Montag, 9. Januar 2017

Die Provinzialstraße Gotha-Schleusingen-Koburg (von C.A.)

Gotha
1830 entstand die Staats-Straße von Gotha über Zella-Mehlis-Suhl-Schleusingen-Koburg. Sie wurde eine der Hauptdurchgangsstraßen, die durch den ehemaligen Kreis Schleusingen führt. Welche große Bedeutung der Bau dieser Straße damals für den Kreis Schleusingen, besonders für das Gewerbe hatte, ist heute wohl kaum noch nachzuvollziehen. Denken wir uns aber Eisenbahnen und andere schnelle Verkehrsmittel unserer Zeit weg und versetzen wir uns in jene Zeit, in der sich aller Verkehr mit Fuhrwerken auf den Landstraßen abspielte, kann man sich den Zustand dieser Fahrwege leicht vorstellen, es waren bessere Feldwege. Zudem führten sie meist auf den Bergrücken entlang und um z. B. aus dem Werratal über den Thüringer Wald nach Gotha oder Erfurt zu kommen, quälten sich die Fuhrwerke über steile Anstiege oder Abfahrten, teilweise durch tiefe Hohlwege. Solche Wege mit einem Übergang (Pass) am Rennsteig, gab es von Eisenach bis Blankenstein viele. Auch in unserer Nähe führten sog. Urwege vorbei wie die bekannte Route von Themar (aus Würzburg kommend) über Lengfeld, Keulrod, Rückbreche, Dreisbach oder Eiserne Hand, nach Suhl zum Oberhofer Pass. Andere Wege gab es von Grimmelshausen, Veßra über Neuhof oder Zollbrück Gethles zum Roten Haak und weiter zur Eisernen Hand – Suhl.
Schleusingen
Ein uralter Handelsweg führte - auch von Würzburg kommend - in Schleusingen zum Kohlberg hinauf und weiter über die Eiserne Hand nach Suhl. Bekannt auch die uralte Heerstraße über Frauenwald, Ilmenau, nach Erfurt. Es dauerte lange bis eine Wagenkolonne über das Gebirge kam. Radbrüche, oder trotz Vorspann in einem Sumpfloch liegen gebliebene Fuhrwerke behinderten den Verkehr, was aber ganz normal war. Belastungen gab es für die Einwohner der Ortschaften, die in der Nähe lagen. Sie hatten durch Hand- und Spannfron Teilstrecken dieser Wege in Ordnung zu halten.
Unter solchen Umständen ist es begreiflich, dass der Wunsch nach einer ordentlichen und befestigten (chaussierten) Durchgangsstraße immer lauter wurde. Die Freude war schließlich groß, als im Jahr 1820 mit dem Bau einer solchen Straße ernst gemacht wurde.
Coburg
Vorausgegangen war ein Staatsvertrag zwischen den Kleinstaaten Preußen und dem Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha. Er sah vor, dass die Kunststraße von Gotha aus über Zella St. Blasii gehen sollte, wo sie sich in zwei Arme teilte. Einen über Benshausen nach Meiningen, den anderen über Suhl-Schleusingen nach Hildburghausen und Coburg.
Im Winter 1929/30 wurden bei grimmiger Kälte die Arbeiten begonnen und als das Frühjahr kam, war die Linienführung der neuen Kunststraße festgelegt. Verärgert waren nun die Einwohner, deren Felder und Wiesen durch die Straßenführung beeinträchtigt wurden. Offenbar versuchte der eine oder andere, heimlich eine für sie günstige Korrektur vorzunehmen. Am 20. März wurde entlang der Streckenführung eine Bekanntmachung veröffentlicht. Darin wird erklärt: „ Die Signalstangen und Pfähle müssen unverrückt stehen bleiben, und wird jedermann gewarnt; bei nachdrücklichster Strafe, sich daran nicht zu vergreifen.“ Die widerspenstigen Feldbesitzer und Grundeigentümer hatten sich jedoch bald mit dem Straßenbau versöhnt.
Suhl
In Suhl versuchte man durchzusetzen, die Teilung der Straße in die Stadt zu verlegen und die Straße nach Meiningen von hier über über Heinrichs-Rohr zu führen Damit hatte Suhl aber keinen Erfolg.
Dafür bekamen die Behörden jedoch Schwierigkeiten, ausreichend und geeignete Arbeiter für den Straßenbau im Kreisgebiet zu finden. Die kamen dann aus Schlesien, wo in großer Zahl Arbeiter angeworben wurden. Damit erwuchsen vor allem der Stadt Suhl, wo die meisten eine Unterkunft fanden, neue Sorgen. Es waren unruhige Zeiten damals. In vielen Städten herrschte die Cholera und unter den auswärtigen Arbeitern waren auch viele Abenteurer und etliches lichtscheue Gesindel. Das Meldewesen der Stadt Suhl wurde deshalb energisch verschärft. Viele, die sich hier wegen dunkler Geschäfte aufhielten, gaben vor, beim Straßenbau beschäftigt zu sein. Die Hauseigentümer wurden deshalb verpflichtet, „keinen fremden Arbeiter bei dem Chausseebau länger als 24 Stunden, von seiner Ankunft an gerechnet, aufzunehmen und zu beherbergen, der nicht mit einer, von dem Königlichen Polizei- Major Herrn Pfeil eigenhändig unterzeichneten und mit dessen Geschäftssiegel abgestempelten gedruckten Arbeitskarte versehen ist.“ Als Strafe für Nichteinhaltung wurde den Hausbesitzern angedroht, „daß sie dergleichen Personen nöthigen Falls zu ernähren und die etwa deshalb verursacht werdenden Transportkosten in ihre Heimat zu bezahlen hätten.“
Der Straßenbau brachte natürlich Geld ins Land und von Ende 1829 bis Oktober 1830 sind mehr als 110 000 Taler an Löhnen ausbezahlt worden, von denen ein beträchtlicher Teil in Suhl und den anrainer Ortschaften geblieben ist. Das Teilstück von der Struth (Ortseingang Suhl) bis nach Schleusinegn war schon im Oktober 1830 fertig und wurde dem Verkehr übergeben. Im August 1831 war auch das Stück von Schleusingen bis zur Hildburghäuser Stadtgrenze fertiggestellt. Die Straße ist im Kreisgebiet 25,8 km lang; die Gesamtkosten betrugen 559.869,- Taler.
Typische Straßenszene im 19. Jhd.
Da es sich um eine Staatsstraße handelt, die vom Staat unterhalten wurde, glaubten die Gemeinden, auch die Last der Schneeräumung und Schneeabfuhr auf den Staat abwälzen zu können. Der Staat entschied anders. „Da die Wegschaffung eines durch ein Naturereignis entstandenen Hindernisses der Communication, eben so wie die Hilfeleistung bei Feuers- und Wassernoth, als allgemeine Unterthanenpflicht betrachtet werden muß. Es kann hierbei kein Unterschied machen, ob die Straße chaussiert oder nicht, indem durch die Chaussierung einer Straße jenes Naturereignis nicht herbeigeführt wird...“
Natürlich erhob der Staat auch ein Chausseegeld, das auf allen Preußischen Staats- Straßen einheitlich geregelt war. So mussten z. B. entrichten: Eine Extrapost, Kutschen und sonstige Fuhrwerke zum Fortschaffen von Personen, beladen oder unbeladen und für jedes Zugtier 1 Silbergroschen. Lastfuhrwerke für jedes Zugtier 1 bis 3 Silbergroschen. Für den Verkehr auf den Straßen galt auch damals bereits der Grundsatz: Auszuweichen ist nach rechts. Den Postkutschen musste auf deren Hornsignal jedermann ausweichen, bei Vermeidung einer Strafe von 5 bis 10 Thaler. Das Abladen von Dung und das Viehfüttern auf den Kunststraßen war strengstens verboten. Für den Handel, der ja für Suhl und Schleusingen seit jeher von Bedeutung war, war die Fertigstellung der Durchgangsstraße natürlich von größter Wichtigkeit und die hinter der Eröffnung der späteren Bahnlinien nicht zurückstand. Durch die Straße wurden beide Städte und andere Ortschaften an den Verkehr herangerückt und sie erhielten damit – damaligen Zeitverhältnissen entsprechend - eine bessere Verbindung zur großen weiten Welt. Nach Erfurt und Coburg verkehrten bis dahin wöchentlich zweimal eine Fahrpost, zu der nun eine wöchentlich zweimal verkehrende Schnellpost und eine ebenfalls wöchentlich zweimalige Reitpost kam.
Oberhofer Rondell
Als dauerndes sichtbares Symbol der Bedeutung dieses Straßenbaues errichtete der Herzog Ernst zu Sachsen-Coburg-Gotha bei Oberhof auf dem Rondell einen Gedenkstein, an dem wir alle schon einmal vorbeigefahren sind. Dieses Monument, das in den Himmelsrichtungen erbaut wurde, trägt folgende Inschriften: Auf der Nordwest-Seite: „Heil dem schaffenden Sinn, der zum freundlichen Garten die Wildnis umschuf, und der Natur Schrecken in Lieblichkeit kehrt.“ Auf der Nordost- Seite: „ ERRST Herzog zu Sachsen erbauet diese Straße zur Höhe des Gebirges, 2572 Par. Fuß, in den Jahren 1830 – 1832“. Auf der Südost- Seite: „ Wie sich die Straße so sicher und leicht zu den Höhen hinaufschwingt, Länder mit Ländern verknüpft, Handel und Künste belebt.“ Auf der Südwest- Seite: „Entworfen, geleitet und ausgeführt: Die Straße durch F.v. Wangenheim, Geh. Rath; F.v. Erffa, Rgierungsrat; R la Nicca, Ing. Capt; J.v. Plaenkner, Captaine; A. Heimberger, Chaussee-Insp; C. Rodemann, Ingenieur; A. Eberhard, Bauingenieur.“ Das Denkmal durch „G. Eberhard, Hofbmstr.“
Einer der bekanntesten der im Denkmal verzeichneten Persönlichkeiten war der Captaine, späterer Oberst von Plaenkner, an dessen Tätigkeit noch heute die am Südhang des Großen Beerberges gelegene „Plaenkners Aussicht“ erinnert. Ein Platz, der wegen seiner hervorragenden Aussicht von den Besuchern der Berge und Wälder sehr geschätzt wird. Während der Kriegswirren zu Beginn des 19. Jh. bewährte sich Plaenkner als tapferer Kämpe auf den verschiedensten Kriegsschauplätzen. Sein Amt als Oberbauleiter beim Straßenbau über den Thüringer Wald nach Coburg wird ihn zum begeisterten Erforscher dieses Gebietes gemacht haben. Er ist auch der erste, der eine Rennsteigreise im Zusammenhang unternommen hat, der aber auch als Begründer der modernen Rennsteigforschung gilt. Aus den knapp gehaltenen, aber zuverlässigen Angaben Plaenkners schöpften die späteren Forscher, ohne dass sie ihre Quelle nannten. Plaenkner beschränkte den eigentlichen Rennsteig auf die Strecke Förthaer Stein bis Rodacherbrunn und bezeichnete die Endstrecken bis Hörschel und Blankenstein als Fortsetzungen. Die Marschdauer berechnete er auf 43 ¼ Wegstunden. Als er 1848, während der Unruhen, ein Gothaer Bataillon auf den Erfurter Anger aufmarschieren ließ, erlitt er einen Schlaganfall. Er lebte noch 10 Jahre als schwer kranker Mann bis 1858.
Postkutsche
Im Zusammenhang mit dem Straßenbau soll hier auch noch ein weiterer Staatsvertrag erwähnt werden, der dem freien Handel einen gewissen Fortschritt und eine Erleichterung verschaffte. Am 11. Februar 1831 einigten sich Preußen und das Erzherzogtum Sachsen-Weimar, dass zwischen den Landkreisen Erfurt und Schleusingen ein freier gegenseitiger Verkehr zugelassen wurde. Er sah vor, „dass die von den beiderseitigen Untertanen in den Verkehr zu bringende Waren aller Art, wie die eigenen inländischen Waren zu behandeln, also ohne Zoll, zu befördern sind.“ Neben diesem lokalen Vertrag hatte der Straßenbau auch eine große Bedeutung für die politische Entwicklung Deutschlands, um die sich der damalige preußischer Finanzminister v. Motz verdient gemacht hat. Durch den Straßenbau-Vertrag zwischen Preußen und Gotha wurde die Gründung eines von verschiedenen mitteldeutsche Staaten (auch Thüringen) geplanter kleinstaatlicher „Mitteldeutscher Handelsverein“ vereitelt und eine Brücke zwischen dem Norden und Süden des Reiches geschlagen. Als Folge davon gründete sich nämlich der Deutsche Zollverein, der 1871 die Grundlage bildete für die Wiedererrichtung des geeinten Deutschen Reiches durch Bismarck. An dieser Entwicklung soll also die große Kunststraße Gotha – Zella – Suhl – Schleusingen – Coburg einen gewichtigen Anteil gehabt haben. Sicher nur wenn man um sechs Ecken denkt. Die Straße Gotha-Coburg wurde in den 1920-er Jahren asphaltiert. Damals sagte man sie wurde geteert. Bei der Nummerierung der Staatsstraßen bekam sie von Gotha bis Schleusingen die Nummer 247. Ab hier bis Coburg bekam sie die Nr. 4, die ab Schleusingen über Ilmenau nach Erfurt führte. Die Straße nach Coburg hat wohl nach der Grenzöffnung 1989 den größten Verkehr seiner Geschichte erlebt. Wochenlang schoben sich hunderttausende Fahrzeuge in Richtung Coburg, über die ehemalige Grenze in die Bundesrepublik und zurück. Nach dem Bau der Autobahn wurden die Straßen 2005 umgewidmet und zum Teil kommunalisiert. Die 247 von Gotha kommend endet jetzt schon in Suhl. Das Reststück bis Schleusingen ist eine Kreisstraße.

Quelle: Henneberger Heimatblätter 2/Febr. 193.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen