Freitag, 5. Juni 2020

Die Eiserne Hand – eine Ausspanne ? (Von Gastautor C.A.)

Die Eiserne Hand bei Altendammbach
In der Nähe der Altendambacher Höhe, auf der sich Landstraße, Forst- und Wanderwege treffen, kommt der Wanderer oder Mountainbiker  auf seinem Weg in Richtung  Fischbach- Schleusingen an einem mehrarmigen Wegweiser vorbei, an dem auf einem schmalen Betonsockel eine aus Eisen gegossene Hand in den Himmel zeigt. Ein weiterer Wegweiser?  Ein Denkmal?
Es gibt  in den Ortschaften der Umgebung wohl kaum einen Alteingesessenen, der die „Eiserne Hand“ sowie das so bezeichnete Waldgebiet da oben nicht kennt und sicher auch manche Geschichte dazu gehört hat; aber  keiner kann so richtig erklären, was es mit diesem rätselhaften Ort und seinem nicht gerade alltäglichen Kennzeichen  auf sich hat.  -  Und so gibt es dazu  immer wieder Anfragen.
Zwar wird in  Hut- und Forstakten aus der Zeit um 1700  öfters der Flurort „Eiserne Hand“ genannt, ohne jedoch einen näheren Hinweis auf die Namensgebung  zu vermitteln. Manche Autoren meinen, an dieser Stelle habe einstmals lediglich ein eiserner Wegweiser in Form einer Hand gestanden, weshalb neuerdings dort wieder ein Pfahl mit dem Abguss einer Hand aufgestellt wurde.Vor allem im süddeutschen Raum kommt der Name „Eiserne Hand“  oft an Höhenübergängen vor, wo in früherer Zeit Rast gemacht wurde und Zug- und Tragtiere gewechselt werden konnten, also eine Ausspanne vorhanden war.Vielfach kommt der Name „Eiserne Hand auch im Taunus an Paßhöhen vor und auch am Westhang des Kreuzberges(1) in der Rhön, dessen Gipfelfläche von einem keltischen Ringwall umschlossen wird, gibt es nahe dem Guckas- Pass einen Flurort, der „Eiserne Hand genannt wird. Ja, sogar ein   Bahnhof der Nassauischen - Touristik - Eisenbahn heißt  „Eiserne Hand“ Es ist deshalb kaum möglich, dass überall dort, an den genanten Stellen – es könnten noch  viele andere aufgezählt werden - Wegweiser in Form einer eisernen Hand gestanden haben könnten. Allerdings wird auch im Internet der  historische Ausdruck bzw. Flurname „Eiserne Hand“ als die Stelle bezeichnet, wo in der Regel ein eiserner Wegweiser stand.
Eine einleuchtende  Deutung für den Flur- bzw. Forstnamen „Eiserne Hand“ findet sich meiner Kenntnis nach  nur in einem Manuskript, das die Autorengemeinschaft Chronik Suhl e.V., als historisches Stichwort  aus vor urkundlicher und früher Zeit  erarbeitet hat und das bisher  kaum publiziert worden ist.
Demnach ist möglicherweise die Bezeichnung „Eiserne Hand“ im Zusammenhang mit  dem keltischen Sprachrelikt aithean- anned zu sehen, was Bergwohnung, Berghaus bedeutet. Daraus konnte dann, als der Ausdruck nicht mehr verstanden wurde, in der deutschen Sprache  „Eiserne Hand“ werden.
Ein solcher Höhenübergang  soll  auch die  „Eisernen Hand“  bei Altendambach gewesen sein.  Alles spricht dafür, dass hier die alten und frühen, mühsamen Aufstiege der Höhenwege aus dem Werratal endeten,  hier wurden Ochsen, Maultiere oder Pferde gewechselt, bevor es wieder bergab  nach Suhl ging, um dann über die Suhler Leube  den Rennsteig  zu bezwingen. Für den Abstieg der weiteren Fahrroute nach Suhl  benutzte man den langen Rücken des Steingebössel und anschließend den Friedberg, um die Haselfurt am Kunigundenhügel zu erreichen.  Auf dem Pfütschberg traf sie dabei zum zweiten Mal auf einen Flurort mit Namen „Eiserne Hand“, wo noch bis  in die erste Hälfte des 20. Jh. Wirtschaftsgebäude Neundorfer Bauern standen.  Teilweise haben sich die  Wegespuren auf der gesamten Strecke erhalten und können als tiefe Fahrrinnen und Hohlwege verfolgt werden. 
Altstraße von Schleusingen nach Suhl
mit mehreren Abzweigen
Der an der „Eisernen Hand“ schmale Bergrücken erweckt den Eindruck, künstlich eingeebnet worden zu sein, wozu stellenweise Spuren einer früheren Erdwallabgrenzung erkennbar sind. Unweit östlich, am Nordabhang des Donnersberges, deuten etliche Feldraine unverkennbar auf ehemaligen Feldbau hin, der hier oben nur von einem nahegelegenen Gehöft ausgegangen sein kann. Dieses könnte am Ort der vorerwähnten Einebnung gestanden haben und als Ausspanne genutzt worden sein. Nahe dieser Hofstelle gab es früher auch eine Quelle, die jedoch trocken gefallen ist.
Soweit die Suhler Autoren, deren Text hier frei  wiedergegeben wurde. Obwohl sie die meisten ihrer Ausführungen mit einem  Fragezeichen versehen, sind sie gegenüber anderen Geschichten um die Eiserne Hand schlüssig nachzuvollziehen. Dazu muss man jedoch auch die alten Wegeverhältnisse etwas näher betrachten, die dort hinauf führen.
In alter Zeit waren Rhön, Thüringer Wald und Schiefergebirge für den Durchgangsverkehr gewaltige Hindernisse, und doch fanden die Menschen Möglichkeiten die Gebirge schon in  frühgeschichtlicher Zeit, spätestens aber im frühen Mittelalter zu  überwinden.  Sie wurden anfangs umgangen, später auf einem  Pass  überquert. Für den Thüringer Wald mit  Schiefergebirge gab es mehrere Sattelpässe. Einer davon der „Oberhofer Pass“.
Als vor ca. 3000 Jahren der Wagen in unseren Breiten für den Warentransport und Fernhandel in Gebrauch kam und damit der Warenaustausch zwischen den besiedelten Regionen ständig größer wurde, nahm die Zahl der Fuhrleute sehr schnell  zu und damit auch die Zahl der Ausspannen an den Höhenübergängen, die den Handelskarawanen neue Gespanne bereithielten.
Wie diese Wege über die Gebirge damals beschaffen waren, können wir uns im Zeitalter von Autobahnen, Asphaltstraßen und Eisenbahnen  kaum noch  vorstellen. Hatten die römischen Straßen schon eine Mindestbreite und waren meist befestigt, waren keltische und germanische Wege reine Naturpfade. So konnten sich in den engen Passstraßen die Fuhrwerke nicht ausweichen und mussten am Vormittag in einer Richtung, am Nachmittag in der Gegenrichtung befahren werden. Bergauf kamen die Frachtwagen  trotz Vorspann auf den unbefestigten, steilen Gebirgswegen nur sehr langsam voran, blieben nicht selten wegen Rad- oder Achsenbruch liegen oder in einem Sumpfloch stecken.
5000 Jahre das gleiche Transportprinzip
Schon sehr früh hatte sich die  eingangs erwähnte,   mit Wagen befahrbare Wegtrasse über die Suhler Leube, als Urweg zwischen dem Maingebiet (Würzburg) und dem seit undenklichen Zeiten besiedelten Thüringer Becken (Erfurt) herausgebildet. Solche frühen Wege  führten grundsätzlich und ungeachtet der Steigungen oder Gefälle  über die Höhenrücken, um die versumpften Täler zu meiden. Flüsse wurden an einer Furt durchfahren. Über Königshofen kommend, streifte diese Wegtrasse den Fuß  der beiden Gleichberge,  durchzog, über Trostadt- Schleusingen  den Raum um Suhl, bevor sie zum Gebirgskamm emporstieg und beim heutigen Oberhof diesen durchquerte. In Schleusingen markiert sich am Kohlberg(2) der Aufstieg dieser alten Wegroute, die auf der Höhe zur „Eisernen Hand“ und nach Suhl führt und allgemein nach ihrem Anfang die „Kohlbergstraße“ genannt wird.  Schon die   Kelten haben diesen Fernweg benutzt, die in der Latènezeit  (5.- 1. Jh v. Chr.) im Gleichberggebiet ansässig waren. Er wird 1259  erstmals schriftlich erwähnt und besonders im 15. Jh. sehr stark befahren.  Das geht aus einer Geleitstafel hervor, die 1505 für den Oberen Hof (Oberhof) erlassen wurde.    Es scheint aber, so lesen wir bei Dr. Günter Wölfing, dass die später als „Weinstraße“ bezeichnete Trasse bereits um 1700 vor unserer Zeit durch eine Fundkette von Steingeräten aus jener Zeit belegt werden kann.“
Wege über den Rennsteig: Siehe gleichnamiger 
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Weil die Fuhrleute immer wieder versuchten kürzere und leichtere Aufstiege in die Berge zu finden, führten, über Trostadt-  Kloster Veßra- Neuhof mindestens zwei Fahrwege auch über den  Rote Haak zwischen Ahlstädt und Gethles in Richtung Altendambacher Höhe. Nach der Werrafurt bei Trostadt markiert sich eine weitere Route durch mehrere tief ausgeschnittene Hohlwege über Ehrenberg zur Schleusefurt bei Zollbrück, die  dann nördlich der Schleuse über das Schmidtsrod und den Kuhberg  den Raum Gethles erreicht. Ab hier windet sich ein stark eingetieftes Hohlwegbündel zum Rote Haak, wo alle Wege nach einer letzten Steigung durch einen langen Hohlweg (der Altendambacher Höll) die „Eiserne Hand“ nahe dem Donnersberg erreichen.   
Eine weitere uralte Heerstraße und Rennsteigquerung gab es mit der Waldstraße von Erfurt über die späteren Ansiedlungen Ilmenau - Frauenwald – Schleusingen, für die nach 1332 der Name „Frauenstraße“ üblich wurde und die viel Historisches erlebt hat. Nicht nur der angelsächsische Missionar Bonifatius ist hier entlang gekommen,  sondern auch die meisten  kriegerischen Truppenbewegungen  in alter Zeit vollzogen sich  auf diesem Weg. In Schleusingen  traf er auf die oben beschriebene  „Wein- oder Leubenstraße“ins Maingebiet und  über die „Eiserne Hand“ nach Suhl.
Bischofrod unterhalb der Eisernen Hand

Lange vor dem 30-jährigen Krieg,  als die Wege   teilweise befestigt und   in die Täler verlegt wurden, bevorzugte man dann schon den kürzeren Weg  aus dem Werratal  (Themar)  nach Suhl über Lengfeld- Eichenberg oder Lengfeld- Keulrod. Der Übergang ins Dreisbachtal war die Rückbreche am Schneeberg. Noch heute sind am Nord- und Südhang der Rückbreche eingetiefte Hohlwege erkennbar. Sie zeugen vom regen Wagenverkehr auf dieser Strecke zur damaligen Zeit.  War ein Weg zu tief ausgefahren, legte man daneben einen anderen an. Auch Isolani mit seinen Kroaten hat ihn von Themar nach Suhl benutzt, als er am 16. Oktober 1634 Herzog  Bernhardt von Sachsen- Weimar verfolgte, um ihn zu fangen und an den Kaiser auszuliefern. Als Bernhardt im dichten Oberhofer Wald entkommen konnte, ließ Isolani aus Wut Suhl an allen Ecken anzünden. Auf dem Rückweg nach Themar wurden die Dörfchen Dreisbach (heute Wüstung) und Keulrod eingeäschert. In Themar kam es zu der verheerenden St.-Gallus- Nacht.  Das steinerne Kroatenkreuz südwestlich des Sommerbergs an der Rückbreche soll an diese Ereignisse erinnern.
Der Verkehr von Themar nach Suhl wurde aber nicht nur über die Rückbreche abgewickelt. Von Keulrod aus führte auch ein  Weg   am Donnersberger Rücken entlang durch die Altendambacher Hohle zur „Eisernen Hand“, um hier auf die Straße von Schleusingen nach Suhl zu treffen.  Zu bemerken ist außerdem, dass die  in diesem Beitrag genannten Ortschaften und Straßennamen meist jünger sind als die Wege selbst. Viele sind längst aufgegeben, vergessen und bewachsen, andere wurden für  die Landwirtschaft, Holzabfuhr oder den öffentlichen Verkehr ausgebaut und befestigt.
Altendambach nordwestlich der Eisernen Hand

Das  von der Gemeinde Altendambach und der Forstverwaltung aufgestellte Kennzeichen  in Form einer eiserne Hand  ist jedenfalls kein Wegweiser, sondern markiert den heutigen Forstort  mit einer historischen Vergangenheit. Allerdings gibt es zu dieser Vergangenheit keine  Urkunden oder schriftliche Aufzeichnungen. Es sind deshalb  keine näheren und zeitlichen Angaben zur „Eisernen Hand“  möglich und damit könnte das dortige Gehöft schon vor der Erfassungszeit  derartiger Berghöfe aufgegeben worden sein. Es sind verwehte Spuren, auf denen wir uns bewegen und es versteht sich von selbst, dass alte Spuren allein das Dunkel der Geschichte  nicht restlos aufhellen können. Das Fehlen von schriftlichen Zeugnissen erklärt sicher auch, warum  die  Suhler Chronisten bei ihren Ausführungen zum Thema, meist  nur  Vermutungen  aufgeschrieben haben.
Es mag deshalb als eine  vermessene Gedankenspielerei erscheinen, aber:

Die Zahl der Wege, die  die „Eiserne Hand“ kreuzen oder kreuzten, lässt den Schluss zu, dass der   Bauernhof,  den es auf Grund der Bodenmerkmale mit großer Wahrscheinlichkeit in  früher Zeit da oben gab, tatsächlich  ein Rasthof mit Ausspanne war.
Die Eiserne Hand (rot) am wasserscheidenden Höhenweg
von Schleusingen nach Suhl
Denkbar und naheliegend ist, dass irgendwann  Rasthäuser und Ausspannen an Höhenübergängen - ähnlich einem Wirtshausschild - mit einer eisernen Hand  auf einem Pfahl gekennzeichnet wurden. Die erhobene flache Hand zeigte die Friedfertigkeit an und forderte die Fuhrleute auf, Rast einzulegen und das Gespann zu wechseln. Nicht selten waren ja einsam im Wald gelegene „Herbergen“ die reinsten Räuberhöhlen und so mancher Handelsmann wurde dort seine Frachtgüter samt Wagen los. Wer kennt nicht das Wirtshaus im Spessart ?
  Alle Fakten zusammengefügt  und das Ganze zu Ende gedacht ist man  geneigt zu behaupten, dass es eigentlich um die „Eiserne Hand“ bei Altendambach keine Geheimnisse oder Rätsel  gibt.
Es könnte dann so gewesen sein, dass mit den Straßen über die Rückbreche und  von Schleusingen nach Suhl, über Erlau- Hirschbach, die Ausspanne bei Altendambach an Bedeutung verlor. Die Fuhrleute mit ihren Pferdeknechten und  Frachtwagen blieben aus.  Der Hof wurde schließlich in der Waldeinsamkeit nicht mehr gebraucht und ist aufgegeben worden;  die  bäuerliche Kulturlandschaft hatte sich bald der Wald zurückerobert.
Somit könnten auch alle mysteriösen Geschichten als Legenden abgetan werden,  die im Laufe der Zeit um dieses Areal entstanden und auch heute noch in Umlauf sind. Aber wen schaudert es nicht bei der Erzählung, dass dort im 30-jährigen Krieg einem kaiserlichen Obristen die Hand abgeschlagen wurde, weil er sich weigerte Themar plündern und einäschern zu lassen. Es gibt noch einige andere Gruselgeschichten.
Ansonsten bleibt für viele  Menschen das großflächige und schöne  Waldgebiet um die „Altendambacher Höhe“ und speziell der „Eisernen Hand“ ein beliebtes Ziel für Ausflüge und Wanderungen.  Sie bieten die  Möglichkeit  Orte und Wege kennenzulernen, auf denen sich historische Vorgänge abgespielt haben. Dabei kann jeder Interessierte selbst darüber nachdenken, wie es in ferner Vergangenheit wohl gewesen sein könnte.
Das früher nicht so massive Kennzeichen  musste im Laufe der Zeit auch immer mal wieder erneuert werden, weil dieser oder jener  Zeitgenosse es zerstörte oder mitgenommen hat. Eine überdachte Sitzgruppe lädt heute den Vorbeikommenden  zum Verweilen ein. Es fehlt leider eine Informationstafel mit einer Beschreibung dieser markanten Örtlichkeit.

Anmerkungen:
(1) Der  keltische „Asenberg“ erhielt seinen  heutigen Namen „Kreuzberg“ erst nach der Christianisierung der dortigen Region. Vermutlich umschloss  der Ringwall auf dem Gipfel einen heidnischen Kultort, der für die Kirche Anlass zur Errichtung einer christlichen Kapelle und späteren Klosters bildete.
(2) Der Name Kohlberg hat nichts mit Kohl oder Kohle zu tun, wie das in der Literatur oft behauptet wird. Der Name kommt tatsächlich aus dem keltischen oder vordeutschen „col, colg“ was „steiler Aufstieg, Steige, Abhang bedeutet.

Quellen:
Autorengemeinschaft Chronik Suhl e.V.
Sammlung v. .G. Heß

Dieser Beitrag wurde in den „Schleusinger Blätter“ Ausgabe 9/2012 in gekürzter Form veröffentlicht.

Einwurf des Blog-Redakteurs:
Flurnamen mit Hand gibt es mehrere Dutzend im deutschsprachigen Raum. Allen ist gemeinsam, dass sie auf einer wasserscheidenden Altstraße und an einer Wegekreuzung mit fünf Abzweigungen (5 Finger einer Hand) liegen. H.K.

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