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Wie hier durchkommen? Thüringer Wald und Rhön
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Der Thüringer Wald scheint Reisende schon immer magisch angezogen zu haben. Seit der ausgehenden Steinzeit, also irgendwas um 3000 v. Chr., sind entsprechende Funde an seinen Höhenwegen belegt. Das muss an der geografischen Lage des Mittelgebirges als Bollwerk auf der Route zwischen dem schon immer reicheren Süden und dem Mitteldeutschem Becken liegen. Dort gab es Kupfer aus dem heutigen Mansfeld, Zinn aus dem Erzgebirge oder später Salz aus Halle. Dafür konnte man sich im sonnigen Süden technisches Knowhow und Luxusgüter holen. Per Pedes scheint es auch nicht schwer, das Mittelgebirge zu überqueren, mit einem Ochsen- oder Pferdegespann über zugewachsene Abhänge schon. Trotzdem gibt es Indizien für überregionale Kontakte hier bereits aus einer Zeit als "Ötzi" lebte. Kleine Steinwerkzeuge aus jenen Tagen ziehen sich als Fundgut wie eine Perlenschnur von Bad Königshofen über das Mittelgebirge bis nach Arnstadt. Das setzt sich in der Eisenzeit auf gleicher Trasse mit entsprechenden Funden am Oberhofer Pass fort. Bis heute haben die alten Handels- und Heerstraßen ihre Spuren als Hohlwege, Flurnamen oder Furten hinterlassen. Nach welchen Mustern sich solche Führungen quasi zwangsweise entwickeln mussten, ist im Post "Altstraßen selber finden" beschrieben. Wie andernorts in Deutschland auch hießen sie hierzulande Hohe Straße, Salzstraße, Königsstraße, Kupferstraße, Weinstraße usw. An Abhängen finden sich oft regionale Eigennamen in Verbindung mit der Bezeichnung Leite, in Rennsteignähe auch gerne „Loipe“. Manchmal wechseln die Altstraßen-Bezeichnungen auf scheinbar gleicher Strecke.
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Die Via Regia von Vacha bis Eisenach durch Südthüringen |
Die berühmteste und gleichzeitig längste Altstraße bei uns wird die Via Regia gewesen sein, die Südthüringen zwischen Vacha, Mark Suhl und Eisenach tangierte. Über sie wird ausreichend publiziert. Älter und bedeutender allerdings muss die Weinstraße ("Wein" vom indogermanischen Weg oder Wagen) gewesen sein. Denn an ihr liegen dutzende frühzeitliche Siedlungen und Hügelgräber. Sie scheint in Kleineibstadt die Urwege von Würzburg, den Haßbergen herunter, aufgegriffen zu haben. Von dort muss sie über Schwickershausen, Meiningen, Christes und Rotterode über den Rennsteig verlaufen sein. Die Werra könnte sie einmal hinter der Salzbrücke bei Obermaßfeld, oder der alten Furt bei Walldorf überquert haben. Ziel scheinen die prähistorischen Höhensiedlungen um Gotha gewesen zu sein. Später, im Frühmittelalter, ging sie als
Weinstraße durch Südthüringen in die Analen ein (Bitte Link anklicken und in einem separaten Browser-Fenster öffnen).
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Die Alte Weinstraße südlich des Rennsteiges |
Alleine über sie könnte man Bücher füllen. Sie ist nur eine von mehreren in der Region und wird detailliert im Post "Der Rennsteig..." behandelt. In der Karte sind alle Punkte mit archäologischen und historischen Bezügen zum Weg eingetragen und solche mit frühzeitlichen Flurnamen oder künstlichen Geländeveränderungen.
Viele Informationen findet man über weitere Altstraßen hierzulande nicht. Beim Heimatbund Thüringen existiert zwar eine Sektion gleichen Namens, aber ihre Veröffentlichungen bleiben meist sehr lokal; Karten gibt es kaum. Auf der Thüringer Altstraßenseite www.via-regia.org hört der Freistaat typischerweise südlich des Rennsteiges auf. Dabei scheint die Zahl der Altwege hier grenzenlos. Kaum ein bewaldeter Bergrücken oder ein trockenes Tal, in der Hohlwege und begleitende Wüstungen nicht die Jahrhunderte überdauert hätten. Interessierte wissen natürlich, dass alte Fernwege bis etwa zur Zeitenwende prinzipiell auf trockenen und sicheren Höhenzügen verliefen. Danach verlegte man, wahrscheinlich witterungs- und meliorationsbedingt, die Straßen mehr und mehr ins Tal. Die Franken jedenfalls benutzten um 600 herum nur noch die Ränder der großen Flussauen. Aber für solche Brocken, wie den Thüringer Wald, hatten auch sie keine Alternative.
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Ohne Bremsbalken ging da nichts |
Die tief ausgefahrenen Fahrrinnen entlang solcher Strecken entstanden auf abschüssiger Strecke, hauptsächlich durch die Schürfkraft der Bremsbalken vor den Rädern. Wegen der Masse des Verkehrs sollen die meisten aus dem Mittelalter stammen. Dann müssten sie aber Vorgängerrouten gehabt haben: Bereits seit der Bronzezeit reihen sich nämlich befestigte Höhensiedlungen wie Perlenketten an ihnen auf. Diese Stationen lagen jeweils nicht nur in Sichtweite, sondern auch in Abständen von etwa 20 Kilometern, dem Tagespensum eines Ochsenkarrens. Oft finden sie sich auch in kürzeren Abständen, die ja zu unterschiedlichen Zeiten gebaut worden waren. Das genaue Alter können natürlich nur die Archäologen ergaben. Die meisten sind denen aber unbekannt, obwohl es Vergleichsmuster zu ihrer Identifizierung gibt.
Ab der Urnenfelderzeit nämlich, um 1200 v. Chr., wurden diese Befestigungen dann nicht nur deutlich verstärkt, sondern es kamen auch viele neue hinzu. Während der Hallstadt- und Latenezeit baute man viele zu großen befestigten Siedlungen für mehrere hundert Menschen mit entsprechender Infrastruktur aus. Beide Gleichberge, die Zwillingskuppen Öchsen und Dietrichsberg sowie der Dolmar und die Geba scheinen die größten
frühzeitlichen befestigten Siedlungen in Südthüringen gewesen zu sein.
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Die frühen Siedlungszentren um das Grabfeld:
Öchsen/ Dietrichsberg, Gleichberge, Dolmar, Geba
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Die vorstehende Karte zeigt eine logische und in der Landschaft nachvollziehbare Verbindung untereinander und deren Weiterführung zu anderen großen Siedlungen der Keltenzeit an. Diese Trassen sind aber genauso mit Hohlwegen gespickt, wie oben beschrieben, liegen aber außerhalb der späteren mittelalterlichen Routen. Sie müssen also schon von den Kelten begangen worden sein. Ich unterscheide damit Urwege und Altstraßen, wonach die formale Grenze zur Zeitenwende anzusetzen ist. Die Symbole in der Karte bezeichnen:
- Kleine Bergspitze: befestigte Siedlungen aus Bronze-, Urnenfelder- und keltischer Zeit, die entweder archäologisch bestätigt sind oder noch heute schanzartige Bodenstrukturen aufweisen. Manchmal wurden sie aber später überbaut.
- Kleine Burg: altgermanische und frühmittelalterlicher Befestigungen, die anfangs aus Holz, später aus Stein angelegt wurden. Aus ihnen entwickelten sich viele der heutigen Schlösser, Städte und Dörfer. Diese habe ich aber nicht markiert. Da es nur wenige archäologische Ausgrabungen bei den Bodendenkmälern gibt, sind zeitliche Überlappungen nicht auszuschließen.
- Drei Punkte: Weitere Besonderheiten die mit dem Weg in Verbindung stehen könnten, wie Flurnamen, erforschte Gräberfelder oder archäologische Funde. Grabhügel (GH) stammen zumeist aus der Bronzezeit, also zischen 2200 - 1000 v. Chr.
Schaut man sich das Ganze in der wirklichen Landschaft an, wird deutlich, dass die Altvorderen gar keine andere Route wählen konnten, wollten sie sicher und trockenen Fußes ihre Nachbarn besuchen (Die größten sind rot hervorgehoben). Und: Wir finden auf den Urwegen so gut wie keine frühmittelalterlichen Bodendenkmale, sieht man von den vielen Kapellen ab, die nach der Christianisierung bewusst vereinnahmend auf keltische Kultplätze gesetzt wurden. Immer wieder fügen sich in der Karte uralte Flurnamen, frühzeitliche Bodendenkmale und archäologische Funde auf wundersame Art und Weise zusammen.
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Beispiel Frühzeitliche Wallanlage
(Neolitikum bis La-Tene-Zeit)
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Als die Kelten ab 400 v. Chr. - wahrscheinlich wieder wegen des Klimas - begannen nach Süden abzuziehen, verfielen diese Anlagen. Die nachfolgenden Germanen ließen sie auf ihren Völkerwanderungszügen meist links liegen. Erst die ab 550 jetzt unserer Zeit hier einmarschierenden Franken benutzten wieder einige von Ihnen, wie die Henneburg, die Coburg oder die Heldburg. Der Rest kann heute als Ringwall, Schwedenschanze oder Abschnittswall besichtigt werden. (Namen, wie "offengelassene Burgstelle" oder "Burgstall" deuten auf das Frühmittelalter hin.) In Südthüringen und Franken gibt es so viele davon, dass jeder Versuch sie zu zählen, unvollständig wäre. Die meisten sind heute im Gelände kaum mehr auszumachen. Manche aber kann man noch an ihren Flurnamen erkennen: Burgsteig, Herrenberg, Rittersporn, Hohe Wart usw. Diese Namen stammen natürlich erst aus germanischer Zeit, die archäologischen Funde aber weisen oft viel weiter zurück, wie auf dem Herrenberg bei Schalkau oder dem Ritterrain bei Wachenbrunn.
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Altwege und Sicherungsburgen in Südthüringen |
Wenn man nun Hohlwege, Höhenzüge, Wallanlagen, Artefakte und verdächtige Flurnamen geografisch sinnvoll in Karten überträgt, kommt zunächst ein unübersichtliches Netzwerk zustande, bei dem immerhin die Nord-Süd-Verbindung über den Thüringer Wald zu dominieren scheint. Verfolgt man diese Altstraßen aber weiter, wird eine überregionale Verbindung der alteuropäischen Residenzen deutlich. Dazu zählen Keltenhochburgen wie Manching oder Paris, Römerstädte wie Trier und Augsburg, aber auch die Frankenzentren wie Wetzlar und Mainz. Von all diesen Orten führten Altstraßen zu uns ins fruchtbare Grabfeld. Ich will versuchen, sie nach und nach in diesem Blog vorzustellen.
Entwirrt haben dieses Wege-Chaos bei uns zwei leider schon verstorbene Heimatforscher aus Südthüringen: Ernst Fischer aus Suhl („Urwege zwischen Grabfeld und Thüringer Wald“) und Armin Ender aus Meiningen („Auf uralten Wegen nach Meiningen“).
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Beispiel frühmittelalterliche Befestigung |
Beide müssen nicht nur gefühlte Jahre in Archiven zugebracht haben, sondern scheinen die Wege auch wirklich im Gelände zumindest teilweise abgegangen zu sein. Ich bin die Hauptstrecken in den letzten Jahren mit dem Fahrrad abgefahren und kann ihre Ergebnisse nicht nur im Wesentlichen bestätigen, sondern auch neue hinzufügen. Denn oft traf ich auf unbekannte Hohlwege und Geländeanomalien, die mit keiner bekannten Altstraße in Verbindung zu bringen waren. Doch Alter, Bedeutung, Anfangs- und Endpunkte lassen sich ja aus der Geschichte ableiten. Natürlich sind die Urwege zum größten Teil erodiert, untergepflügt und überbaut. Die Reste verzweigen sich ständig, überschneiden und überlagern sich mit Verbindungswegen zwischen den Dörfern oder den s.g. Kunststraßen aus dem 19. Jhd. In den Wäldern aber blieben sie uns oft erhalten!
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Frühe Relikte im Kleinen Thüringer Wald |
Alleine bei den
Altstraßen-Verästelungen im Kleinen Thüringer Wald könnte man leicht die Übersicht verlieren. Kurios: Alle kommen von einer Linie über die Gleichberge herauf und vereinen sich wieder nach Überquerung des Haseltales auf dem Höhenzug von Rohr-Kloster nach Oberhof. Heimatforscher Fischer vermutet hier eine Eisenstraße von den Bergwerken um Suhl zu den Keltenfesten um die Steinsburg. Das verrückte aber: Die vielen Hohlwege im Kleinen Thüringer Wald führen bis auf einen alle um Suhl herum! Und: es sind die größten in ganz Thüringen und Franken!
So bildeten sich im Dreieck Rennsteig-Rhönhöhenweg-Grabfeld mehrere Altwegekreuzungen, auf denen es in der Frühzeit hoch hergegangen sein muss: der Ellenbogen (indogermanisch vielleicht "Streckenabzweig") nördlich Frankenheims, der Pass östlich von Melpers und Dreißigacker über Meiningen.
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Altstraßenkreuzungen in Südthüringen |
Ein herausragender Knotenpunkt alter Heer- und Handelsstraßen war das heute völlig abgelegene Dorfes Christes. Es wurde 833 als Königsgut genannt, wobei ein herrschaftlicher Tross nur auf der Hochebene westlich des Dorfes untergekommen sein dürfte. Es trafen sich hier die Hohe Straße nach Tambach-Dietharz, eine Altstraße nach Schmalkalden, teils ebenfalls Hohe Straße genannt, außerdem die Fuldaer Straße, die wiederum ein Stück Weinstraße hieß, von der der Ortesweg abzweigte, der zum Teil als Roter Weg bezeichnet wurde. Man fragt sich, wie die Fuhrleute damals klar gekommen sind. Als die Wege um die Zeitenwende ins Tal wanderten, musste der einstige Glanz solcher Zentren verblassen.
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Wie viel muss hier "durchgeschrammt" sein...? |
War ein Weg ausgefahren, wurde nebenan ein neuer angelegt; es entstanden regelrechte Hohlwegebündel. Die meisten gibt es um Schleusingen herum, der Mittelalterlichen Residenzstadt, die tiefsten Rinnen fand ich südlich der „Eisernen Hand“ auf dem Weg nach Suhl, die breitesten nahe dem Stellberg in der Rhön und die längsten Hohlwege wären wohl die in der Nähe der „Langen Bahn“ vom Kleinen Thüringer Wald ins Haseltal hinunter. Daraus lässt sich aber noch nicht viel über ihre Benutzung ableiten.
Konkreter wird es, wenn man den Archäologen folgt: Für die Kupferzeit – hier etwa ab 3.000 v.Chr. - zieht sich die oben erwähnte Fundkette von Steingeräten aus dieser Zeit vom Raum Bad Königshofen über Herbstadt, Milz, Haina, an den Gleichbergen vorbei nach St. Bernhard, Trostadt, Schleusingen und Suhl bis Arnstadt. Wenn man Höhenzüge und Hohlwege zwischen den Orten verbindet, sie mit Bodendenkmählern, Geländemerkmalen und Flurnamen abgleicht, entsteht eine
Urstraße über den Thüringer Wald aus der Kupferzeit.
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archäologisch nachvollzogener Weg aus der Kupferzeit |
Nach den Quellen ist sie nicht identisch mit der sog. Kupferstraße, die Bernd Bahn in seinen Büchern beschreibt. Gleichwohl zweigt sie von dieser Nord-Süd-Tangente bei Arnstadt ab und scheint ein Strang dieses nach dem mittelalterlichen Erztransport benannten Altweges darzustellen. Sie wird nur einmal nördlich der Gleichberge als Heerstraße bezeichnet, ansonsten ist kein Altstraßenname überliefert. Es scheint, als ob man sie verschiedenen Epochen zuordnen muss:
- Rot: Urstraße aus neolithischer, megalithischer und Bronzezeit
- Blau: Alternative aus Urnenfelder- bis Keltenzeit
- Gelb: frühmittelalterliche Artefakte
Auch über diesen Pfad lohnt es sich zu debattieren: Warum dieser Umweg nach Schleusingen, lange bevor sich die Henneberger hier niederließen? Warum quälten sich die Bronzeschmiede durch das Tal von Suhl, wo man via Friedberg viel schneller auf den Rennsteig kommen konnte? Als Begründung fallen mir nur vergessene frühzeitliche Siedlungen um Schleusingen ein und ein Erzabbau um Suhl bereits in der Kupferzeit.
Interessant besonders: Das Prinzip der Pausen-Stationen nach 20-Ochsenkilometern scheint seit der Bronzezeit Anwendung gefunden zu haben: Alteburg-Arnstadt, Schlossberg-Oberhof, Steinsburg-Suhl, Steinsburg-Römhild, Alte Schanze-Sulzfeld - jeweils der gleiche Abstand. Diese Trasse zeigt mit ihren Veränderungen über die Jahrtausende auch die überregionale Bedeutung unserer Heimat.
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20 Kilometer schafft ein Ochsengespann am Tag,
unabhängig vom Gelände |
Sie liegt nämlich exakt auf der uralten Route von Skandinavien über den mitteldeutschen Raum bis Italien. In Jütland heißt sie Ochsenstraße, in Niedersachen Salzstraße, zwischen Harz und Thüringer Wald Kupferstraße, und bei uns wird sie als Keltenerlebnisweg aufgegriffen. Der führt offiziell von Meiningen bis Bad Windsheim und heißt über weite Strecken Rennweg. Tatsächlich aber muss es nach den Gleichbergen, Hassbergen und dem Steigerwald weiter ins Nördlinger Ries, die Schwäbische Alb, über die Donau, Augsburg und über die Alpen gegangen sein (Spätere Via Claudia Augusta). Die Muster, wie oben beschrieben, begleiten uns auf dem gesamten Nord-Süd-
Urweg durch Europa. Ich habe für diesen Post hier nur die begleitenden Relikte durch unsere Heimat und die möglichen Endziele eingezeichnet. Die Trasse scheint bis in Neuzeit hinein benutzt worden zu sein, denn selbst die frühmittelalterlichen Burgen an ihr sehen so aus, als würden sie auf alten Keltenschanzen zu stehen. Ein Kontinentalweg, wie er im Buche steht! Wieder finden die o.g. Prinzipien Anwendung, wieder habe ich versucht, alle relevanten Spuren zu erfassen.
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Südthüringen auf der alten Route in den Norden |
Alles kann bis heute auf den Meter genau nachvollzogen werden! Immer ging es über die trockenen Höhenzüge. Nur ganz selten waren Flüsse oder Bäche zu überqueren. Mindestens nach einem Tagesmarsch finden sich strategisch angelegte Wachen und Versorgungsstationen. Bei Donauwörth trifft dieser kontinentale Weg nach Süden auf die mittelalterliche Via Imperii, die schon von den Römern als Via Claudia Augusta über die Alpen befestigt wurde. Die Kelten, die um 390 v. Chr. gegen Rom zogen, müssen sie auch schon gekannt haben.
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Heute hat die Werra kaum noch Mäander |
Selbst kleine Umwege oder extrem steile Anstiege lassen sich nach der nächsten Wegbiegung leicht erklären, beispielsweise wegen eines unüberwindlich sumpfigen Tals oder einem noch steileren Berg. "Begünstigte Wegführung" oder Zwangsführung nennen das die Experten. Wer sich für die Weiterführung des kontinentalen Urweges von Skandinavien nach Italien interessiert, sollte "Die alte Kupferstraße..." oder die "Via Claudia Augusta" in diesem Blog lesen.
Trotzdem veränderte sich nicht selten der komplette Verlauf solcher Linien – abhängig von Klima, Jahreszeit, Witterung oder Wasserstand der Flüsse. Manchmal galt es sogar Zollbarrieren zu umgehen. Hauptproblem in Südthüringen muss immer die Überwindung der Werra gewesen sein. Bei Kloster Veßra, im Dreieck von Werra und Schleuse, finden sich so viele Hohlwege zu den Furten hinab, dass das Prinzip leicht erkennbar wird: Die Reisenden konnten entsprechend den Bedingungen variieren. Auch zwischen Walldorf und Wasungen scheint es alle paar hundert Meter eine Furt gegeben zu haben. Wie es aussieht, scheinen die meisten Orte an der Werra aus solchen Furten hervorgegangen zu sein, besonders die mit den Endungen -ing oder -ung. Man brauchte dort Handwerker, Vorspanndienste, Wachpersonal - und alle hatten Familie.
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Mindestens 3 Werraübergänge südlich von Wasungen |
Wahrscheinlich wichen Händler und Militärs bei hohem Wasserstand der Werra Richtung Oberlauf und Quelle aus, selbst wenn sie dafür noch andere Flüsse wie Jüchse oder Schleuse überqueren mussten. Anders wären die vielen frühzeitlichen Furten und später mittelalterlichen Brücken zwischen Meiningen und Eisfeld nur schwer zu erklären. In Urkunden aus dem Frühmittelalter finden sich direkt benannte Flussübergänge nahe Walldorf, bei Obermaßfeld, Henfstädt und Trostadt. Die vielen frühzeitlichen Befestigungen um Eisfeld lassen aber auch eine östliche Umfahrung der Werra zur Überquerung des Thüringer Waldes vermuten. Wenn es ganz "dicke" kam, hatten Wein- und Kupferstraße eine trockene Alternative.
Im Frühmittelalter scheint man peu a peu so weit als möglich in den Tälern gegen das Mittelgebirge vorgerückt zu sein, um erst ganz zum Schluss auf die Höhenrücken hinauf zu müssen. So deuten die Wallreste auf dem Ruppberg bei Zella-Mehlis auf eine Wache am Höhenrücken von Schwarza über den Hundsrück zum Oberhofer Pass hin. Die sicher nicht unbedeutende Altstraße könnte eine Weiterführung des Ortesweges aus dem Westen sein. Dazu in einem meiner nächsten Posts.
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Der Rennsteig als prähistorischer Höhenweg |
Auch der
Rennsteig selbst weist alle Merkmale eines frühzeitlichen Fernweges auf (Siehe Post: "Der Rennsteig - ein Urweg seit der Bronzezeit). Die Diskussion über die Herleitung des mittelalterlichen Namens - Grenze, Feldrain, Reiter - kann nur akademisch gemeint sein. Wir behandeln hier eine Zeit, die mindestens 1000 Jahre früher liegt. Wer die vielen tiefen Wagenrinnen entlang des Höhenkammes und die Verschanzungen dort gesehen hat, wird kaum Zweifel haben. Der Rennsteig könnte so auch Teilstück einer Fernverbindung vom Niederrhein ins Böhmische gewesen sein, wobei nur ganz wenige Flüsse durchquert werden mussten (Siehe Post "Der Zinnweg...").
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Talschloss Bibra |
An der Lage der wegbegleitenden Sicherungsburgen von Urwegen lassen sich auch Rückschlüsse auf historische Zusammenhänge ziehen. Um Bibra gibt es beispielsweise mehrere zeitlich kaum zu verifizierende Nord-Süd-Trassen. Schaut man sich aber die frühen Befestigung um das Dorf an, wird vieles klarer: In der Frühzeit muss ein Weg die hallstattzeitliche Siedlungskombination oben auf dem Queienberg und dem Büchelberg gequert haben, danach einer die wesentlich tiefer liegende, als „karolingisch“ eingestufte Wallanlage am Jüchsener Wald und im Mittelalter dann muss es direkt am Bachlauf an der kleinen Burg mitten in Bibra entlang gegangen sei. Das zeigt anschaulich, wie die alten Wege noch vor der Zeitenwende nach und nach in die jetzt trockeneren Täler „gewandert“ sein müssen. Nur die alten Fernstraßen über das Mittelgebirge hinweg scheinen auch nach der Völkerwanderung auf den Höhenrücken geblieben zu sein. Das zeigen bekannte Stationen von Luther, Wallenstein oder Napoleon bei uns an.
Seit im Hochmittelalter alles aufgeschrieben wurde, waren dann auch die Namen der Altstraßen bekannt. In Verbindung mit Königshöfen und "festen Häusern" lassen sie sich heute nach den bekannten Mustern rekonstruieren.
Beispiel: Das mittelalterliche Rohr:
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Rohr als Zentrum des Heiligen Römischen
Reiches Deutscher Nation
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Das winzige Dörfchen am Fuße des Dolmars spielte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation eine überregionale Rolle als Treffpunkt der Mächtigen:815 erstmals als Benediktinerkloster erwähnt, dann als Reichshof bestätigter Aufenthaltsort mehrerer Könige (hier wurde z.B. eine königliche Geisel ausgetauscht) und – noch wichtiger - hier fanden mehrere deutsche Reichstage statt. Der Personen- und Gütertransport aus allen Himmelsrichtungen muss immens gewesen sein, denn so üppig ist das lokale Versorgungspotential nicht. Die Wahl des Ortes war dennoch genial: Rohr ist der südlichste Punkt, vom Thüringer Becken aus gesehen, zu dem man ohne eine einzige Talquerung gelangen konnte. Für die sächsischen Könige auf ihren Lieblingsresidenzen um den Harz herum ein echter Vorteil. Auch den anderen Reichsfürsten standen sichere und trockene Wege zur Verfügung:
Der Erzbischof von Mainz mit seinen Besitzungen in Erfurt kam sicher von Fulda herüber. Das Kloster dort hatte ja auch reichlich Güter in Südthüringen. Er ritt bestimmt über den schon erwähnten Ortesweg und den Rhönpass bei Frankenheim ein. Das war eine Fernverbindung vom Rhein über das Marburger Land, Rhön und Grabfeld nach Bamberg. Geht es nach der Masse an Grabhügeln entlang dieser Strecke, muss sie ebenfalls schon in der Bronzezeit genutzt worden sein. Die Würzburger Herzöge hingegen, von denen ja Verwaltung und Christianisierung Südthüringens ausgegangen sein soll, hatten gleich zwei Möglichkeiten, um nach Rohr zu gelangen. Entweder nutzten sie den Höhenrücken zwischen Fränkischer Saale und Streu, die wir ab dem Knotenpunkt Mellrichstadt als Weinstraße kennen. Oder sie zogen an der Wasserscheide des Mains entlang über Schweinfurt und Königshofen (Siehe auch Post: "Die Heden-Wege..."). Die südlichen Reichstagsstände wiederum werden um 800 noch die alte uns bekannte Keltenroute von Augsburg und Windheim herauf genommen haben. Aus dem Osten (Böhmen) kam man am besten über die Verlängerung des Rennsteiges angereist. Auch der östliche Keltenweg von der Donau herauf, mit seinen Sicherungs-Wallanlagen entlang der fränkischen Alb, wie Ehrenbürg, Staffelstein und die mittelalterlich überbaute Coburg, könnte noch eine Rolle gespielt haben (Siehe Post "Prähistorische Urwege durch Franken"). Erst vor dem Herrenberg nahe dem keltischen Bleßberg werden die Edlen nach Rohr abgebogen sein. Von Bamberg herauf scheint der Höhenrücken zwischen Ebern und Altenstein prädestiniert.
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Die Altstraßen um Henneberg greifen vormalige Urwege auf |
Auch die
Umtriebigkeit der Henneberger Grafen lässt sich leicht nachzeichnen, besonders zu Beginn ihrer Regentschaft im10. Jhd. Denn sie scheinen vorwiegend auf den Trassen der Kelten stattgefunden zu haben. Wer der erste vom fränkischen König im Grabfeldgau belehnte Verwalter dieser Sippe war, ist strittig. Ab 1057 jedenfalls hatten die Henneberger das Burggrafenamt in Würzburg inne. Immerhin 300 Jahre lang! Entsprechend tief gravierten sich die Hohlwege in die Landschaft zwischen der Mainmetropole und ihrer Stammburg über Henneberg. Auch nach Erbteilung und Verlegung der Hauptlinien-Residenz nach Schleusingen 1226 scheint diese Dynamik erhalten geblieben zu sein, mit Altstraßen zu Henneberger Besitzungen in Salzungen, Suhl, Ilmenau, Königshofen, Heldberg, Sonneberg und Coburg. Mehr und mehr aber verliefen die Altstraßen später entlang der heutigen Talsiedlungen. Interessierte Einheimische kennen die mittelalterlichen Highlights am Weg, wenn ich mal Zeit habe, werde ich sie einzeichnen. Man hat den Eindruck, dass der ganze gräfliche Klüngel bis zu seinem Aussterben 1583 nur ständig unterwegs gewesen sein muss.
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Kehrweg |
Natürlich gibt es weitere vergessene Altstraßen durch Südthüringen, wie die Harrasser-Urweg-Route, die ich im gleichnamigen Post beschreibe. Andere tangieren unsere Region nur, z. B. die Kupferstraße (Siehe Posts "Altstraßen durch Franken" und "Die Kupferstraße"). Auf sie werde ich ebenfalls nach und nach eingehen.
Auf ein Kuriosum aus der Zeit gegen Ende des Mittelalters sei noch hingewiesen: Zwischen Hildburghausen und Ebenhards finden sich sogar mal Reste einer Altstraße im Tal, überraschender Weise direkt an der Werra. Es ist der so genannte Kehrweg, für den die Coburger bis Themar militärisches Geleit zu stellen hatten.
Wie es auf den Altstraßen im Mittelalter zuging, kann dem
Reisebericht eines anonymen Fuhrmanns entnommen werden, der 1522 von Hamburg nach Nürnberg reiste. Der wurde zwar erst im vorigen Jahrhundert verfasst, klingt aber recht authentisch: Die Sorgen des Kutschers waren bestimmt die gleichen, die schon in der Bronzezeit ganze Völkerscharen beschäftigt hatten. Erst im 19. Jhd. baute man dann befestigte Straßendämme, die so genannten Kunststraßen.
Das sicher platonisch gefärbte Thema Altstraßen macht doppelten Sinn, wenn man ihren Zustand heute kennt. Bald wird nicht mehr viel von ihnen übrig geblieben sein. Seit Jahrhunderten werden sie unterpflügt und in den Wäldern mit Abfall aus den Dörfern ringsum zugeschüttet. Heute übrigens mehr als früher. Die industrielle Forstwirtschaft nutzt zwar einige, muss sie aber für ihre Monstermaschinen verbreitern und verändert so ihren historischen Charakter. Der Rest wird gnadenlos plattgefahren. Topografische Karten, auf denen man Altwege am besten nachvollziehen kann, sind selbst im Informationszeitalter noch nicht für jedermann zugänglich. Wenn es nach mir ginge, würden sämtliche Wege unserer Vorfahren unter Flächendenkmalschutz gestellt. Geht es aber nicht...
Prima Idee, hier noch ein paar Ergänzungen:
AntwortenLöschen- Fernstraßen gibt es bereits seit der Jungsteinzeit von Italien über Main-Grabfeld-Werra-Schleusingen-Suhler Loibe über Thüringer Wald und weiter bis Nord- und Ostsee.
- Die Fernwege sind zwar u. a. Kupfer- und Bernsteinstraßen, aber keine „Wein“-Straßen. Dieser wurde dort sicher auch transportiert, aber auf einer „Wagen“-Straße, aus dem keltischen „vaigin“ für „Wagen“, heute noch im Dialekt als „Wähne“ für Wagen/ Wagenbauer gebräuchlich.
- Namen von Bergen und Burgen sind oft sehr alt:
o Herrenberg (u.a. Oppidum bei Eisfeld, Oppidum bei Arnstadt): alle Arn-, Ehren-, Bern-, Herren- und Beerberge sind eine keltische Namensgruppe (aran, baran, barr, bara)
o Burgberg/ -steig/ Alte Burg: deutschsprachig nicht als befestigter Wohnort nachweisbar, aber mit dem keltischen „alto bur“ = hochgelegener Wohnort; siehe auch „Bohr-Hügel“ (Struth-Suhl), mdartl. „bue-hüggel““ = Schutzort (Loiben = Aufstieg
- „Eiserne Hand“: keltisch „aithan- anned“ = Bergwohnung, Berghaus, dort Platz für Vorspanndienste
- Alte Furten an der Werra (von „ritu“): Belrieth, Reurieth, Häselrieth, Leimrieth
- Wallreste Ruppberg: Nachrichtenstation (optisch)/ Hermannsberg („er mons“), Donnershauk („don-er“) und Übergang über Oberhofer Pass aus Richtung Oberschönau/ Schwarza und Suhl-Oberhof
- Hasel und Lauter wurden im Wesentlichen in Suhl und Umgebung gefurtet („rüsse“)
- Rennsteig: keltisch „rinn“, „roin“, „ring“ = Berg, Höhe, Gipfel, Kuppe entspr. Hoher- oder Bergweg
- „Herrenberg“ bei Bleßberg und Königshügel: keltisches Oppidum wahrscheinlich zum Schutz der keltischen Goldgewinnung an Saar und Grümpen, viele Gefäße aus Grafitton böhmischer (kelt.) Herkunft gefunden
Frank Weiske, Suhl