Sonntag, 25. November 2018

Die Wolkenbrüche im Kreis Schleusingen im Mai 1936 (von C.A.)

Gethles, in einem flachen Höhental
Gethles, Ahlstädt, Neuhof, Bischofrod, Eichenberg, also die den südlichen Kreisteil bildenden Ortschaften sind, wie wir bereits berichteten, von den wolkenbruchartigen Regen am Dienstag schwer heimgesucht worden. Die Fluren, vor kurzem noch in frischem, prangendem Grün des Frühlings, die Felder alle wohl bestellt, bieten einen trostlosen Anblick. Stellenweise ist der Mutterboden völlig weggeschwemmt, so dass nur noch Ödland übrig geblieben ist. Die tiefer liegenden Felder sind mit Schlamm bedeckt und an den Hängen hat das Wasser tiefe Gräben gezogen.. Die Arbeit eines Herbstes und eines Frühjahrs ist umsonst gewesen.
unbefestigte Dorfstraße bis 1961
 Am meisten von den genannten Orten hat Gethles gelitten. Während anderswo auch einzelnen Gehöfte betroffen und hier und da Sachschäden angerichtet wurden, hat dort die Gewalt des Wassers unheimlich gewirkt. Sonst fliest durch den Ort weder ein Fluss noch ein Bächlein, lediglich Gräben sind vorhanden zum Abfluss des Regenwassers. Am Dienstag standen die Straßen 70 Zentimeter hoch unter Wasser. Sie wurden teilweise bis auf die Kanalisationsröhren aufgerissen und Steine von erheblichem Umfang wurden einfach weggeschwemmt. Der Dorfplatz ist eine einzige Geröllhalde, ebenso sind die Wassergräben im gesamten Ortsbereich tief ausgespült, die Einfassungen fortgerissen. Gartenzäune und andere Hindernisse wurden von der Gewalt des Wassers beseitigt.
richtige Kanalisation erst seit der Überschwemmung
Besonders bei dem gegen 9 Uhr niedergehenden zweiten Unwetter herrschte eine unheimliche Stimmung. Blitze zuckten und erhellten die dunkle Nacht. Die schweren Einschläge gingen bis auf wenige Ausnahmen meist in den umliegenden Wald. Die Wassermassen in den Straßen brausten und gischten, überall in den Kellern quirlte und gluckste es. Das unruhig gewordene Vieh rüttelte an seinen Ketten, und es war gut, dass seitens des stellvertretenden Landrats die Feuerwehren des Umgebung und die Arbeitsdienstabteilung 2/233 herbeigerufen wurden, die denn auch tatkräftige Hilfe leisteten. Vor allem waren es die Männer des Reichsarbeitsdienstes, die überall nützliche Arbeit verrichteten.
Straßenbau, Melioration und Klima ordneten mit der 
Zeit die Verhältnisse

So galt es unter anderem ein Haus wegen Einsturzgefahr zu räumen, außerdem musste in vielen Fällen das Vieh aus seiner verzweifelten Lage in den Ställen befreit werden, was glücklicherweise überall gelang.
Am Donnerstag Vormittag und auch noch am Nachmittag fanden wir die Einwohnerschaft und den Reichsarbeitsdienst fleißig bei der Arbeit. Es galt den Schlamm aus den Häusern, Ställen, Kellern und Höfen zu entfernen, Wasser umzuleiten, die größten Schäden auf den Straßen zu beseitigen usw.. Trotz der schweren Nacht, die die Einwohner hinter sich hatten, und trotz der Schäden, die fast alle an ihrer Habe erlitten hatten, sah man keinen untätig oder mit hängendem Kopf. Alle griffen wacker zu. Es wird Wochen dauern, bis alle Spuren des Unwetters verwischt sein werden.
Der einst überflutete Dorfplatz 2002
Außer dem stellv. Landrat Pg. Reitz weilte auch Dr. Stöhr von der Wirtschaftsberatungsstelle Schleusingen, ferner Amtsvorsteher Kummer in Gethles. Überall wurden die Flurschäden aufgenommen, der Bedarf an Saatgut festgestellt und die zu ergreifenden Maßnahmen erwogen in dem Bewusstsein, dass hier schnelle Hilfe und rasches Handeln viel Schaden gutmachen können.
Sehr beachtlich sind auch die Schäden, die an dem Bahndamm der Eisenbahnstrecke Themar- Schleusingen entstanden sind. Auf diese Bahnstrecke treffen mehrere Täler, die sich von dem hochgelegenen Gethles und von Neuhof her auf den Bahnkörper hinabziehen. Diese schmalen Seitentäler brachten gewaltige Wassermassen mit herunter, die den Bahndamm überfluteten und den Schotter des Bahndammes wegspülten, so dass die Gleise frei in der Luft hingen. Auch hier war an mehreren Stellen Reichsarbeitsdienst neben Kräften der Reichsbahn eingesetzt, um unverzüglich die Ausbesserung der Strecke vorzunehmen.. An der Stelle, wo der Roßbach, der von Neuhof herunterkommt auf die Bahnstrecke trifft, ist nicht nur die Gleisanlage unterspült, sondern das Wasser hat dort auch einen Teil einer steinernen Straßenbrückenmauer glatt umgelegt, obwohl die Mauer aus ziemlich großen Steinen besteht. Diese Schadenstelle befindet sich halbwegs zwischen Zollbrück und Kloster Veßra.
Bei all dem Unheil, das angerichtet wurde, muss es als großes Glück betrachtet werden, dass sowohl alles Vieh in Sicherheit gebracht werden konnte, als auch dass keine Menschen in Gefahr gekommen sind. Die Wassermassen konnten dank der günstigen Lage des Ortes nach verschiedenen Seiten abfließen , so daß keine großen Stauungen mit ihren bekannten verheerenden Folgen eingetreten sind. Trotzdem sind diejenigen, die von dem Unwetter betroffen wurden, wegen des von ihnen erlittenen Schadens sehr zu bedauern.

Quelle: Suhler Zeitung 8. 5. 1936

Montag, 5. November 2018

Zeitliche Horizonte altgermanischer Flurnamen


"Alteburg" Langenenslingen
Keine Flur- oder Ortsbezeichnung ohne Sinn! So könnte man all die schlauen Wälzer dazu zusammenfassen (Siehe Referenzen im Anhang!) Die deutsch klingenden Flurbezeichnungen sind zwar allgegenwärtig, werden aber doch historisch kaum wahrgenommen. Gilt es Geschichte zu ergründen, wälzt man Urkunden. Dabei lassen sich Orts- und Geländebezeichnungen vielfach zeitlich einordnen, auch ohne Geschreibsel oder archäologische Grabungen.
Wenn wir nämlich rauskriegen, warum ein Name entstanden ist, können wir leicht einen historischen Bezug herstellen. Bsp.: Zwei Dutzend „Alte Burgen“ im deutschsprachigen Raum entpuppten sich als von den ersten Germanen vorgefundene Wallanlagen, die aber bereits zwischen 1600 und 50 v. Chr. erbaut worden waren. Selbst bei den vielen „Stein“- und „Herrenbergen“, auf denen gegraben wurde, kamen vorzeitliche Relikten zutage.
Für solch eine Datierung müssen wir wissen, wie sich wann die Deutsch-Sprecher durch Europa bewegt haben. Dabei stellen Linguisten und Onomatologen fest, dass viele landläufige Bezeichnungen
  • lange vor der allgemeinen Schriftlichkeit (ab 1000),
  • sogar noch vor den großen Germanenwanderungen in Deutschland (ab 300 v. Chr.), 
  • ja letztlich vor der indogermanischen Großinvasion (nach 1200 v. Chr.).
entstanden sein müssen. Das Gros der Flurbezeichnungen scheint als Zusammensetzungen über uns gekommen zu sein und sowieso klar einordenbar: Heer-, Furth-, Aue-, Münden-, Brück-. Leider alles wegen einer möglichen Vornutzung zeitlich indifferent!
Andere Namen sind für uns „Hochdeutschverblendete“ erst auf den zweiten Blick erkennbar (Werder- und Wörth-Insel, Haak-Gehege, Bühl-, Hauk- und Brink-Hügel, Anger-Gemeindeplatz).
Manchmal muss der Laie aber auch die Experten fragen (Weimar-wih und mer-Wimeri 984-Heiliger See).
Über alle Zeiten: Ost- und Westeuropäer
Die Erkenntnisse der Archäologie aber reichen bei allen der eben genannten Beispiele viel weiter in die Vergangenheit zurück. Wieso? Weil die Bezeichnungen der ersten Germanen natürlich das beschrieben, was sie vorgefunden hatten. Und was haben die Leute da gesprochen? Hier wird es kompliziert: Die Sprachforschung kommt nämlich nicht immer zu den gleichen Ergebnissen wie die Archäologie und die wiederum verzettelt sich gerne in Details. Grundsätzlich aber scheinen sich trotz aller Kulturenvielfalt in Mitteleuropa seit der neolithischen Expansion zwei konträrere Kulturen und damit Sprachen aufeinandergetroffen zu sein. Was ich als erste West- und erste Ostbauern bezeichne, nennen Altgeschichtler Megalithkultur und Bandkeramiker bzw. später Glockenbecherkultur und Schnurkeramiker. Die Linguisten sprechen von Alteuropäern und Indogermanen, Genetiker von R1a- und R1b- Chromosomenträger, Alternativhistoriker wie bei Vanaland.de sagen Stein- und Waldleute. In meinem Post über die Ausbreitung der frühzeitlichen Westkulturen beschreibe ich die Bewegungen innerhalb dieser Dualität. Dort wird auch über die Ursachen der Wanderungen spekuliert. Für diesen Post hier aber sind nur die darin untersuchten Zeiten relevant: 
  • Ab 4500 v. Chr. muss sich der Rhein als diffuse Grenze zwischen den o.g. Gruppen entwickelt haben. Manche Historiker wie Marija Gimbutas sehen östlich erste indogermanische Referenzen.
  • Die östlichen Schnurkeramiker sollen ab 2800 v. Chr. bis zu dieser Flussgrenze vorgestoßen sein. Sie könnten die ersten indogermanischen Wurzelwörter mitgebracht haben (Siehe Beispiel Weimar). Ab 2600 v. Chr. überschreiten die westlichen alteuropäischen Glockenbecherleute den Rhein und siedeln in kulturdifferenter Nachbarschaft der „Ossis“.
  • Ab 2200 v. Chr. verschmolzen Teile der Becher- und der Schnurleute in Mitteleuropa zur Aunjetitzer Kultur.
  • Ab 1600 scheinen Indoeuropäer nach Griechenland und Anatolien vorgedrungen zu sein. Auch die Hügelgräberkultur in Mitteleuropa wird als verstärkter kultureller Druck aus dem Osten gewertet. Im Westen muss aber immer noch Alteuropäisch dominiert haben (Iberisch, Ligurisch, Baskisch).
  • Ab 1200 v. Chr. dringt Indoeuropäisch bis in den letzten westlichen Winkel des Kontinents vor. Die erste sog. Lautverschiebung schält die germanische Ursprache heraus (Bsp. altgriechisch Püs wird foot und später Fuß). Die heutigen Sprachen entstehen aus der Vermischung mit anderen alteuropäischen Dialekten (über griechisch, keltisch, italisch).
  • Ab 500 v. Chr. entwickelt sich daraus in der 2. Lautverschiebung Althochdeutsch (Bsp.: der germanische Stamm der Chatten entwickelt sich zu den Hessen. Chatti (ca. 100 n. Chr.) - Hatti - Hazzi -Hassi (um 700 n. Chr.) - Hessi (738 n. Chr.) - Hessen)
  • Ab der Zeiteinführung schreiben die Römer und ab 500 die Franken alles Wichtige auf, allerdings immer noch wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.
  • Ab 800 brachte die oft gewaltsame Christianisierung noch einmal einen extremen Schub in Sachen Flurbezeichnungen (Gottes-, Kirch-, Hexen-, Teufel-), auch mit Namen von Heiligen (Ottilie-, Michel-, Peter-)
  • Wahrscheinlich schon ab 500, sicher aber um 1000 spielt die fränkische Reichsverwaltung bei der Namensgebung eine wichtige Rolle (Franken-, Graf, Vogt-, Burg-, Warte-). 
  • Erst Luther gibt eine Orientierung für die Rechtschreibung auch bei Landschaftsbezeichnungen.
"Werra" - alteuropäisch, indogermanisch 
oder Slawisch?
Zu diesen Zeiten sind sich die Experten längst einig, sie werden aber in der Öffentlichkeit weitgehend ignoriert, dank medialer Oberflächlichkeit, der Deutungshoheit von Wikipedia und der Tatsache, dass lokale Geschichte den Heimatforschern überlassen werden muss. Die schreiben ihre Zahlen zu 99 Prozent irgendwo ab und kommen so nicht weiter als bis ins Frühmittelalter, bestenfalls in die Antike. Bei uns im Mittelgebirge liegt aber fast jeder Ort unterhalb seiner prähistorischen Gründungssiedlung, die oft auch an den Flurnamen erkennbar ist. Man muss nur rauskriegen, welchen Wurzeln und damit Zeiten sich die Namen zuordnen lassen: (Slawisch), Germanisch, Keltisch, oder Alteuropäisch. Das ist ziemlich kompliziert und so fanden sich auch überregionale Onomastiker und teils große Geister auf diesem Gebiet. Dazu zählen Altgermanist Grimm, Keltenmeister Obermüller oder der Rechtsetymologe Köbler. Das Problem nur: Jeder behauptet - sehr überzeugend - etwas anderes. 
"Leitenweg" auf der Höhe zum Schwarzensee
Beispiel: die tausendfach vorkommende „Leite“. Germanisten deuten sie als Führung, Keltisten als Abhang, Alteuropäer als Südwiese. Und das, obwohl das Wort immer im Zusammenhang mit Zuleitungen zu wasserscheidenden Höhenwegen steht (Hohlen, Trassen, Altstraßen, Triften).
Offiziell werden den Alteuropäern nach Wolfgang P. Schmid gar keine Namensrelikte mehr zugestanden, alles soll indoeuropäisch sein. Das Grabfeld um die Gleichberge herum ist aber nachweislich seit 7000 Jahren kontinuierlich besiedelt. Soll da nichts hängen geblieben sein? Einige Fachgelehrte sind auch der Meinung, Kelten und erste Germanen hätten kulturell fast nichts unterschieden, deutsche Dialekte wären angeblich erst im Frühmittelalter entstanden. Wer aber in Wald und Flur mit alten topografischen Karten unterwegs ist, erlebt in beiderlei Hinsicht eine ganz andere Realität:
1. Es dominieren bei aller Verschliffenheit stark die verständlichen germanischen Namen (Rode-Bewuchsfrei, Renn-schnell, Steig-Bergweg, Spahn-Spähen), nur wenige sind nicht ableitbar und könnten keltisch oder älter sein (Mainz, Jüchsen, Brix, Milz). Selten erscheinen die großen Flüsse und Siedlungsberge, die auch alteuropäisch einordenbar wären (Rhone, Geba, Marseille). Nur solche Namen konnten sich bis in unsere Zeit retten, wo Siedlungslücken nicht länger als eine Genration gedauert haben.
2. Flurnamen entstanden nie willkürlich: Sie zeigen die typische Namensvergabe von Invasoren und Einwanderern, die Vorgefundenes und Neues entsprechend ihren eigenen Erfahrungen nach dem absolut Besonderen bezeichnet haben. Die ersten Germanen müssen Befestigungen, Rodungen und Wege ihrer bronzezeitlichen und keltischen Vorfahren auch als solche bezeichnet haben (Elle-Strecke, Wein-Weg, Hain-Umhegung). „Alt“ bezeichnet also generell Objekte vor deren Einmarsch, wie wir wissen um die Zeitenwende herum.
3. Es findet sich meist ein direkter Bezug zwischen der Bedeutung des Flurnamens und dem Erscheinungsbild des Objektes in der Landschaft bzgl. Bodendeformationen oder Bewuchs (Warte-, Rode-, See-, Grub-)
4. Dort wo nicht, sollte nach germanischen Wurzeln gesucht werden (Hahn-Hoch, Culm -Höhe, Bleß-Bloß (ohne Bewuchs), Lauter-Rein, Betten-Beten, Rupp-Rau)
5. Völlig unbekannte Bezeichnungen können auch aus gleichlauten bekannten Beispielen hergeleitet werden. So finden sich oft frühzeitliche Artefakte auf Plätzen mit Namen wie Arz-, Arn-, Barch, , Haid-, Heun-, Simmer-, Harras (immer an Furten) und Hall- (immer mit Salzbezug).
6. Immer wieder tauchen gleiche Endungen oder Vorsilben zu fest umrissenen Zeiten auf und können verallgemeinert werden (Siehe weiter unten!)

Indogermanisches "keltisch" und was davon übrig blieb
Neueinsteiger in die Onomastik unterliegen gerne der Faszination keltischer Wörterbücher. „Neues vom Keltenerbe“ von Garhard Joachim Richter liest sich wie ein Krimi. Bis man merkt, dass dort immer wieder auf die gleichen Grundwörter von Wald, Wiese, Wasser Berge, groß und klein - natürlich in hunderten Variationen reflektiert wird. Da zweifelt selbst der Laie. In Thüringen wird gerne ein Übergewicht auf slawische Wurzeln gelegt. Obwohl historisch nur in ganz wenigen Dörfern die Zwangsansiedlung von wendischen (windischen) Kriegsgefangenen um 800 herum belegt ist, finden selbst angesehene Namensforscher unablässig Flurbezeichnungen auch westlich der bekannten Grenzlinie von Saale, Regnitz und Rednitz (Dolmar-Tolmarsdorf, Primäusel-Auengrund).
Da weiß man doch bei den deutschen Wurzeln woran man ist. Sie überwiegen in Wald und Flur und selbst die meisten unbekannten Worte lassen sich indogermanisch ableiten. Hier einige Zeitbezüge, wie ich sie bereits in anderen Posts beschrieben habe: 
  • Bronzezeitlich (vor 800 v. Chr.) Galgenhügel, Richtplatz, Tote Männer, (Körpergräber, die die ersten Germanen sich nicht anders erklären konnten)
  • Urnengräberkultur (nach 1200 v. Chr.): Aschenplatz, -berg, -hausen
  • Vorchristliche Kult- und Siedlungsplätze (vor 800): Heiligen-, Ehren-, Lohe-, Oel-, Weiß-, Heide-,Hege-, Wünsch-, Kirch- (christliche Vereinnahmung heidnischer Plätze)
  • Typische Höhenbefestigungen (meist zwischen 1200 und 50 v. Chr.) Heg-, Wall-, Platte-, Herren-, Stein-, Burg-, sogar Wart-, Wacht-, Schloss-, Staffel-, manche Onomatologen beziehen sogar Berg ein.
  • keltische Niederungssiedlungen (genutzt von 800-50 v. Chr.) Endungen -ar, -a, -les, lis, -los, -las, -ach, -idi
  • Alemannisch (von 50 vor bis 200 nach der Zeitenwende) Endungen -ing, -ung
  • Frühmittelalter (500-1000): Ritter-, Königs- Pfaffen-, Grafen-
  • Hermunduren (ab Zeitenwende bis 400 n. Chr.) Endungen -stätt, -städt, -stedt, etc.
  • Fränkisch (ab 400 unserer Zeit bis 800) Endungen -heim, -hausen, -Feld
  • Mittelalter (ab 800) Endung -bach, -dorf,
  • Spätmittelalter (ab 1.000) Endungen -rod, -roda, -reuth, -rieth, -schlag

Schloss Katzenberg - einst Berg der Schmiede?
Außerdem fallen dem Feldforscher die vielen Berge mit Tiernamen auf. Ross-, Ochsen- und Kuhberge liegen meist an Fernhöhenwegen und scheinen die bis in die Völkerwanderungszeit hinein notwendig großen Viehherden versorgt zu haben. Warum aber sollten germanische Siedler so viele Erhebungen nach Katzen, Hähnen, Hunden, Ziegen, Wölfen oder Widdern benennen? Das waren meist Einzeltiere und dazu nicht ortsgebunden. Auf all den so bezeichneten Höhen aber, auf denen auch archäologisch gegraben wurde, kamen frühzeitliche Relikte lange vor den Germanen zum Vorschein. Und so lassen sich einige auch deuten: Katz-Schmiede, Hahn- und Hund-Höhe (mehrere Hundsrück-Höhenwege). Bei anderen häufig auftretenden Flurnamen kann man nur spekulieren: Cam-, Döll-, Kickel-, Munich-, Vieret-.
Ohne sprachwissenschaftlich interessierte Heimatforscher geht da gar nichts. Nicht jeder kann da so fundiert forschen wie ehemals der Thüringer Verleger Erich Röth besonders für den Hainicher Dialekt („Mit der Sprache in die Steinzeit“, Verlag Rockenstuhl).
So muss es bei den lokalen Namensjägern zu folgenschweren Irrungen und Wirrungen kommen: In Dutzenden Orten mit Bern- (keltisch Kluft/niederdeutsch Brennen) wird nach einer der legendären Bernsteinstraßen gesucht. Tausende Kalte-Orte sollen eine niedrigere Temperatur als in der anders bezeichneten Nachbarschaft gehabt haben. Während man bei den Sachsen-Dörfern die Ansiedlung von Kriegsgefangenen zwischen 700 und 800 akzeptiert, wollen die meisten Historiker den Wendendörfern im östlichen Deutschland eine langlebige slawische Invasion andichten. In meiner Heimat Südthüringen vollzieht sich Flurnamenforschung nach folgendem Prinzip: Gottfriedsberg ist eben dem Gottfried sein Berg gewesen, der Hexenhügel war ein spätmittelalterlicher Ausguck, die Weinberge auf 500-Meter-Höhe hatten nichts mit Urwegen zu tun. Oder erzählen sie mal den ganzen Schweine-ortschaften bei uns oder in Franken, dass sie genau auf der Linie der Viehtreiber liegen, wo die Thüringer zwischen 531 und etwa 1058, jährlich jeweils 500 Schweine zu den fränkischen Herrschern in Würzburg treiben mussten. Geht gar nicht!
Kein Ort erhielt seinen Namen aus Jux und Tollerei
Dabei werden altgermanische Flur- und Ortsnamen gerade in Bezug zu frühzeitlichen Ereignissen wie Völkertriften lebendig. Während man bei Namensgleichen wie dem ägyptischen Karnak und dem französischen Carnac noch im Trüben fischen muss, wird es bei den nicht seltenen englisch anmutenden Ortsbeschreibungen deutlich: Queste-, Finne-, Hardt-, Way-, Middel-, Knock-, Painten, First- oder Artern machen Sinn, wenn man die indogermanische, sächsische und anglische Westwanderung in Rechnung stellt. Was nämlich alle Namen vereint, sind vorgermanische Siedlungsverdachtsplätze, Urwege und bronzezeitliche Gräber. Das trifft auch auf viele eigentlich anderslautende Begriffe wie Sand-, Schmücke-, Schul-, Singen-, Spiel- und Brenn- zu.

Fazit: Deutsch klingende Flur- und Ortsnamen sind der wichtigste Schlüssel bei der Untersuchung unserer Geschichte aus schriftloser Zeit. Oft beziehen sie sich auf vorgermanische Relikte. Manchmal gelingt sogar eine Datierung. Man muss sich ihnen nur wieder intensiver widmen! Dass gestandene Ortschronisten nach solchen Auflistungen hier ihre Heimat neu durchforsten, ist wohl nicht zu erwarten. Aber vielleicht können sie einigen Neueinsteigern helfen, typische Fehlinterpretationen bei der Erkundung ihrer Heimat zu vermeiden.