Donnerstag, 16. Juli 2020

Historischer Tal- oder Höhenweg? Die Hohe Straße von Speyer nach Nürnberg

Ausrichtung der Hohen Straße
zwischen Speyer und Rothenburg o.d.T.
Eigentlich schließen sich die beiden Sätze in der Überschrift ja aus. Die Hohe Straße in Süddeutschland ist jedoch ein gutes Beispiel dafür, wie ur- und frühzeitliche Fernwege nach 1200 v. Chr. langsam von den Wasserscheiden ins Tal wanderten. Leider auch dafür, dass die Vorstellungen selbst historisch bewanderter Menschen meist nur bis ins Mittelalter reichen.
Die alte Heer- und Handelsstraße wird heute ganz in ihrer Tradition als Jakobusweg ausgewiesen, der die Pilger aus Osteuropa über Nürnberg, Rothenburg ob der Tauber und Speyer, weiter nach Straßburg, Vezelay oder Le Puy nach Santiago de Compostela geleiten soll. Zwischen Jagst und Kocher findet sich sogar ein Artikel bei Wikipedia, wo auf eine Hohe Straße auf dem heute siedlungsfernen Höhenrücken hingewiesen, aber Einbindung und Streckenweiterführung unterlassen wird. Jede Streckenangabe führt die Sinnsuchenden ganz religiös- und geschäftstüchtig durch die Täler mit ihren mittelalterlichen Ortschaften und Kirchen.
Dabei zeigen archäologische Funde und Siedlungsverdachtsplätze den ausschließlichen Verlauf dieses frühen Weges über die wasserscheidenden Bergkämme der Region an, natürlich mit entsprechenden Furten, wenn die logische Orientierung durch Flüsse unterbrochen wird: Fürth, Rothenburg, Heimhausen, Bad Wimpfen.
Hohe Straße zwischen Kocher und Jagst
Und das lange vor der Christianisierung! So ist die Ausrichtung der Hohen Straße nach mittelalterlich Urkunden wohl eher auch im Fernhandel zwischen Pariser- und Böhmischen Becken zu suchen. Das berühmte Rothenburg ob der Tauber also nur eine Furt-Absicherung beim kontinentalen Fernhandel?
Ich habe ihren Verlauf in die interaktive Karte bei den Rennwegen eingetragen, weil eine diesbezügliche Flurbezeichnung bei Nürnberg auftaucht. Das war ein technischer Fehler. Es fanden sich nämlich so viele Artefakte an dieser Strecke, dass die Gesamtkarte bei Google-Maps an die Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit stieß. Vielleicht mache ich später mal eine eigene Karte daraus und ergänze. Denn die Trasse hat es in sich!
Interaktive Karte um Speyer...

Bei oberflächlicher Betrachtung zeigt sich nur der Standartverlauf einer bronzezeitlichen Urstraße, wie es Hunderte in Europa gibt: Wasserscheiden mit Hügelgräbern. Siedlungsschwankungen verweisen darauf, dass Natur- und Klimaunbilden die Menschen wiederholt auf die Höhen getrieben haben müssen. Mehrere lokale Autoren berichten sogar von Funden aus der Jungsteinzeit. Niederhall, die Höhe Hall über Dörrenzimmern oder Weißbach am Hallberg müssen außerdem als Zeugen des keltischen Salzhandels herhalten. Die Römer findet man dann in ihren Kastellen Wimpfen und Jagsthausen. Aber auch im Harthäuser Wald werden ihnen Relikte zugeschrieben. Via Regia) oder Kaiserstraße bezeichnet. Kaiser Friedrich II. soll noch 1235 diesen Weg von Nürnberg nach Wimpfen genommen haben. Selbst bis in das 18. Jahrhundert hinein nennen Schriftquellen noch Geleit- und Zollrechte auf ihr. Das alles gibt es jedoch auch anderswo!
… und um Nürnberg
Die Germanen weisen sich dann besonders an den Flussübergängen mit -ingen und -stett-Orten aus. Die Franken hinterließen uns -hausen und -heim-Niederlassungen, ihre Christianisierung die typische Vereinnahmung von „heidnischen“ Plätzen durch Kapellen, Kreuze und Flurnamen-Beiwörter, wie Heiligen-, Hölle- oder Teufels-. Im Mittelalter wird die Hohe Straße auch als Königstraße (
Bei genauerer Betrachtung aber präsentiert die Hohe Straße einmaliges: Da ist zunächst die extreme Dichte prähistorischen Siedlungsverdachtsplätze zwischen Rotzberg und Bad Wipfen. Deren Flurbezeichnungen existieren meist mehrfach in Deutschland und verweisen in jedem Fall auf alte Niederlassungen (Siehe Post:
Hohlwegebündel am Wsserscheidenkamm zwischen
Kocher und Jagst
Zeitliche Horizonte altgermanischer Flurnamen). Es handelt sich dabei immer um Orte, die fortifikatorische Merkmale aufweisen: Bergsporne über Flüssen, meist mit künstlich versteilten Abhängen nach drei Seiten, Quelle nebenan, Steinkonzentrationen mit Gebrauchsspuren. Auch Magerrasen und Terrassenabhänge gehören dazu (Siehe Post: Europäische Feldterrassen 2000 Jahre älter als gedacht? An jedem Ort gibt es auch andere ur- und frühzeitliche Bezüge wie Hügelgräber, Hohlwege oder Steinwälle. Scheinbar jede Bergnase um die besagte Höhe muss befestigt gewesen sein. Solche Siedlungsstrategien existieren ebenfalls mehrfach in Europa und sie wurden um Erkenbrechtsweiler auch archäologisch für mehrere Siedlungsepochen nachgewiesen.
Dabei taucht bei solchen mutmaßlichen Befestigungen im untersuchten Gebiet ungewöhnlich häufig das Bestimmungswort „Vogel-“ auf, mit -sang, -herd, -busch, -kopf, etc.
Speyer
Unabhängig davon, was die Sprachwissenschaftler sagen, kenne ich dutzendfach solche Relikte entlang der wasserscheidenden Höhenwege im deutschsprachigen Raum. Bei einigen ist dieser Zusammenhang auch archäologisch nachgewiesen, wie dem Vogelsang in Mecklenburg, bei Morsbach, Gevelsberg und Gommern. Hier in Südthüringen liegt neben solch einer Schanze namens Vogelherdskopf der sog. Hexenhügel, wahrscheinlich Europas größter ungeöffneter Grabhügel. Vergleicht man all diese Zusammenhänge, kommt man zu dem Schluss, dass es sich um Wohnplätze bereits aus der Bronzezeit von 2200-1000 v. Chr. etwa handeln muss. Sicher aber können das nur ausstehende Grabungen datieren.
Nürnberg

Und noch ein Indiz weist in diese Zeit: Vielerorts werden in den alten Karten sog. Erdfälle dargestellt. Ich habe mir diese Löcher besonders zwischen Mittelbach und Simprechtshausen angeschaut. Das können keine geologischen Absenkungen sein! Sie sehen aus wie verfallene künstliche Altsteinbrüche, die die mutmaßlichen Befestigungen gegen den übrigen Höhenrücken absichern sollten. In ihrer Unvollständigkeit sind sie aber typisch für Hunderte solcher dann Anlagen gerade in Süddeutschland, gesammelt bei der Cairn-Forschungsgesellschaft. Auch wenn die dort anders bewertet werden, die extremen Steinbewegungen sind ja nicht weg zu diskutieren. Ich interpretiere diese Anlagen als Grubenwerke aus endneolithischer, wahrscheinlich megalithischer Zeit, um die die Archäologen bisher leider einen Bogen gemacht haben (Siehe Post zur prähistorischen Architektur).
Rothenburg ob der Tauber

Die Altstraßen in den Tälern jedenfalls, können erst nach der Völkerwanderung bzw. der fränkischen Kolonisation entstanden sein. Klimatische Austrocknung und Melioration begünstigten diese Entwicklung. Sie mussten sicher dann auch die Masse der Pilgerströme des Mittelalters aufnehmen. Deshalb liegt die Ausschilderung als Jakobusweg ja doch nicht ganz falsch. Die reisegewohnten Kutscher der Handelskarawanen aber scheinen noch bis zu den Kunststraßen im 19. Jahrhundert die Höhen als Fernwege genutzt zu haben.

Montag, 8. Juni 2020

Von Paris nach Tilleda - Königspfalzen quer durch Deutschland

Die Königspfalz Tilleda in Nordthüringen
Text zum Film auf YouTube

Im Norden Thüringens präsentiert sich am Rande der Goldenen Aue das Erlebnismuseum Tilleda. Es ist die einzige vollständig ausgegrabene Königspfalz in Deutschland, eine ehemalige befestigte Nobelherberge für umherziehende Herrscher also. Burg und Umland vermitteln ein weitestgehend unverfälschtes Bild vom Leben wie vor 1000 Jahren. Schon im 19. Jahrhundert hatte man begonnen, hier auszugegraben und vor einigen Jahren wurde umfassend restauriert. Unter der Woche könnten die Ausstellungen noch ein paar Besucher vertragen, aber seine Mittelalterfeste und Ritterspiele locken inzwischen Tausende an. Seit dem Jahre 700 etwa soll die Befestigung den gekrönten fränkischen Häuptern vor allem als Ausgangspunkt für Kriegszüge gen Osten gedient haben.
Steinmauern und Lehmhütten
Im 10. Jahrhundert stellten in „Tullide“ verschiedene Ottos, Heinrichs, Friedrichs - und wie sie alles hießen - mehre erhaltene Urkunden aus. 972 übergab Kaiser Otto II. seiner Gemahlin Theophanu unter anderem die Pfalz „Dullede“ als "Wittum", so zu sagen als Absicherung im Falle seines Todes. Doch sehr großzügig scheint ihre Majestät nicht gerade gewesen zu sein. Der kleine Bergsporn östlich des Kyffhäusers zeigt zwar ein paar Steinbauten, wie Einfalltore, Herrenhaus und Kirche, sonst aber dominieren kleine Lehmhütten und Palisadenwälle. Was für eine rückschrittliche Armedei! Jedenfalls entspricht das alles so gar nicht unseren Vorstellungen von Repräsentanzen ehemaliger Anführer des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
Speyer
Nehmen wir z. B. Speyer am Rhein, mit seinem bekannten Kaiser- und Mariendom. Es ist die größte erhaltene romanische Kirche weltweit. In seiner Krypta ruht so einiges, was damals Rang und Namen hatte. Der Dom stammt etwa aus der gleichen Zeit, als in Tilleda die ersten Steine geschichtet wurden. Hatten die hier ein anderes Verständnis von Raum und Zeit? Hatten sie!
Speyer zählt zu den ältesten Städten Deutschlands, hervorgegangen aus einer römischen Garnison am Anfang der christlichen Zeitrechnung. Bauhandwerk, Stil und Lebensart vom fortschrittlichen Mittelmeer waren hier eingekehrt.
Tilleda - ein keltischer Abschnittswall?
Wie in Tilleda auch hatten im heutigen Speyer schon lange vordem Menschen gesiedelt, die ersten Bauern vor 7000 und besonders während der Bronzezeit vor 4000 Jahren. Die brandgräberfixierten Indogermanen sollen vor 2500 Jahren noch die Flurnamen und eisernen Kampfschwerter beigesteuert haben. Aber da ging der Unterschied schon los. Während am Rhein Hallstadt- und Latene-Kelten Hochzivilisationen bezeugen, stockte es mit der Entwicklung in Tilleda. Und gegen das kulturelle Niveau der noch vor Christ Geburt hier einziehenden Römer hatten die ollen Germanen jenseits des Harzes sowieso keine Chance mehr. Aus den Rheinkasernen des Imperium Romanum konnten sich dann allerorts diese beeindruckenden Königsorte im Westen entwickeln.
Das alles beschreibt das historische Stiftsmuseum in Aschaffenburg: Die Römer saßen westlich des Mains und sicherten von Stockstadt aus ihre Provinzen gegen die barbarischen Germanen. Am östlichen Flussufer siedelten die Alamannen und versuchten durch Handel und Raub etwas vom Kuchen abzubekommen. Auf der Höhe der berühmten Johannisburg sah es also damals nicht viel anders als in Tilleda aus.
Modell einer fränkischen Wachstation am Heerweg
Das änderte sich auch nicht, als im 5. Jahrhundert die Franken als ehemalige Verbündete den Römern im Westen die Macht abnahmen. Sie versuchten genau da weiter zu machen, wo die größte Hochzivilisation der damaligen Welt sich durch dynastisches Gerangel selbst zerlegt hatte. Als Bauernkrieger und Analphabeten gelang ihnen das aber nur bedingt. 1000 Jahre kultureller und technischer Rückschritt waren der Preis! Besser als die Römer aber waren die Franken im Kampf. Nachdem sie alle Gebiete westlich des Rheins bis zum Atlantik unter ihre Kontrolle gebracht hatten, marschierten sie bei ihren germanischen Brüdern im Osten ein, erst Alemannen, dann Thüringer, dann Sachsen. Mit Stein zu bauen, brauchten die fränkischen Eliten aber genau so lange, wie schreiben zu lernen. Vermutlich im Jahr 869 fand in „castra Ascaphanburg“ die Heirat zwischen dem späteren König Ludwig III. und der sächsischen Grafentochter Luitgart statt. Sie erhielt nach dessen Tode Aschaffenburg ebenfalls als Witwensitz. Das war sicher nicht die einzige Parallele zu Tilleda. Es darf davon ausgegangen werden, dass damals hier auch nur Lehmhütten standen. Erst danach hatten die reichen Mainzer Erzbischöfe Gelegenheit, den Flussübergang hier Richtung Osten zu ihrer Zweitresidenz auszubauen.
Römerstraßen - strategischer Vorteil der späteren Franken
Denn um einigermaßen durchquerbare Furten drehte sich in brückenloser Zeit alles. Die Franken hatten gleich zu Beginn ihres Aufstieges Paris zur Hauptstadt des neuen Großreiches gemacht. Das erzwang lange Anfahrtswege z. B. auch in die ständig aufmüpfigen Provinzen wie Sachsen und Thüringen. Auf ehemals römischem Gebiet konnte die herrschende Königsdynastie der Merowinger noch auf die ausgebauten und schnurgeraden Römerstraßen zurück greifen. Erst östlich von Rhein und Main wurde es holprig.
In Worms, noch westlich des sog. deutschen Schicksalsflusses, sollen die ersten Frankenkönige, wie Chlodwig I., noch die gesamte Infrastruktur der Römer genutzt haben können. Erst nach und nach, durch Kriege und neue Prunkbauten, wie der romanische Dom oder die gotische Liebfrauenkirche, entstand das heutige Bild. An diese Zeit des Umbruchs soll die Nibelungenbrücke erinnern, dem deutschen Heldenepos gewidmet, natürlich erst in romantisierender Neuzeit errichtet.
Worms
Den Höhepunkt fränkischer Macht symbolisierte Kaiser Karl der Große, der dann auf einer Ebene mit dem übriggebliebenen Oströmischen Reich in Konstantinopel, heute Istanbul, agierte. In Worms war er zischen 772 und 790 acht Mal. Hier hat er auch seine 4. Frau geheiratet. Und nur weil die damalige überwiegend hölzerne Königspfalz abbrannte wurde nichts aus dem geplanten Witwensitz. Tilleda lässt grüßen! Königstreue Bischöfe päppelten die Stadt dann für mehrere Reichstage wieder auf, aber nach Karl ging es schon mit den Reichsteilungen los.
Die hatten aber zunächst keinen Einfluss auf den fränkischen Drang gen Osten. Die Hauptstrecke verlief von Paris nach Rheims und über Metz nach Saarbrücken und Kaiserslautern. Dort sind noch Reste dieser uralten Heer- und Handelsstraße und natürlich die einer Königspfalz erhalten.
Modell der ehemaligen Pfalz in Kaiserslautern
Das fränkische Reich wurde nach dem Tode Karls mehrfach von seinen Enkeln untereinander aufgeteilt. An und für sich kein ungewöhnlicher Vorgang. Aber mit dem Schachern um die Königswürde konnte sich nach und nach das Ostfrankenreich herausschälen, dem Vorläufer des Deutschen Reiches. Das hatte auch was mit den überzogenen räumlichen Dimensionen und langsam verfallenden Straßen zu tun. Die Pfalz in Kaiserlautern soll von Kaiser Barbarossa erst zerstört und 1152 neu errichtet worden sein. Er hat 5-mal hier seine Aura versprüht. Angesichts der Ruinen wird auch zum ersten Mal ein Vorteil von Tilleda sichtbar. Reiche Städte im fränkischen Zentralreich, wurden von allen möglichen Kriegsherren magisch angezogen. Kreuzritter, Reformisten, Napoleon - sie alle zerstörten die Stadt mit ihren als jeweils glorreich beschriebenen Feldzügen.
Königswege - Via Regia
Das letzte Mal wurde die Stadt im 2. Weltkrieg fast vollständig ausradiert. Das alles blieb Tilleda in seiner ländlichen Randlage erspart.
Auch wenn es mehrere Wege von Paris in den Osten gab, der Hauptstrang von Paris über die hier genannten Orte führt durch den Pfälzer Wald. Die Linie zieht sich weiter über Worms bis Aschaffenburg, auch wenn später der Strang über Mainz und Frankfurt bevorzugt wurde. Etwa alle 20 Kilometer, dem Tagepensum eines Ochsenkarrens, mussten Versorgungs- und Sicherungsstationen eingerichtet werden. Eine solche war Bad Dirkheim am Fuße des Pfälzer Waldes. Vorspanndienste, Straßenarbeiter und Leute zur Furtabsicherung wurden zu allen Zeiten gebraucht. So hat man auch noch im kleinsten Nest an der Trasse Spuren der alten Völker gefunden: Über Bad Dirkheim die mächtige keltische Wallburg Heidenmauer, rundum mehrere römische Weingüter, allerorts die frühen fränkischen Kirchenbauten.
Jeder Eroberer wusste, da, wo Leute siedelten, war ein komfortables Leben möglich. Außerdem mussten ja die neuen Untertanen auch in Schach gehalten werden. Und man konnte auch nicht alle vertreiben oder umbringen, wer hätte dann die Arbeit machen sollen. Also ließ man sich meist in unmittelbarer Nachbarschaft nieder.
Dieburg
Ein solcher Ort ist Dieburg auf halben Weg zwischen Worms und Aschaffenburg. Die Bebauung vor der eigentlichen Stadtmauer gründet nicht nur auf römische Fundamente, sie heißt auch Altstadt. Das könnte auf eine alemannische Nachfolgegründung hindeuten, nachdem sich die Römer hinter den Main zurückgezogen hatten. Mit der Eroberung des Gebietes durch die Franken wurde in Dieburg - wir ahnen es schon - ein Königshof installiert.
Die fränkischen Herzöge hatten von Anfang an regionale Verwalter in den eroberten Gebieten eingesetzt. Diese Grafen demonstrierten ihre Machtstellung gerne, indem sie außerhalb der Städte auf markanten Hügeln ihre Burgen bauten. So entstand ein zusätzlicher Wegeschutz, benannt nach denen, die hier lustwandelten. Frankenstein in der Pfalz beispielsweise, hatte ausdrücklich die Wege nach Worms, Dürkheim und Speyer zu bewachen.
Frankenstein im Odenwald
Frankenstein im Odenwald zeigt dann besonders, wie sich neben der Reichsteilung auch die Territorialgrafen langsam verselbständigten. Dort wird übrigens ein ebenso großer Hexenkult wie im Harz betrieben, was auf heidnische Bräuche der Vorgänger hinweisen könnte.
Damit sind wir wieder in Tilleda, südöstlich des Harzes. Aus dem fränkischen Westen sind 3 mittelalterliche Stränge nach Mitteldeutschland bekannt: Einmal die Via regia von Frankfurt über Eisenach kommend, dann die Talvariante der sog. Heidenstraße von Köln über Kassel und die Deitwege nördlich des Harzes. Sie alle führten irgendwie nach Leipzig, was ja bis heute als Tor in den Osten gilt.
Tilleda konnte leider nicht an dieser erfolgreichen Entwicklung teilnehmen. Als letzter großer Königsbesuch wird Barbarossa genannt, der 1174 ein Kreuzzugsheer hier versammelt hat. Er soll auch die große Reichsburg auf dem Kyffhäuser nebenan wieder aufgebaut haben, die in einer jener Feten mit den sächsischen Herzögen zerstört worden war. Sein Sohn aber Kaiser Heinrich VI. versöhnte sich 1194 wieder mit dem sächsischen Herzog Heinrich dem Löwen und legte damit den langandauernden Streit zwischen den Dynastien der Staufer und Welfen bei.
Tilleda überzeugt durch seine Ursprünglichkeit
Nun wurde Tilleda nicht mehr gebraucht. Die Pfalz verfiel noch vor dem 13. Jhd. Einige Autoren machen dafür den Burgenbau auf dem Kyffhäuser verantwortlich, andere die Verlagerung der Alten Leipziger Straße. Fakt jedoch, dass ihr Untergang mit der Befriedung der Sachsen zusammen fiel. Die Steine holten sich die Bauern aus dem Dorf, das Gelände wurde landwirtschaftlich genutzt. Pech, dass Tilleda keine keltischen Weingelage und Römermauern erleben durfte. Glück, dass die Kaiserpfalz kein fränkisch fürstliches Machtzentrum abbekam, keine Industrieanlagen, keinen Bomben. So blieb ein einzigartiges kulturelles und architektonisches Zeitfenster erhalten, das den Übergang von der Holz- zur Steinbauweise im germanischen Osten markiert. Sein Umfeld lässt uns die Atmosphäre von damals erahnen, als es noch keine Metropolen gab. In einer Zeit, wo nur noch Beton unseren Blick in die Zukunft verstellt, Gelegenheit über die Vergänglichkeit von großer Macht nachzudenken...

Freitag, 5. Juni 2020

Die Eiserne Hand – eine Ausspanne ? (Von Gastautor C.A.)

Die Eiserne Hand bei Altendammbach
In der Nähe der Altendambacher Höhe, auf der sich Landstraße, Forst- und Wanderwege treffen, kommt der Wanderer oder Mountainbiker  auf seinem Weg in Richtung  Fischbach- Schleusingen an einem mehrarmigen Wegweiser vorbei, an dem auf einem schmalen Betonsockel eine aus Eisen gegossene Hand in den Himmel zeigt. Ein weiterer Wegweiser?  Ein Denkmal?
Es gibt  in den Ortschaften der Umgebung wohl kaum einen Alteingesessenen, der die „Eiserne Hand“ sowie das so bezeichnete Waldgebiet da oben nicht kennt und sicher auch manche Geschichte dazu gehört hat; aber  keiner kann so richtig erklären, was es mit diesem rätselhaften Ort und seinem nicht gerade alltäglichen Kennzeichen  auf sich hat.  -  Und so gibt es dazu  immer wieder Anfragen.
Zwar wird in  Hut- und Forstakten aus der Zeit um 1700  öfters der Flurort „Eiserne Hand“ genannt, ohne jedoch einen näheren Hinweis auf die Namensgebung  zu vermitteln. Manche Autoren meinen, an dieser Stelle habe einstmals lediglich ein eiserner Wegweiser in Form einer Hand gestanden, weshalb neuerdings dort wieder ein Pfahl mit dem Abguss einer Hand aufgestellt wurde.Vor allem im süddeutschen Raum kommt der Name „Eiserne Hand“  oft an Höhenübergängen vor, wo in früherer Zeit Rast gemacht wurde und Zug- und Tragtiere gewechselt werden konnten, also eine Ausspanne vorhanden war.Vielfach kommt der Name „Eiserne Hand auch im Taunus an Paßhöhen vor und auch am Westhang des Kreuzberges(1) in der Rhön, dessen Gipfelfläche von einem keltischen Ringwall umschlossen wird, gibt es nahe dem Guckas- Pass einen Flurort, der „Eiserne Hand genannt wird. Ja, sogar ein   Bahnhof der Nassauischen - Touristik - Eisenbahn heißt  „Eiserne Hand“ Es ist deshalb kaum möglich, dass überall dort, an den genanten Stellen – es könnten noch  viele andere aufgezählt werden - Wegweiser in Form einer eisernen Hand gestanden haben könnten. Allerdings wird auch im Internet der  historische Ausdruck bzw. Flurname „Eiserne Hand“ als die Stelle bezeichnet, wo in der Regel ein eiserner Wegweiser stand.
Eine einleuchtende  Deutung für den Flur- bzw. Forstnamen „Eiserne Hand“ findet sich meiner Kenntnis nach  nur in einem Manuskript, das die Autorengemeinschaft Chronik Suhl e.V., als historisches Stichwort  aus vor urkundlicher und früher Zeit  erarbeitet hat und das bisher  kaum publiziert worden ist.
Demnach ist möglicherweise die Bezeichnung „Eiserne Hand“ im Zusammenhang mit  dem keltischen Sprachrelikt aithean- anned zu sehen, was Bergwohnung, Berghaus bedeutet. Daraus konnte dann, als der Ausdruck nicht mehr verstanden wurde, in der deutschen Sprache  „Eiserne Hand“ werden.
Ein solcher Höhenübergang  soll  auch die  „Eisernen Hand“  bei Altendambach gewesen sein.  Alles spricht dafür, dass hier die alten und frühen, mühsamen Aufstiege der Höhenwege aus dem Werratal endeten,  hier wurden Ochsen, Maultiere oder Pferde gewechselt, bevor es wieder bergab  nach Suhl ging, um dann über die Suhler Leube  den Rennsteig  zu bezwingen. Für den Abstieg der weiteren Fahrroute nach Suhl  benutzte man den langen Rücken des Steingebössel und anschließend den Friedberg, um die Haselfurt am Kunigundenhügel zu erreichen.  Auf dem Pfütschberg traf sie dabei zum zweiten Mal auf einen Flurort mit Namen „Eiserne Hand“, wo noch bis  in die erste Hälfte des 20. Jh. Wirtschaftsgebäude Neundorfer Bauern standen.  Teilweise haben sich die  Wegespuren auf der gesamten Strecke erhalten und können als tiefe Fahrrinnen und Hohlwege verfolgt werden. 
Altstraße von Schleusingen nach Suhl
mit mehreren Abzweigen
Der an der „Eisernen Hand“ schmale Bergrücken erweckt den Eindruck, künstlich eingeebnet worden zu sein, wozu stellenweise Spuren einer früheren Erdwallabgrenzung erkennbar sind. Unweit östlich, am Nordabhang des Donnersberges, deuten etliche Feldraine unverkennbar auf ehemaligen Feldbau hin, der hier oben nur von einem nahegelegenen Gehöft ausgegangen sein kann. Dieses könnte am Ort der vorerwähnten Einebnung gestanden haben und als Ausspanne genutzt worden sein. Nahe dieser Hofstelle gab es früher auch eine Quelle, die jedoch trocken gefallen ist.
Soweit die Suhler Autoren, deren Text hier frei  wiedergegeben wurde. Obwohl sie die meisten ihrer Ausführungen mit einem  Fragezeichen versehen, sind sie gegenüber anderen Geschichten um die Eiserne Hand schlüssig nachzuvollziehen. Dazu muss man jedoch auch die alten Wegeverhältnisse etwas näher betrachten, die dort hinauf führen.
In alter Zeit waren Rhön, Thüringer Wald und Schiefergebirge für den Durchgangsverkehr gewaltige Hindernisse, und doch fanden die Menschen Möglichkeiten die Gebirge schon in  frühgeschichtlicher Zeit, spätestens aber im frühen Mittelalter zu  überwinden.  Sie wurden anfangs umgangen, später auf einem  Pass  überquert. Für den Thüringer Wald mit  Schiefergebirge gab es mehrere Sattelpässe. Einer davon der „Oberhofer Pass“.
Als vor ca. 3000 Jahren der Wagen in unseren Breiten für den Warentransport und Fernhandel in Gebrauch kam und damit der Warenaustausch zwischen den besiedelten Regionen ständig größer wurde, nahm die Zahl der Fuhrleute sehr schnell  zu und damit auch die Zahl der Ausspannen an den Höhenübergängen, die den Handelskarawanen neue Gespanne bereithielten.
Wie diese Wege über die Gebirge damals beschaffen waren, können wir uns im Zeitalter von Autobahnen, Asphaltstraßen und Eisenbahnen  kaum noch  vorstellen. Hatten die römischen Straßen schon eine Mindestbreite und waren meist befestigt, waren keltische und germanische Wege reine Naturpfade. So konnten sich in den engen Passstraßen die Fuhrwerke nicht ausweichen und mussten am Vormittag in einer Richtung, am Nachmittag in der Gegenrichtung befahren werden. Bergauf kamen die Frachtwagen  trotz Vorspann auf den unbefestigten, steilen Gebirgswegen nur sehr langsam voran, blieben nicht selten wegen Rad- oder Achsenbruch liegen oder in einem Sumpfloch stecken.
5000 Jahre das gleiche Transportprinzip
Schon sehr früh hatte sich die  eingangs erwähnte,   mit Wagen befahrbare Wegtrasse über die Suhler Leube, als Urweg zwischen dem Maingebiet (Würzburg) und dem seit undenklichen Zeiten besiedelten Thüringer Becken (Erfurt) herausgebildet. Solche frühen Wege  führten grundsätzlich und ungeachtet der Steigungen oder Gefälle  über die Höhenrücken, um die versumpften Täler zu meiden. Flüsse wurden an einer Furt durchfahren. Über Königshofen kommend, streifte diese Wegtrasse den Fuß  der beiden Gleichberge,  durchzog, über Trostadt- Schleusingen  den Raum um Suhl, bevor sie zum Gebirgskamm emporstieg und beim heutigen Oberhof diesen durchquerte. In Schleusingen markiert sich am Kohlberg(2) der Aufstieg dieser alten Wegroute, die auf der Höhe zur „Eisernen Hand“ und nach Suhl führt und allgemein nach ihrem Anfang die „Kohlbergstraße“ genannt wird.  Schon die   Kelten haben diesen Fernweg benutzt, die in der Latènezeit  (5.- 1. Jh v. Chr.) im Gleichberggebiet ansässig waren. Er wird 1259  erstmals schriftlich erwähnt und besonders im 15. Jh. sehr stark befahren.  Das geht aus einer Geleitstafel hervor, die 1505 für den Oberen Hof (Oberhof) erlassen wurde.    Es scheint aber, so lesen wir bei Dr. Günter Wölfing, dass die später als „Weinstraße“ bezeichnete Trasse bereits um 1700 vor unserer Zeit durch eine Fundkette von Steingeräten aus jener Zeit belegt werden kann.“
Wege über den Rennsteig: Siehe gleichnamiger 
Post in diesem Blog

Weil die Fuhrleute immer wieder versuchten kürzere und leichtere Aufstiege in die Berge zu finden, führten, über Trostadt-  Kloster Veßra- Neuhof mindestens zwei Fahrwege auch über den  Rote Haak zwischen Ahlstädt und Gethles in Richtung Altendambacher Höhe. Nach der Werrafurt bei Trostadt markiert sich eine weitere Route durch mehrere tief ausgeschnittene Hohlwege über Ehrenberg zur Schleusefurt bei Zollbrück, die  dann nördlich der Schleuse über das Schmidtsrod und den Kuhberg  den Raum Gethles erreicht. Ab hier windet sich ein stark eingetieftes Hohlwegbündel zum Rote Haak, wo alle Wege nach einer letzten Steigung durch einen langen Hohlweg (der Altendambacher Höll) die „Eiserne Hand“ nahe dem Donnersberg erreichen.   
Eine weitere uralte Heerstraße und Rennsteigquerung gab es mit der Waldstraße von Erfurt über die späteren Ansiedlungen Ilmenau - Frauenwald – Schleusingen, für die nach 1332 der Name „Frauenstraße“ üblich wurde und die viel Historisches erlebt hat. Nicht nur der angelsächsische Missionar Bonifatius ist hier entlang gekommen,  sondern auch die meisten  kriegerischen Truppenbewegungen  in alter Zeit vollzogen sich  auf diesem Weg. In Schleusingen  traf er auf die oben beschriebene  „Wein- oder Leubenstraße“ins Maingebiet und  über die „Eiserne Hand“ nach Suhl.
Bischofrod unterhalb der Eisernen Hand

Lange vor dem 30-jährigen Krieg,  als die Wege   teilweise befestigt und   in die Täler verlegt wurden, bevorzugte man dann schon den kürzeren Weg  aus dem Werratal  (Themar)  nach Suhl über Lengfeld- Eichenberg oder Lengfeld- Keulrod. Der Übergang ins Dreisbachtal war die Rückbreche am Schneeberg. Noch heute sind am Nord- und Südhang der Rückbreche eingetiefte Hohlwege erkennbar. Sie zeugen vom regen Wagenverkehr auf dieser Strecke zur damaligen Zeit.  War ein Weg zu tief ausgefahren, legte man daneben einen anderen an. Auch Isolani mit seinen Kroaten hat ihn von Themar nach Suhl benutzt, als er am 16. Oktober 1634 Herzog  Bernhardt von Sachsen- Weimar verfolgte, um ihn zu fangen und an den Kaiser auszuliefern. Als Bernhardt im dichten Oberhofer Wald entkommen konnte, ließ Isolani aus Wut Suhl an allen Ecken anzünden. Auf dem Rückweg nach Themar wurden die Dörfchen Dreisbach (heute Wüstung) und Keulrod eingeäschert. In Themar kam es zu der verheerenden St.-Gallus- Nacht.  Das steinerne Kroatenkreuz südwestlich des Sommerbergs an der Rückbreche soll an diese Ereignisse erinnern.
Der Verkehr von Themar nach Suhl wurde aber nicht nur über die Rückbreche abgewickelt. Von Keulrod aus führte auch ein  Weg   am Donnersberger Rücken entlang durch die Altendambacher Hohle zur „Eisernen Hand“, um hier auf die Straße von Schleusingen nach Suhl zu treffen.  Zu bemerken ist außerdem, dass die  in diesem Beitrag genannten Ortschaften und Straßennamen meist jünger sind als die Wege selbst. Viele sind längst aufgegeben, vergessen und bewachsen, andere wurden für  die Landwirtschaft, Holzabfuhr oder den öffentlichen Verkehr ausgebaut und befestigt.
Altendambach nordwestlich der Eisernen Hand

Das  von der Gemeinde Altendambach und der Forstverwaltung aufgestellte Kennzeichen  in Form einer eiserne Hand  ist jedenfalls kein Wegweiser, sondern markiert den heutigen Forstort  mit einer historischen Vergangenheit. Allerdings gibt es zu dieser Vergangenheit keine  Urkunden oder schriftliche Aufzeichnungen. Es sind deshalb  keine näheren und zeitlichen Angaben zur „Eisernen Hand“  möglich und damit könnte das dortige Gehöft schon vor der Erfassungszeit  derartiger Berghöfe aufgegeben worden sein. Es sind verwehte Spuren, auf denen wir uns bewegen und es versteht sich von selbst, dass alte Spuren allein das Dunkel der Geschichte  nicht restlos aufhellen können. Das Fehlen von schriftlichen Zeugnissen erklärt sicher auch, warum  die  Suhler Chronisten bei ihren Ausführungen zum Thema, meist  nur  Vermutungen  aufgeschrieben haben.
Es mag deshalb als eine  vermessene Gedankenspielerei erscheinen, aber:

Die Zahl der Wege, die  die „Eiserne Hand“ kreuzen oder kreuzten, lässt den Schluss zu, dass der   Bauernhof,  den es auf Grund der Bodenmerkmale mit großer Wahrscheinlichkeit in  früher Zeit da oben gab, tatsächlich  ein Rasthof mit Ausspanne war.
Die Eiserne Hand (rot) am wasserscheidenden Höhenweg
von Schleusingen nach Suhl
Denkbar und naheliegend ist, dass irgendwann  Rasthäuser und Ausspannen an Höhenübergängen - ähnlich einem Wirtshausschild - mit einer eisernen Hand  auf einem Pfahl gekennzeichnet wurden. Die erhobene flache Hand zeigte die Friedfertigkeit an und forderte die Fuhrleute auf, Rast einzulegen und das Gespann zu wechseln. Nicht selten waren ja einsam im Wald gelegene „Herbergen“ die reinsten Räuberhöhlen und so mancher Handelsmann wurde dort seine Frachtgüter samt Wagen los. Wer kennt nicht das Wirtshaus im Spessart ?
  Alle Fakten zusammengefügt  und das Ganze zu Ende gedacht ist man  geneigt zu behaupten, dass es eigentlich um die „Eiserne Hand“ bei Altendambach keine Geheimnisse oder Rätsel  gibt.
Es könnte dann so gewesen sein, dass mit den Straßen über die Rückbreche und  von Schleusingen nach Suhl, über Erlau- Hirschbach, die Ausspanne bei Altendambach an Bedeutung verlor. Die Fuhrleute mit ihren Pferdeknechten und  Frachtwagen blieben aus.  Der Hof wurde schließlich in der Waldeinsamkeit nicht mehr gebraucht und ist aufgegeben worden;  die  bäuerliche Kulturlandschaft hatte sich bald der Wald zurückerobert.
Somit könnten auch alle mysteriösen Geschichten als Legenden abgetan werden,  die im Laufe der Zeit um dieses Areal entstanden und auch heute noch in Umlauf sind. Aber wen schaudert es nicht bei der Erzählung, dass dort im 30-jährigen Krieg einem kaiserlichen Obristen die Hand abgeschlagen wurde, weil er sich weigerte Themar plündern und einäschern zu lassen. Es gibt noch einige andere Gruselgeschichten.
Ansonsten bleibt für viele  Menschen das großflächige und schöne  Waldgebiet um die „Altendambacher Höhe“ und speziell der „Eisernen Hand“ ein beliebtes Ziel für Ausflüge und Wanderungen.  Sie bieten die  Möglichkeit  Orte und Wege kennenzulernen, auf denen sich historische Vorgänge abgespielt haben. Dabei kann jeder Interessierte selbst darüber nachdenken, wie es in ferner Vergangenheit wohl gewesen sein könnte.
Das früher nicht so massive Kennzeichen  musste im Laufe der Zeit auch immer mal wieder erneuert werden, weil dieser oder jener  Zeitgenosse es zerstörte oder mitgenommen hat. Eine überdachte Sitzgruppe lädt heute den Vorbeikommenden  zum Verweilen ein. Es fehlt leider eine Informationstafel mit einer Beschreibung dieser markanten Örtlichkeit.

Anmerkungen:
(1) Der  keltische „Asenberg“ erhielt seinen  heutigen Namen „Kreuzberg“ erst nach der Christianisierung der dortigen Region. Vermutlich umschloss  der Ringwall auf dem Gipfel einen heidnischen Kultort, der für die Kirche Anlass zur Errichtung einer christlichen Kapelle und späteren Klosters bildete.
(2) Der Name Kohlberg hat nichts mit Kohl oder Kohle zu tun, wie das in der Literatur oft behauptet wird. Der Name kommt tatsächlich aus dem keltischen oder vordeutschen „col, colg“ was „steiler Aufstieg, Steige, Abhang bedeutet.

Quellen:
Autorengemeinschaft Chronik Suhl e.V.
Sammlung v. .G. Heß

Dieser Beitrag wurde in den „Schleusinger Blätter“ Ausgabe 9/2012 in gekürzter Form veröffentlicht.

Einwurf des Blog-Redakteurs:
Flurnamen mit Hand gibt es mehrere Dutzend im deutschsprachigen Raum. Allen ist gemeinsam, dass sie auf einer wasserscheidenden Altstraße und an einer Wegekreuzung mit fünf Abzweigungen (5 Finger einer Hand) liegen. H.K.

Dienstag, 21. April 2020

Urweg der Megalithik nach Süddeutschland?

Der Heidenstein: Großsteinanlage um 3000 v. Chr. nicht weit 
von der hier postulierten Straße der Megalithik
Die Überschrift allein schon ist ein Widerspruch in sich. Nach archäologischer Lehrmeinung gab es keine megalithische Kultur zwischen Alpen und Thüringer Wald. Dem stehen aber hunderte Großsteinsetzungen auch in Süddeutschland und der Schweiz gegenüber. Auch die dutzenden Cairns, jene ominösen Bruchsteinaufschichtungen mit der sich viele Heimatforscher in Baden-Württemberg befassen, lassen einen Bezug zu dieser alten Hochkultur vermuten. Bis in den Thüringer Wald könnte die Tradition der Menhire und Großsteingräber vorgedrungen sein. Auch wenn die deutschen Cairns von der Fachwelt nicht anerkannt sind, neben jedem dieser mutmaßlichen Nekropolen liegen Siedlungsverdachtsplätze oder solche, die archäologisch bestätigt wurden. Derartige Anlagen sind nach archäologischem Verständnis ab 4800 v. Chr. im Süden der Iberischen Halbinsel entstanden. Und wie kam der Brauch zu uns?
Wasserscheidenwege als natürliche Verteiler der Kulturen 
in Europa?
Alle Völkerwanderungen scheinen nach dem gleichen Prinzipien abgelaufen zu sein: Konzentrierter Marsch entlang eines bekannten Fernweges, Bau von Stützpunkten zur Wegesicherung, sternförmige Ausbreitung in einer fruchtbaren Region. Man braucht also wieder nur die wasserscheidenden Höhenwege sinnfällig miteinander zu verbinden und gelangt in einer Art Zwangsführung, oft sogar metergenau, von Anatolien zu den archäologischen Fundstätten in Deutschland. Damit sie nicht denken, nun ist der Kerl ganz verrückt geworden, habe ich wieder schnell eine interaktive Karte gezeichnet. Die kürzeste, sicherste und trockenste Verbindung sticht sofort ins Auge. Sie führt fast kerzengerade durch unseren Kontinent und ist heute noch allerorts zweispurig befahrbar. Hauptträger dieser - nennen wir sie die südliche Megalith-Route - muss dementsprechend die Europäische Hauptwasserscheide mit ihren Abkürzungen an den großen Flüssen Ebro, Saône und Rhein gewesen sein (Siehe entsprechender Post im Blog Prähistorisches Europa.). Auch viele der anderen dort eingezeichneten kontinentalen Altstraßen sind bereits in mehreren Posts hier untersucht worden.
Die Wasserscheidenwege von Schwarz- und Odenwald, Spessart 
und Rhön als schnellste, sicherste und trockenste Verbindung 
in der Frühzeit vom Südwesten in den Norden Deutschlands
Nicht aber die Kammwege von Schwarzwald, Odenwald, Spessart und Rhön. Dort habe ich entsprechend auch wieder die gesicherten und verdächtigten Artefakte eingezeichnet. Insbesondere die Sicherungs- und Versorgungsstationen alle 20 Kilometer - dem Tagespensum eines Ochsenkarrens. Bei anderen mutmaßlichen megalithischen Monumenten, wie Großsteingräber oder Menhire, muss immer berücksichtigt werden, dass sie nachträglich verrückt, bzw. nur zur Dekoration aufgestellt worden sein können.
Die Masse aber der Artefakte bildet wie üblich einen zielorientierten wasserscheidenden Höhenweg ab. Die so entstandene  Hinkelstein-Route könnte die Hauptlinie der Völkerwanderungen von Anatolien nach Zentraleuropa gewesen sein (die neolithische um 6000-, die megalithische gegen 4000- und die Glockenbecher-Expansion um 2600 v. Chr.).
Die Dolmen von Antequera in Südspanien gelten als die
größten Steinsetzungen der Megalithik
Geografen heben zwar immer das Rhontal und die Burgunder Pforte als Einfallstor aller mediterranen Werte und Güter zu uns hervor, aber die hier eingezeichnete Kammlinie (Abkürzung der Hauptwasserscheide) braucht 100 Kilometer weniger in den Südosten und war gegen alle Hochwassergefahren gefeit. Und an diesem Weg entlang finden sich ja auch die meisten archäologischen Relikte, einschließlich der perlenkettenartig aufgereihten befestigten Höhensiedlungen. Die mit eindeutigem Bezug zur ur- und Frühzeit habe ich rot markiert, wie auch die Cairn-Zentren um Sternenfels und Maulbronn. Natürlich kann man sich auch Abweichungen zu den Talrändern hin vorstellen, wahrscheinlich wasserstandabhängig. Es sind übrigens auch Wanderungen entgegengesetzt von Zentraleuropa nach Iberien bekannt: einige Schnurkeramiker ab 2800 v. Chr., mehr schon die Hügelgräberkultur ab 1600 v. Chr., massig dann Kelten ab 600 v. Chr., gotische und burgundische Germanen nach 400 jetzt unserer Zeit. Bei den Römern ist die Burgundische Pforte dann auch als entsprechende Straße belegt. Für die waren ja Brücken und Entwässerung schon keine Fremdworte mehr.
Der Weg der Megalithik: Anatolien ab 10.000, 
Griechenland ab 6000, Italien ab 5000, Malta ab 4000,
Nordafrika ab 4400, Spanien ab 4800, Bretagne ab
3500, Stonehenge ab 2600 - respektive Schweiz ab 2500 -
alle v. Chr.
Solche Prinzipien treffen auch auf unsere hier eingezeichnete Teilstrecke Basel-Eisenach zu, die ja 3 große Flüsse überwinden musste: Neckar, Main und Werra. Hügelgräber, befestigte Höhensiedlungen und Flurnamen weisen sie aber als einen mindestens seit der Bronzezeit befahrenen Fernweg aus. Auch er ist noch heute durchgehend befahrbar. Die Überquerungen von Pässen in Schwarzwald, Odenwald, Spessart und Rhön sind gut belegt. Dazu gehören berühmte Magistralen wie die Hohe Straße von Speyer nach Nürnberg, die Via Publica von Brüssel nach Prag, der Ortesweg von Marburg nach Bamberg, oder der von mir so genannte Zinnweg vom Ärmelkanal über Rennsteig nach Wien (Alle seit der Bronzezeit begangen und von mir im Blog Fränkisches Thüringen beschrieben). Es gibt aber auch viele unbekannte regionale Querwege (Brotweg, Altensteig, Diebesstieg, Vieh- und Ochsenweg…). Die Römer hinterließen uns neben ihren schon weitgehend bekannten Straßen im Odenwald zwei Prachtexemplare des grenzsichernden Limes gegen die Germanen. Der eine unmittelbar entlang unseres Kammweges. Als die Südländer im Jahre 159 wieder mal nicht genug bekommen konnten, legten sie diese schnurgerade Barriere 30 Kilometer weiter in den Osten.
Heute werden solche Anlagen aus einem fragwürdigen
Traditionsbewusstsein heraus aufgestellt. Man erkennt sie an 
den schafkantigen Bruchsteinen: Aussichtspunkt "Toter Mann"
 im Schwarzwald
Ihre Siedlungsstrategie zeigt uns die Römische Villa Haselburg bei Höchst, unter der sowohl ein neolithisches Steinkistengrab, als auch ein bronzezeitlicher Grabhügel gefunden wurden: Wiederbenutzung, Kontrolle, Einschüchterung.
Wie im Thüringer Wald erzwingt die bekannte Querung quasi auch die vergessene Längsnutzung! Im Mittelalter hat unsere Nord-Süd-Kammstrecke dann auch teils beurkundete Altstraßen-Namen verpasst bekommen: Im Schwarzwald die Hohe Straße oder Alte Weinstraße von Gernsbach über Seewald-Besenfeld-Freundenstadt nach Schramberg, im Spessart der Eselsweg von Schlüchtern nach Großheubach am Main. In Thüringen wissen wenigstens die Altstraßenforscher von der historischen Nutzung der Langen Rhön. Aber schon das militärische Sperrgebiet um Wildflecken auf dem wasserscheidenden Kamm scheint jede länderübergreifende geografisch-historische Arbeit zu unterbrechen. Auch im Odenwald hat wahrscheinlich noch niemand über die hier angebotene Kammlinie nachgedacht.
Wie die Megalithkultur wanderten auch die 
Glockenbecherleute in einer Art Zangenbewegung nach
Zentraleuropa: Per Schiff entlang der Küste und zu Fuß
entlang der Europäischen Hauptwasserscheide
Was glauben die Geografen dort, warum die Römer gerade auf dieser Strecke ihren Limes aufgezogen haben? Wie im Thüringer Wald beleuchten alle Autoren gebirgsquerende Passstrecken, einen wasserscheidenden Fernweg aber zieht niemand in Betracht. Dabei zeigt die extreme Konzentration von längsführenden Hohlwegen und Verdachtsplätzen befestigter Höhensiedlungen um Ebersbach am Neckar und Laudenbach am Main genau an, wo es lang gegangen sein muss. Dazu kommen die beurkundeten Sandbänke für Flussquerungen dort. Na und der Name Trennfurt am Main, genau auf unserer Linie, muss auch nicht weiter kommentiert werden.
Noch ein Wort zu den so zahlreich eingezeichneten Sicherungs- und Versorgungsstationen. Die meisten sind natürlich nur als Verdachtsplätze klassifiziert, weil nach der hier vertretenen Strategie da ja noch niemand gegraben hat. Aber die Indizien sprechen neben Hochquellen, Rodungen und Bergfeldern für sich. Alle haben nämlich:
Menhir von Degernau in Süddeutschland
  • - Flachgräber oder bronzezeitliche Hügelgräber in der Nachbarschaft
  • - künstlich versteilte Abhänge, Steinwälle, Felsplateaus, Trockenmauern (in der Karte allgemein als Schanzen bezeichnet)
  • - oft rundumführende Terrassenfelder, die aus mehreren Gründen aus der Ur- und Frühzeit stammen müssen (Siehe Post zu Terrassenfeldern)
  • - meist entsprechende Flurnamen: Wallberg, Schanze, Hoher Markstein, etc.
  • - nicht selten Altsteinbüche, zur Werkzeuggewinnung und Verteidigung, auch um Cairns aufzuschichten
Nach diesen Relikten muss unsere megalithische Kontinentaltrasse schwerpunktmäßig vom Endneolithikum bis teils ins Mittelalter benutzt worden sein.
Sie merken sicher auch als Tendenz an der Strecke: nach Norden werden die roten, also bekannten Markierungen immer dichter. Das liegt aber nicht an der verstärkten Streckensicherung, sondern weil wir dort meiner Heimat Thüringen immer näher rücken. Da kenne ich mich einigermaßen aus! Ab dem sog. Ellenbogen - Wegeknick - in der Hochrhön bietet sich auch eine „Geradeaus-Variante von der frühen Eisenzeit bis ins Mittelalter an. Die Flurnamen hier zu entsprechenden Befestigungen lassen mich auch auf identische Bezeichnungen an der Gesamtstrecke schließen.
Die 12 Apostel am Rennsteig im Thüringer Wald
Ab dem Wegeknoten Eisenach kann es dann in alle möglichen Richtungen nach den selben Mustern weiter gegangen sein. Auf Strecken, die ich bereits in anderen Artikeln hier dargelegt habe. So wäre beispielsweise der Menhir von Buttelstedt über die spätere Via Regia zu erreichen gewesen, die 12 Apostel bei Langenbach über den Rennsteig, oder die Stele von Kassel-Istha über den o.g. Zinnweg. Viele Archäologen glauben allerdings, dass diese Großsteinsetzungen von der Norddeutschen Tiefebene herauf inspiriert worden sei. Das ist natürlich ebenfalls möglich (Siehe Post „Die Expansion der Westeuropäer…“).
Nun könnten sie natürlich einwenden: alles Gespinne, Zufall, herbeigeredet. Das haben vor ein paar Jahren die Historiker zu meinem Artikel über den Erzgebirgskamm auch zu mir gesagt. Ein paar Monate später gruben Archäologen entsprechende Beweise dort aus. Das wäre hier ebenso möglich.

Montag, 9. März 2020

Via Publica - Zeichen und Wunder

Via Publica: Entlang der Bundesstraße 8?
Damit meine ich nicht die kontinentale Dimension dieser Altstraße, nicht ihre urzeitliche Nutzung weit vor der Beurkundung im Mittelalter und nicht ihren artefaktbegleitenden Verlauf über heute siedlungsferne wasserscheidende Höhenzüge, sondern dass das - im Gegensatz zu sonst - auch andere Autoren herausstellen. Selbst in der Wikipedia, wo üblicherweise nur Urkunden abgeschrieben werden, weißt man ausdrücklich darauf hin. Dort heißt es:
Die Via Publica (Volksstraße, später Poststraße oder Handelsstraße), wurde erstmals 839 in einem Diplom Kaiser Ludwig des Frommen erwähnt. Diese Altstraße führte von Brüssel in Flandern über Frankfurt, Würzburg und Nürnberg bis Prag in Böhmen. Die mittelalterlichen Handelswege führten zumeist nicht durch die sumpfigen und nach Regenfällen unpassierbaren Täler, sondern über die trockenen Höhenstraßen. Halleluja! Aber schon im nächsten Satz zeigen die Geografen, dass sie nie draußen an dieser Strecke gewesen sein können: Heute ist die Bundesstraße 8 größtenteils identisch mit dieser Altstraße.
Denn die beiden haben höchstens die Himmelsrichtung und einen gewisse Nähe gemeinsam. Die moderne Kunststraße B8 aus dem 19. Jahrhundert führt hoch und runter, über dutzende Wasserläufe und berührt den alten Höhenweg nur in Ausnahmefällen. Damit widersprechen sich die Autoren selbst. Der Urweg nämlich sollte nach den typischen Mustern der sinnfällig verknüpfenden Wasserscheiden verlaufen sein, wie ich sie hier mehrfach beschrieben habe, z. B. bei den vielen Rennwegen. Das hängt damit zusammen, dass die Wagenlenker mit Austrocknung, Melioration und verbesserter Fuhrwerkstechnik seit der Eisenzeit die feuchten Gründe nicht mehr unbedingt meiden mussten.
Dazu gehören auch die archäologischen Relikte, die sich an solchen Wasserscheidenwegen wie an einer Perlenkette entlang ziehen. Schön dargelegt beim Wikipedia-Mauspfad, der ja Teil der Via Publica gewesen sein soll.
5000 Jahre die gleiche Transportmethode
Ein Charakteristikum dieses Weges ist, dass er auf der gesamten Länge zwischen Sieg und Ruhr von (keltischen) Siedlungs- und Grabfunden begleitet wird. Deren Datierung in die Hallstattzeit und La-Tène-Zeit gestattet es, ein vergleichbares Alter für den Mauspfad anzunehmen. Wegen der vielen Gräberfelder wurde zudem der Begriff einer bäuerlichen Totenstraße oder Gräberstraße geprägt. Da der Mauspfad keine Funde aus der Steinzeit aufweist, ausgenommen am Rosendahlsberg (Neuburger Hof) in Langenfeld, darf seine Existenz erst seit der Eisenzeit als gesichert gelten.
Genial! Doch dabei wird ein weiterer Widerspruch deutlich, der die Quellenfixierung der Altgeschichtler zeigt. Der Mauspfad führt in eine ganz andere Richtung und nimmt die Via Publica nur wenige Kilometer auf. Irgendjemand hat das aber halt so aufgeschrieben! Mal wird eine der Goldenen Straßen nach Prag als Zielorientierung angegeben, mal Wien, mal Augsburg. Auch beim Ausgangspunkt Brüssel fand ich mehrfach Hinweise auf Antwerpen. Nur das heute deutsche Kernstück Aachen, Köln-Frankfurt-Würzburg-Nürnberg-Regensburg blieb immer gleich. Diese Orte stammen aus dem Frühmittelalter, wenngleich einige schon früheisenzeitliche "Hausberge" besitzen. Auf bestimmten Varianten der Strecke dominieren sogar bronzezeitliche Funde. Das impliziert die nächste Frage: Warum weist die Ausrichtung der Trasse auf keine bekannte prähistorische Völkertrift oder vormittelalterliche Handelsbeziehung hin?
Rote Punkte: Rennwege. Mittendrinn die Via Publica
Um das zu untersuchen, habe ich die Via Publica in der interaktiven Karte bei den Rennwegen eingezeichnet, weil an ihrer Strecke mehrmals Flurnamen mit „Renn“ auftauchen und weil dadurch ihre Einbettung ins Gesamtstraßennetz deutlich wird. Lassen Sie sich nicht von dem Linienchaos dort abschrecken. Zoomen sie einfach in die Karte zwischen den o.g. Städten, die ja nicht erst aus dem Frühmittelalter stammen. Die archäologischen Funde sind Ihnen sicher selbst bekannt, die Siedlungsverdachtsplätze stammen von mir. Ein Ochsengespann kam eben nur 20 Kilometer am Tag weit. Danach musste eine Sicherungs- und Versorgungsstation stehen.
Der Begriff Schanzen umfasst dabei künstlich versteilte Abhänge, Abschnittswälle und siedlungsferne Trockenmauern. Oft finden sich auch Feldterrassen. Flurnamen machen das Bild rund. Meinen Theorien über die zeitliche Einordung solcher noch heute sichtbaren Deformationen habe ich in anderen Posts hier niedergelegt. Wenn Sie sich ein wenig damit beschäftigt haben, fällt ihnen sicherlich auf, dass verschiedene Führungen eingezeichnet sind.
Bitte reinzoomen: Köln-Frankfurt-Würzburg-
Nürnberg-Regensburg
Das ist ein typisches Merkmal solcher scheinbar mittelalterlichen Altstraßen, die in der Ur- und Frühzeit andere Routen genutzt haben müssen. Wie oben beschrieben konnten mit der allgemeinen klimatischen Austrocknung bereits in der Keltenzeit ab 500 v. Chr. etwa wieder Sielungen in den Ebenen entstehen. Geschirr- und Wagentechnik aus Eisen erhöhten das Potential der Fuhrwerke und man nahm jetzt schon mal 2, 3, Furten mehr in Anspruch. Diese Entwicklung wurde durch die Melioration verstärkt und nach der Völkerwanderung entstanden überhaupt keine neuen Siedlungen mehr auf Bergkämmen. Die alten Höhenwege gerieten in Vergessenheit.
Unsere Via Publicate ist nun ein besonders gutes Beispiel dafür, wie sich aus solchen praktischen Gegebenheiten ein Mix neuer und alter Wegestränge ergab.
Dabei scheint sich die Bundesstraße 8 tatsächlich an der Via Publica orientiert zu haben. Aber nur dort, wo sie auch den wasserscheidenden Höhenzügen folgt. Mit dem Ansatz Mauspfad muss es so auf der eingezeichneten Linie von Köln über das Rheinische Schiefergebirge und den Taunus nach Frankfurt gegangen sein. Schon hier bieten sich aber prähistorische Alternativen an, z.B. der ebenfalls in der Karte eingezeichnete Taunus-Rennweg. Von Frankfurt nach Würzburg scheint es nach den Funden sogar 3 Stränge gegeben zu haben, alle weit entfernt von der heutigen B8:
  • Einen neolithischen über Rodgau, Stockstadt und Aschaffenburg
  • Einen bronze- und früheisenzeitlichen entlang der in einem anderen Post beschriebenen Antsanvia in den Osten und dann dem Höhenweg von Limeshain nach Aschaffenburg folgend
  • Einen seit dem Frühmittelalter benutzten, über Hanau, Großkrotzenburg, Kahl und Karlstein nach Aschaffenburg
Weiter über den Spessart ging es dann ganz klassisch entlang der wasserscheidenden Bergsporne mit Furt in Marktheidenfeld. Ab Würzburg müssen aber wieder zwei zeitlich versetzte Varianten existiert haben:
  • Offiziell ab Würzburg über Kitzingen, Neustadt an der Eisch und Fürth mit ganz wenigen Funden und die sind alle mittelalterlich
  • sowie der trockene aber längere Wasserscheidenweg über Marktbreit, Burgbernhein, Cadozburg und Fürth mit bronze- und latenezeitlichen Relikten en masse.
Von Nürnberg nach Regensburg dann ein Novum in der Altstraßenforschung: zwei relativ dicht beieinander liegende parallel verlaufende Wasserscheidenwege, beide gespickt mit prähistorischen Relikten, wobei der Westliche eher nahe der alten Keltensiedlung über Kehlheim rauskommt. Da Regensburg ja ebenfalls latenezeitlich besiedelt war, könnte das die Erklärung sein.
Der weiterführende Variantenreichtum der sog. Goldenen Straßen nach Prag wird dann wieder in der Wikipedia gut beschrieben.
Marienberg, Würzburg, über alle Siedlungszeiten belegt
Die Bezeichnung Goldene Straße ist seit 1513 die nachgewiesene Bezeichnung für den nördlichen Weg von Prag über Pilsen und Tachov durch „neuböhmisches“ Gebiet (Bärnau, Weiden, Sulzbach, Lauf) nach Nürnberg. Die südliche und kürzere Wegvariante von Pilsen über Pfraumberg und Waidhaus über das Gebiet der Landgrafen von Leuchtenberg wird im späten Mittelalter auch als Verbotene Straße erwähnt. Für diese Route ist aber kein Nutzungverbot nachzuweisen, sie war allerdings nicht mit den Privilegien der nördlichen Variante ausgestattet
Nach meiner Erfahrung wurden im Böhmerwald, wie im Thüringer Wald jedes trockene Tal, jeder Bergsporn von den Kutschern genutzt, Hauptsache sie sparten Zeit, Zoll und Mühen. Die vielen Hohlwege quer zum Kamm geben beredtes Zeugnis.
Weitere Besonderheiten an der Via Publica gegenüber anderen Altstraßen sind:
  • die vielen Namensgleichen wie in meiner Heimat Thüringen, was ich mir mit den Zügen der Sueben erkläre
  • die typischen frühmittelalterlichen „Burgstellen“ und keltischen Viereckschanzen in Bayern
  • die nach der Abstandregel „20 Kilometer“ deutlich zuzuordnenden Gräberflurnamen (Galgen-, Richt-: Körpergräber der Bronzezeit/ Asche-, Brand-: Urnenfelderzeit)
  • einige neue Siedlungsverdachtsplätze, die nach den topografischen Merkmalen des Bayernatlas ein fast sicheres archäologisches Potential in sich tragen
Alles in Allem deuten Variantenreichtum, Ausrichtung und Funddeutung an der Via Publica darauf hin, dass hier im Mittelalter ein Fernweg "zusammengeschustert" wurde, der sich aus verschiedenen bronzezeitlichen Strecken zusammen setzt. Erst die Verbindungen des Heiligen römischen Reiches Deutscher Nation ins Böhmische Becken scheinen diese Ferntrasse notwenig gemacht zu haben.
Alles Weitere kann man dann wieder im Netz nachlesen. Und ich wette, dass da draußen einige Leute sind, die mit den scheinbaren Spitzfindigkeiten hier etwas anfangen können.