Samstag, 9. Februar 2019

Die Brabanter Straße - ein Altwege No-Go?

Ich bin scheinbar nicht der Einzige 
mit "splinerten" Hobbys 
Altstraßen, die bis in die Bronzezeit zurückreichen, wurden hier ja schon viele besprochen und kartographiert, aber die Brabanter scheint in jeder Hinsicht etwas Besonderes zu sein. Keine wird in der Literatur so detailliert und über die gesamte Strecke beschrieben, bei keiner sind die genannten Durchzugsorte in unterschiedlichen Quellen immer die selben und bei keiner scheint der Verlauf von der Frühzeit bis ins Mittelalter der gleiche geblieben zu sein. Zudem betonen viele Forscher die Bedeutung der Geografie dieser wasserscheidenden Höhentrasse für ihren Zwangsverlauf. Dazu wird sie als Teil eines kontinentalen Wegenetzes gesehen, dass ebenfalls bis in die Frühzeit zurückführen soll. Das alles predige ich hier von Anfang an für alle Altstraßen, war‘s damit zufrieden und wahrscheinlich bin ich sie deshalb noch nicht bis zum Ende mit dem Bike abgefahren. Nur von Leipzig bis Marburg kenne ich die Relikte an ihr ganz gut.
Von Lüttich nach Leipzig - immer das gleiche Bild
Das verrückte hier: Historisch dürfte sie gar nicht existieren, denn sie wird eigentlich nicht gebraucht. Sie verläuft genau wie die Heidenstraße von Köln nach Leipzig, das auch noch parallel, maximal nur 50 Kilometer entfernt, es gibt sogar Querverbindungen zu ihr. Die Brabanter scheint dazu mühseliger gewesen zu sein, werden doch mehrere große Flussauen gequert. Außerdem benutzt sie dabei zum überwiegenden Teil andere bekannte Altstraßen, etwa die Brüderstraße, die Antsanvia, den Kurzen bzw. Langen Hessen, ab Eisenach die Via Regia. Der eigenständige Name zeigt ihre Bedeutung im Hochmittelalter an, nicht aber den in schriftloser Zeit. Aber genau darum soll es hier wie immer gehen. Wozu also dieser doppelte Weg quer durch Deutschland?
Bite Link öffnen und "reinzoomen"

Eine frühzeitliche Variante dieser Heer- und Handelsstraße mit fast metergenauem Verlauf zeigt wieder meine Karte bei Google-Maps. Von Lüttich aus - dem Start im ehemaligen Herzogtum Brabant - bis Leipzig reihen sich an ihr nicht nur mittelalterliche Städte, Burgen und Warten, sondern auch befestigte Höhensiedlungen aus der Frühzeit auf. Die meisten sind archäologisch belegt, tragen entsprechende Flurnamen oder sind an typischen Bodendeformationen zu erkennen. Deren Abstand von nicht mehr als 25 Kilometern, dem Tagespensum eines Ochsenkarrens, verweist auf ihren strategischen Charakter - und das bereits im Neolithikum!
Die Karte soll wieder selbsterklärend sein. Es bedeuten:
alle frühzeitlichen Relikte in der Legende


- rote Linie: Altstraßen auf Höhenrücken, die schon in der Bronzezeit begangen worden sein müssen
- lila Linie: theoretischer Verlauf mittelalterlicher Altstraßen, meist nach Durchzugsorten und Flurnamen
- drei Ringe: ausgegrabene oder mutmaßliche Höhenbefestigung
- 3 Punkte: frühzeitliche Relikte, die mit dem Weg in Verbindung stehen könnten
- kleine Burg: Mittelalterliche Befestigungen, die wahrscheinlich auf vorzeitlichen Höhensiedlungen stehen

Die Brabanter Straße greift die nachgewiesenen bronzezeitlichen Handelsverbindungen zwischen den britischen Inseln und Mitteleuropa auf, die bis ins 4. Jahrtausend v. Chr. zurückverfolgt werden können. Die immer wieder durch Sturmfluten verwüstete Nordseeküste geht erst hinter Lüttich in sicheres Hochland über. Deshalb wahrscheinlich der Anfang hier seit Urzeiten.
Verändern der Basiskarte bei Google-Maps

Über die zentrale Verteilerfunktion von Leipzig habe ich schon mehrfach referiert, symbolisiert durch die dort ausgegrabenen gigantischen neolithischen Ringwallanlagen von Kyhna und Eythra, sage und schreibe aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. Entsprechend scheint die gesamte Strecke entlang neolithisch belegt, beispielsweise die jungsteinzeitliche Siedlung in Düren, die Rössen-Siedlungen um Marbach und das Sonnenobservatorium von Goseck. Später folgen dann massig Hügelgräber um 1500 v. Chr., Keltenschanzen um 500 v. Chr., Römerstraßen im Westen vom Beginn der Zeitrechnung bis zur Völkerwanderung und ab 800 etwa karolingische Königssitze. Auf der Strecke fallen regelrechte Ballungszentren auf wie um Siegen, Marburg, Hersfeld, Eisenach, Gotha und am Saaleübergang vor Naumburg. Deren Ursprung könnte typischer Weise direkt mit der Brabanter Straße in Verbindung stehen, umso mehr hier ja auch immer wichtige Nord-Süd-Verbindungen kreuzen.
In Waldfeucht wurden die Wegweiser zwar versetzt, 
nicht aber wie sonst  oft verbaut.

Überwältigend auch die Vielzahl von Menhiren, Kreuzen und Kapellen am Weg, deren Rolle ich ebenfalls in anderen Pots hier dargelegt habe.
Etwa die Hälfte der Brabanter Strecke verläuft auf der Via Regia, der wohl bekanntesten Altstraße Europas. Über sie wurde so viel publiziert, dass sie eigentlich nicht hierher gehört. Gleichwohl streiten die Gelehrten immer noch über ihren exakten Verlauf. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, lädt doch das relativ flache Gelände des hier relevanten Erfurter Beckens zu Alternativen ein. Diese sind aber oft gut zu erkennen, beispielsweise am Saaleübergang um Bad Kösen: Tiefe Hohlwegebündel und Befestigungsverdachtsplätze weisen auf alternative früheisenzeitliche Trassen hin. Sogar Ringstrukturen mutmaßlicher jungsteinzeitlicher Sicherungstationen deuten sich auf Luftbildern an (westlich von Schwerstedt, östlich Pfiffelbach). Dazu müssen die Historischen Bilder bei Google Earth aufgerufen werden. Das neolithische Sonnenobservatorium von Goseck lässt sogar eine zusätzliche Querung der Unstrut vermuten - ausgewiesen durch die tiefen Fahrgräben um Groß- und Kleinjena an der Unstrut-Mündung.
In diesem Stil bleibt der Variantenreichtum der Via Regia über ihre gesamte Strecke unerreicht. Ich habe ihren beurkundeten mittelalterlichen Verlauf lila eingezeichnet, weil eine eindeutige Zwangsleite - rot - nicht gegeben ist.
Urzeitliche Umfahrungen (rot) der mittelalterlichen 
Via Regia respektive Brabanter Straße (lila)

Je näher wir Leipzig kommen, desto näher rückt die Heidenstraße an die Brabanter heran. Unsere Anfangs gestellte Frage bleibt. Schaut man sich das Netzwerk in der Karte nur der wichtigsten Altstraßen an, erkennt man dessen Verdichtung in Mitteldeutschland. Logisch also, dass sich die Trassen näher kommen und überschneiden. Außerdem musste die Brabanter Straße die o.g. urzeitliche Siedlungszentren versorgen, die ja von anderen Trassen gemieden wurden. Die von ihr genutzten vielen lokalen Straßen und die Nähe zu stark frequentierten Verbindungen wie Heidenstraße, Ortesweg und Antsanvia zeigen, wie dicht das Straßennetz schon in der Bronzezeit gewesen sein muss. Und da reden wir hier nur von den eindeutig nachzuvollziehenden Höhenwegen…

1 Kommentar:

  1. Meine Hochachtung zum Ergebnis. Es ist erstaunlich, wie mobil Menschen damals waren. Es ist ja nicht die einzige Wegführung, um von A nach B zu kommen. Und ein Leben auf der Straße war nicht ungefährlich. Ich drücke den Daumen und schaue gerne wieder hinein.

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