wohl erklärlich. Sie scheint aber nicht lange gehalten zu haben, denn schon 1836 heißt es: „Das Neue Stutenhaus“.
Es besteht aus dem Wohnhaus des Gestüts-Aufsehers mit Hof und zwei großen Ställen. Die Weideplätze dehnen sich jetzt über 735 Morgen aus, welche früher mit Wald bestanden, aber zur Vergrößerung der Weide abgeholzt wurden. Für das weidende Vieh blieben allerdings genügend Schattenbäume stehen. Die Weiden sind größtenteils offen und die Pferde werden in vier Abteilungen von den Gestüts-Knechten beaufsichtigt und geweidet. Es werden jedes Jahr aber auch noch 2700 Zentner Heu eingebracht.
Trotz der mehrfach gerühmten Vorzüge der Veßraer Zuchtpferde wurde das staatliche Gestüt 1843 aufgelöst. Der Transport der meist nach Berlin zum Militär beorderten vierjährigen Pferde sei zu umständlich und kostspielig. Von 1855 bis 1858 nutzte der „Thüringer Fohlenverein“ das Stutenhaus vorübergehend für eine private Pferdezucht. Das „Alte Stutenhaus“ war nun schon verfallen und in den verlassenen Räumen des „Neuen Stutenhauses“ hauste ein Waldwärter, der auch allerhand Erfrischungen für Wanderer und Reisende verabfolgen und auch mit Nachtquartier dienen konnte. Nach ihm wohnte dort der Oberholzhauer Helbig aus Vesser. Er war der erste offizielle Wirt „auf stolzer Höh“ im Stutenhaus. In den Jahren 1863 bis 1866 übernahm dann der „alte Keßler“, der dicke Inhaber des Coburger Hofes in Schleusingen das Stutenhaus und eröffnete darin einen schon belebteren Wirtschaftsbetrieb. Das Sagen dort hatte seine Tochter Rosalie, die auch nach des Vaters Tod den Betrieb weiterführte (Hotel und Restaurant Coburger Hof in Schleusingen war die spätere Porzellanfabrik und das heutige große Wohnhaus der Familie Kellerer am Bahnhof). Ein schalkhafter „Verehrer“ schreibt über Rosalie: „Sie war eine brave, wetterfeste Jungfrau, deren schönes Alter jede Unruhe ob ihres einsamen Aufenthaltes energisch verscheuchte. Sie war eine rühmenswerte Gastgeberin, sie kochte vorzüglichen Kaffee, servierte Butterbemmchen mit Käse und Schinken, verzapfte ein ganz ausgezeichnetes Coburger Bier und verstand ebenso in aller Eile ein Gebäck zum Kaffee herzustellen.“
Auch unser Wandersmann Trinius kehrte am Stutenhaus ein und berichtet: „Ein Sonntagnachmittag wars's und ein leichter Sonnentag dazu. Aus benachbarten Walddörfern waren Burschen und Mädchen nach diesem schlichten Heim heraufgestiegen und hatten eine Dorfkapelle mitgebracht. Mützen und Brustlatz schmückten frischgepflückte Waldblumen, die Wangen Gesundheit und Frische. Draußen auf dem Wiesenplatze hatte man sich gelagert, becherte und schmauste. Dann hob die Musik zum Spielen an, und von den starken Armen der Burschen gestützt und gehoben, schwangen sich die lachenden Dirnen im Reigen: jetzt über den Rasen hin sich drehend, dann wieder juchzend im hohen Bogen durch die Luft fliegend, so dass die weißen Zwickelstrümpfe gar schelmisch hervorleuchteten. Es ging hoch her an diesem Sonntagnachmittag in dieser gastlichen Einsiedelei.“
Im Jahr 1880 übernahm das Anwesen Heinrich Juchheim aus Ilmenau und machte aus dem Waldhaus eines der größten und schönsten Berghotels des Thüringer Waldes. Während der 27 Jahre als Domänepächter hat er am schlichten, hausbackenen Stutenhaus großartigen Veränderungen und Verschönerung - innen und außen - vornehmen lassen. Es verfügte nun nicht nur über einen Gastraum, sondern auch über einen großartig ausgestatteten Speisesaal. Ein stattlicher Anbau, der sich am Waldrand entlang zieht, verfügt über 45 Zimmer mit 80 Betten. Juchheim will weg vom etwas trivial klingenden Namen Stutenhaus und nennt sein Anwesen jetzt: „Hotel am Adlersberg“. Bis zum Ersten Weltkrieg kamen unzählige Gäste und Besucher, der Hotelbetrieb erlebte von Jahr zu Jahr einen neuen Zuwachs.
Mit Beginn des 1. Weltkrieges blieben jedoch die Gäste aus. Vor allem durch die Schwierigkeiten bei der Lebensmittelbeschaffung und dem eingeschränkte Verkehr, wurde der Wirtschaftsbetrieb völlig lahm gelegt und Juchheim gab auf. Da er sich auch verschuldet hatte, war er am Ende ein armer Mann. Über Jahrzehnte hindurch blieb nun das verödete Hotel leer. Lediglich ein leidlicher Wirtshausbetrieb konnte aufrecht erhalten werden. Die Gastlichkeit war nicht sehr einladend.
Im Jahr 1926 verkaufte der preußische Staat das Stutenhaus samt Wiesen, die vorher zur Domäne Kloster Veßra gehörten, an die Familie Lankenau (Lankwitz) aus Bad Salzungen. Nach einer gründlichen Renovierung wurde das Objekt als „Berghotel Stutenhaus“ im Mai 1929 in Betrieb genommen. In Anbetracht seiner herrlichen Lage, sowie seiner anheimelnden Gast- und Logierräume, der beschatteten Veranda mit einer herrlichen Fernsicht und der sich selbst empfehlenden Küche des Hauses, war die frühere Anziehungskraft bald wieder hergestellt. Am 14. Juli 1929 erfolgte außerdem die Einweihung der „Thüringer Wald- Klause“ in dem einzigen noch aus der Zeit der sächsischen Hofhaltung und Veßraer Pferdezucht stammende Gebäude. Zur Einweihung hatten sich Hunderte Heimatfreunde eingefunden, die an den einst hier herrschenden Hochbetrieb am Stutenhaus erinnerten.
1941 erwarb die Carl – Zeiss Stiftung zu Jena das Anwesen und nutzte es als Ferienheim für seine Belegschaft. Umfangreiche Um- und Anbaumaßnahmen folgten. Für Wanderer, Schulausflüge und Touristen blieb die Gaststätte geöffnet und war auch in der Nachkriegszeit meist überlaufen. Die Versorgung und Bedienung der Feriengäste zu DDR-Zeiten auch in der Gaststube hatte Vorrang und durch lange Wartezeiten bei der Bedienung gab es ständig verärgerte Gäste.
Heute wird die sog. Stutenwiese unterhalb der „Stutenhauses“ vom Reiterhof der Familie Werner als Futtergrundlage für zahlreichen Pferde genutzt. Der Reiterhof mit Wohnhaus steht unweit des Stutenhauses.
Nach der Wende 1989 hielt das Karl Zeiss Kombinat noch einige Zeit den Hotelbetrieb aufrecht, aber „gedrängt“ durch die Treuhand wurde das Stutenhaus 1992 „privatisiert“. Danach übernahm Heinz Kaul das Haus und übergab es später seiner Tochter. Nach einigen Turbulenzen, Insolvenzen und Zwangsverwaltung durch eine Bank, wurde das Berghotel im November 2013 zwangsversteigert. Heute ist es im Besitz von Günter Neumann, der aus Berlin kommt und es wieder zu altem Ansehen verhelfen will. Inzwischen hat sich einiges getan, sind Handwerker am Stutenhaus tätig.

Am 23. August 2014 Im Jahr feierte das Stutenhaus das 350-jährige Jubiläum seiner Erbauung im Jahr 1664.

Quelle: Veröffentlichungen im FW- Henneberger Heimatblätter 1928

Zum Adlersberg:
Auf dem 849 m hohen Adlersberg steht seit den 1870-er Jahren ein 22 m hoher Aussichtsturm aus gehauenen Steinquadern. Das Areal auf dem Gipfel gehört zum Biosphärenreservat Vessertal und ist seit einigen Jahren in Besitz der Gemeinde St.- Kilian, die das beliebte Ausflugziel für die Naherholung und den Tourismus attraktiver machen will. Seit 2012 wird hier schon mit Mitteln aus dem Förderprogramm zur Entwicklung des ländlichen Raums (LEADER), gebaut. 2013 wurde auch die Bergbaude erweitert. Sie wurde schon in der DDR-Zeit von Ulli Schmidt aus Breitenbach betrieben und war längst den Anforderungen nicht mehr gewachsen. 2014 wurde auch der Aussichtsturm für die nächsten Jahre fit gemacht. Für über 50.000 € wurden alle Schäden am Mauerwerk und im Innern des Turmes beseitigt, so dass er wieder gut begehbar ist. Von seiner Aussichtsplattform schweift der Blick über den Thüringer Wald, die Gleichberge und die Rhön bis ins Frankenland hinein. Alljährlich, am ersten Wochenende im August, wird vom Adlersbergverein das Adlersbergfest organisiert. Es lockt meist ungezählte Berg-, Wander- und Heimatfreunde an, die sich hier bei Musik, hausgemachten Kuchen, Bratwürsten, Linsensuppe aus der Feldküche, Zwiebelkuchen, Fischbrötchen und Fettbrote schmecken lassen können. Es gibt auch immer Informationen zum Biosphärenreservat mit Einblicke in Flora und Fauna des Vessertals.

Quelle: Veröffentlichungen im Freien Wort