Montag, 13. Januar 2020

Bierfahrt nach Schleusingen von Gastautor C. A.

Schleusinger Gymnasiasten im Video über das 
Theaterstück "Bierfahrt nach Schleusingen"
Was geschah 1866 im Deutschen Krieg wirklich in Schleusingen?

Begeistert aufgenommen wurde von finnischen und deutschen Gästen im November 2000 die Uraufführung der „Bierfahrt nach Schleusingen“. Ein Schwank, den der finnische Nationaldichter Aleksis Kivi in dichterischer Freiheit geschrieben hatte, nachdem in einer Zeitung in Helsinki über den Krieg 1866 in Schleusingen berichtet worden war. Nachgedruckt hatte das Blatt einen humorvollen Bericht eines Schleusinger Zeitgenossen im „Mühlhäuser Anzeiger“. Er schilderte darin den ungeheueren Bierkonsum der Bayerischen Soldaten, als diese als Feinde für einige Tage in Schleusingen und im Kreisgebiet eingerückt waren und wie sie vor allem energisch „Krieg“ gegen den Bierpreis in Schleusingen führten. Auf Initiative unseres Bürgermeisters Klaus Brodführer wurde das Theaterstück ins Deutsche übersetzt, entsprechend bearbeitet und von Schülern des Gymnasiums mehrfach, auch in Finnland selbst, aufgeführt. Den meisten Einwohnern dürfte mittlerweile Aleksis Kivi und seine „Bierfahrt nach Schleusingen“ ein Begriff geworden sein.
Was sich im Deutschen Krieg 1866 in Schleusingen tatsächlich abgespielt hat, soll hier, mit einer einleitenden Übersicht über die Ursachen des Krieges und das Vorgehen der Preußen gegen die Staaten Hannover und Kurhessen, auf der Grundlage von Veröffentlichungen des Henneberger Geschichtsvereins nacherzählt werden.
Ausgangssituation im sog. Deutschen Krieg
Um Preußen die militärische und diplomatische Führung in Deutschlands zu sichern, legte Bismarck am 10. Juni 1866 den Regierungen der einzelnen deutschen Staaten, mit Ausnahme Österreichs, „Grundzüge einer neuen Bundesverfassung“ vor und forderte sie auf, nach Auflösung des alten Bundes einem neuen Bund mit Preußen beizutreten. Die Großmacht Österreich und die niederländischen Landesteile sollten ausgeschlossen werden. Österreich beantwortete das Vorgehen Preussens damit, daß es am 11. Juni die Mobilisierung des Bundesheeres gegen Preussen beantragte. Am 14. Juni beschloss die Bundesversammlung die Mobilmachung.
Unter den Staaten, die gegen Preussen gestimmt hatten, befanden sich, außer den süddeutschen, auch Sachsen, Hannover und Kurhessen. Preussen richtete an diese sowie an Nassau am 15. Juni die Aufforderung zur Neutralität, Demobilisierung und Zustimmung zur vorgelegten Bundesreform. Eine ablehnende Antwort wurde im Voraus als Kriegserklärung bezeichnet. Noch am gleichen Tag erfolgten ablehnende Antworten und der Krieg war da.
Preussen war nun gezwungen auf verschiedenen Kriegsschauplätzen Krieg zu führen. Dabei ging von Bayern her für den Kreis Schleusingen eine besondere Gefährdung aus. Zuständig für den militärischen Schutz unserer Region war der preussische General Vogel von Falkenstein mit Standort in Wetzlar. Ihm waren die Divisionen Göben und Beyer, zusammen etwa 36 000 Mann stark, untergeordnet. Zu ihnen sollte von Holstein her die etwa 14000 Mann zählende Division Manteuffel stoßen.
Schlachtenepos ohne Blut und Dreck
Um den Kampfplatz von Brandenburg und Berlin möglichst fern zu halten und die Verbindung zwischen dem Osten und Westen der Preußischen Monarchie nicht gefährden zu lassen, galt es vor allem die Staaten Hannover und Kurhessen unschädlich zu machen.
Während Manteuffel von Norden her in Hannover eindrang, rückte Falkenstein mit der Division Göben von Minden aus vor. Am 17. Juni zog er in Hannover ein, überrumpelte am 18. die kleine Festung Stade und war bereits am 22. Juni Herr des ganzen Landes mit Ausnahme von Göttingen, wohin die hannöverische Armee sich zurückgezogen hatte. Inzwischen war General Beyer am 16. Juni von Wetzlar mit 17 000 Mann aufgebrochen, war über Gießen und Marburg vorgedrungen und am 19. in Kassel eingerückt. Teile der kurhessischen Armee, bereits am 16. Juni mit der Bahn nach Fulda transportiert, ergaben sich nach kurzen Gefechten.
Die Preußen waren also mit großer Schnelligkeit und Tatkraft gegen Hannover und Kurhessen vorgegangen. Im Gegensatz dazu, hatten sich mit einiger Schwerfälligkeit am 17. Juni die feindlichen süddeutschen Truppen am Main, im unteren Franken und bei Frankfurt gesammelt.
Das von Bayern gestellte 7. Armeekorps befehligte Prinz Karl von Bayern, während das von Württemberg und Baden gebildete 8. Armeekorps, mit dem sich auch die hessen- darmstädtischen und nassauischen Truppen vereinigt hatten, unter dem Prinzen Alexander von Hessen stand.
Durch die Besetzung Kassels war der hannöverischen Armee, die 16 bis 18 000 Mann zählte, dazu eine gute und zahlreiche Reiterei und 52 Geschütze besaß, der Weg nach Süden verlegt. Sie mußte daher versuchen, auf anderem Wege nach Süddeutschland zu gelangen, um sich mit den Süddeutschen Truppen zu vereinen. Am 20. Juni versuchte sie sich über Gotha nach Bayern durchzuschlagen, überschritt am 21. Juni die preußische Grenze und zog über Heiligenstadt, Mühlhausen und Langensalza in die Gegend zwischen Eisenach und Gotha. Ein Staatsbeamter, ins bayerische Hauptquartier nach Bamberg geschickt, sollte die Bayern zu einem Entgegenrücken und einer schneller Hilfeleistung veranlassen, König Wilhelm von Preußen bot indessen Georg von Hannover am 25. Juni noch einmal ein Bündnis auf Grundlage der Bedingungen vom 15. Juni an, aber vergebens. So galt es für Preußen, zu dem noch die Coburgischen Truppen gestoßen waren, den Durchbruch der Hannoveraner nach Süden zu verhindern.
Jugendliche, die Gott sei Dank nie einen Krieg 
miterleben mussten
General Falkenstein, der von Hannover her mit den Divisionen Göben und Manteuffel den Hannoveranern gefolgt war, während General Beyer, von Kassel her auf Eisenach marschierte, sollte, nach einem von Berlin erhaltenen Befehl, bei Gotha die Bayern erwarten. Diese hatten es aber nicht eilig. Prinz Karl war der Meinung, die hannöverische Armee sei stark genug, sich selbst durchzuschlagen.
Am 27. Juni erhielt Falkenstein den telegr. Befehl die Hannoveraner unter allen Umständen anzugreifen. In seinem Auftrag führte General Flies diesen Befehl aus und warf mit 9000 Mann deren Vortruppen über Langensalza zurück Er wurde dann aber bei dem Versuch ihre Hauptstellung auf den Höhen von Merxleben zu stürmen, zum Rückzug gezwungen, da sich nun die ganze hannöverische Armee auf ihn warf. Schließlich waren dann aber 40 000 Preußen und Coburger um Langensalza zusammengezogen worden und diese hatten in kurzer Zeit die hannöverische Armee völlig eingekesselt. Wegen der gegnerischen Übermacht streckten die Hannoveraner schließlich die Waffen.
Die drohende Niederlage der hannöverischen Bundesgenossen hatte inzwischen die Bayern doch in Bewegung gesetzt. Diese versuchten nun über Meiningen- Eisenach und über Schleusingen- Suhl- Ohrdruf Hilfe zu bringen. Am Freitag, den 29. Juni, abends gegen 6 Uhr, rückten unvermutet bayerische Truppen von Hildburghausen und Themar her in Schleusingen ein, besetzten am folgenden Tage die Stadt Suhl und machten den ganzen südwestlichen Teil des Kreises Schleusingen zu ihrem Aufmarschgebiet.
Das bayerische Armeekorps, von dem gut die Hälfte im Kreisgebiet lag, während die andere Hälfte in das Werratal gezogen war, bestand, nach einem von bayerischen Offizieren in Wichtshausen zurückgelassenen Ausrück- Befehl, aus 144 Kompanien Infanterie, 20 Eskadrons Kavallerie und 66 Geschützen. Dazu gehörten: 6 Generale, 30 Stabsoffiziere, 512 Oberoffiziere, 1569 Unteroffiziere, 26914 Gefreite und Gemeine und 3619 Dienstpferde. Sie trafen auf keinen Widerstand; es waren keine preuß. Truppen in Schleusingen oder im Kreisgebiet.


Auch Erwachsenen spielen gerne das 
Schlachten von damals nach
Schon bei Beginn des Krieges hatte man die staatlichen Kassen in Schleusingen und Suhl, vor allem die Kreis- und Forstkasse, die Kreissparkasse, die Gymnasialkasse und den Kreiskommunalfonds, nach den Festungen Erfurt und Magdeburg in Sicherheit bringen lassen. Außerdem hatte sich am 29. Juni, nachdem die Bayern in Gerhardtsgereuth gesichtet worden waren, der Landrat, Dr. Herold, der ihm erteilten Instruktion gemäß, vor den feindlichen Truppen mit der Kreisgendarmerie nach Schmiedefeld begeben und versuchte von hier aus, unter Benutzung der Telegraphenstation in Ilmenau, den Chef des Großen Generalstabs, sowie das preuss. Hauptquartier zu Gotha und die Königliche Kommandantur in Erfurt von den Bewegungen des Feindes laufend in Kenntnis zu setzen.
Aber, schon am Abend des 30. Juni überbrachte dann ein hoher hannöverischer Offizier, der in Begleitung des österreichischen Gesandten für Hannover mit einer Extrapost angekommen war, dem bayerischen Stab in Schleusingen die Nachricht von der Kapitulation der Hannoveraner.
Sofort wurde der weitere bayerische Vormarsch in Richtung Suhl - Ohrdruf nach Gotha eingestellt und am nächsten Tag der Rückmarsch nach Themar, Meiningen und Mellrichstadt in so eiliger Weise angetreten, daß schon am Mittag des 2. Juli das preussische Gebiet vom Feinde frei war. - Soweit die uns hier interessierenden strategischen Abläufe.
Die Besetzung des Kreises vom 29. Juni abends bis zum 2. Juli vormittags, währte also nur kurze Zeit, doch war die Einquartierungslast äußerst drückend. Nachdem die Bürger Schleusingens bereits öfter durch falsche Nachrichten vom Anrücken feindlicher Truppen gegen die Stadt erschreckt worden waren, traf das Gefürchtete am 29. Juni schließlich doch ein. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich an diesem Tage nachmittags 4 Uhr in der Stadt plötzlich das Gerücht, die Bayern seien in Anmarsch und ständen nur noch eine Meile entfernt. Die sofort zur Erkundung ausgeschickten Gendarmen brachten die Bestätigung, dass sie bereits bei Gerhardtsgereuth lagerten. Schleunigst wurde der Posttelegraph noch zur Meldung der Schreckensbotschaft nach Erfurt und Gotha benutzt, dann aber von der Königlichen Postbehörde in Sicherheit gebracht.

Die Schleusinger Burg
Zwei Stunden später rückten die ersten Bayern in Schleusingen ein und in kurzer Zeit hatten etwa 1050 Mann die Stadt besetzt. Es waren folgende Truppenteile unter Generalmajor Graf von Ysenburg: Das 2. Bataillon des 1. Bayerischen Infanterie- Regiments König, eine Eskadron des 3. Chevaulegers-(1) Regiments Herzog Maximilian, ein Zug Artillerie mit 3 Geschützen und die Feldgendarmerie. Ihnen folgten unerwartet gegen Mitternacht noch 300 bis 350 Mann vom 1. Bayerischen Infanterie- Regiment König. Während die ersteren in Privathäusern einquartiert worden waren, wurden diese auf Kosten der Stadtkasse in den Sälen des Rathauses, des Gasthauses zum „Weißen Roß“ und des „Schießhauses“ untergebracht.
Am nächsten Morgen marschierten diese Einheiten nach Suhl weiter, nachdem sie vorher noch die Telegraphenleitung nach Suhl und Ilmenau- Erfurt durch Umhauen einer Anzahl Telegraphenstangen unterbrochen hatten. An ihrer Stelle rückten nun in Schleusingen ein:
Der Stab der 1. Bayerischen Infanterie- Division unter General Stephan, der Stab der Artillerie- Division, der Stab der 1. Infanterie- Brigade, das 1. und 2. Bataillon des 2. Infanterie- Regiments, ein Bataillon des Infanterie- Leibregiments, eine Batterie und die 1. Munitionsreserve der Artillerie- Division und je eine Eskadron des 1. und 2. Chevaulegers- Regiments. Ihre Gesamtzahl mochte ungefähr 2500 Mann betragen. Außerdem biwakierte in der Nähe der Stadt das 3. Jägerbataillon. Es mußte mit Getränken und Nahrungsmitteln aus Schleusingen versorgt werden. Ein Teil der Geschütze war auf einer Wiese rechts der Hildburghäuser Chaussee aufgefahren.
Als diese Truppen, auf die Nachricht von der Kapitulation der Hannoveraner bei Langensalza am Morgen des 1. Juli über Themar in Richtung Bayern abzogen, rückten an ihre Stelle aus der Gegend von Waldau kommend, das 2. und 3. Bataillon des Infanterie- Leibregiments, eine Eskadron des 3. Chevaulegers- Regiments und die 2. Zwölfpfünder Feldbatterie des 1. Artillerie- Regiments, zusammen etwa 1500 Mann, in Schleusingen ein. Ihr Aufenthalt dauerte jedoch auch nur bis zum nächsten Vormittag. Am 2. Juli marschierten sie mit den inzwischen von Suhl zurückgekommenen Truppen ebenfalls über Themar nach Bayern ab.
Der finnische Nationaldichter
Alexis Kivi
Das Verhalten der Mannschaften war im allgemeinen ein anständiges, bescheidenes und freundliches. Die Bayern waren besser als ihr Ruf und zeigten sich hocherfreut über die guten Quartiere, die sie bei den Preussen fanden. Es war nichts Ungewöhnliches, daß Offiziere und Mannschaften den Bürgern ihre Zufriedenheit und Dankbarkeit aussprachen; ja viele Offiziere gaben den Dienstboten ihrer Quartierwirte sogar Trinkgeld, - eine bei Einquartierung in Feindesland gewiß nicht alltägliche Gepflogenheit. Von einer kriegerischer Begeisterung war bei den Bayern sowieso nichts zu spüren und die militärische Haltung und Disziplin liess manches zu wünschen übrig. Ein Teil der Offiziere schwärmten durchaus nicht für Österreich, viele von ihnen äußerten geradezu unverhohlen ihre Sympathien für Preußen.
Anfänglich konnte deshalb die Bevölkerung mit dem Benehmen der einquartierten Mannschaften zufrieden sein. Sobald aber die Lebensmittel knapp wurden und den übermäßigen Forderungen an Brot und Fourage von den Ortsbehörden auch beim besten Willen nicht mehr entsprochen werden konnte, kam es hier und da zu Gewalttätigkeiten und unerlaubten Eingriffen in das Privateigentum der Bewohner. Außerdem fehlte es freilich auch in Schleusingen und einigen anderen Orten im Kreisgebiet nicht an einzelnen Roheiten und Bierskandalen, wie die Bayern sie im eigenen Lande gewohnt waren,

Grundlage der freien 
Übersetzung in Deutsche
Es war- wie eingangs bereits erwähnt- vor allem der Schleusinger Bierpreis, der den Unmut der Bayern hervorrief, gegen den „gekämpft“ wurde und der zu Ausschreitungen mehrfach Veranlassung gab. Kostete doch das Seidel Bier im Kreis Schleusingen 3 ½ Kreuzer = 1 Silbergroschen, während man in Bayern nur 3 Kreuzer bezahlen mußte. Waren die Wirte damit zufrieden, so bezahlten die Soldaten ohne weiteres das massenhaft getrunkene Bier. Nur solche Bierwirte, die sich den Abzug des halben Kreuzers nicht gefallen lassen wollten, nicht voll einschenkten oder mit den Neigen mantschten, bekamen den Zorn der bayerischen Besatzer zu spüren. Man machte kurzen Prozess , verzapfte das Bier selbst und zahlte gar nichts.
Eine schwere Ausschreitung ereignete sich am Abend des 1. Juli im Gasthof zum „Weißen Roß“. Dort gerieten die zechenden Soldaten in einen Streit mit dem Wirt, zertrümmerten dabei in der Gaststube Möbel, Fensterscheiben und anderes. Nur durch das Einschreiten des Bataillonskommandeurs und anderen Offizieren konnte die Ruhe und Ordnung schließlich wieder hergestellt werden.
In der Entschädugungsforderung des Gastwirts sind aufgeführt:
  • einen kleinen Wagen zerschlagen 6 Taler
  • 50 Stück Bierseidel mit und ohne Deckel und 12 Massgläser zerschlagen 8 Taler
  • 8 Stühle, 13 Fensterscheiben zerschlagen 6 Taler, 15 Sgr.
  • 1 Eimer Bier gestohlen 3 Taler
  • 3 Stück Obstbäume im Garten abgehauen 1 Taler, 15 Sgr.
  • 12 steinerne Milchtöpfe zerschlagen 2 Taler
  • 1 Wäscherolle zerhackt 6 Taler
  • in Summe: 33 Taler(2)
In der damals nur wenig über 3000 Einwohner zählenden Stadt sah es in diesen Tagen recht kriegerisch aus. War doch fast ebensoviel Militär wie Zivilbevölkerung vorhanden. Alle Häuser waren mit Einquartierung dicht besetzt. Ihre Verpflegung machte den Bürgern nicht wenig zu schaffen. Noch größere Nöte hatte freilich Bürgermeister Thielow, der, solange die Stadt besetzt war, weder bei Tage noch bei Nacht zur Ruhe kam. General Stephan, der Oberkommandierende, verlangte von ihm derartige Mengen Brot, Hafer, Heu, Stroh und dergl., daß die Stadt einschließlich der umliegenden Ortschaften auch beim besten Willen nicht imstande war, das Geforderte zu beschaffen. Das mochte der General wohl auch einsehen, denn trotz seiner anfänglichen Drohung: „Wenn das Geforderte nicht geliefert werde, übernehme er keine Verantwortung für die Folgen daraus,“ begnügte er sich schließlich mit dem, was eben aufgebracht werden konnte.
Der Scheusinger Marktplatz in jenen Jahren
Bald nach Einzug des Militärs wurde am Rande der Stadt von Feldwachen ein vermeintlicher „preußischer Spion“ aufgegriffen. Auf einem Schimmel reitend er von Schmiedefeld heruntergekommen. Da man ihn für einen preuß. Offizier hielt, wurde er nach reichlich übler Behandlung in die Stadt gebracht und von da weiter nach Meiningen ins bayerische Hauptquartier. Sein Schimmel wurde am 1. Juli als Kriegsbeute vom Leibregiment fortgeführt.
Später wurde bekannt, daß der vermeintliche „preuß. Offizier“ ein Reitknecht des Herzogs von Coburg gewesen war. Er befand sich auf dem Wege nach Schloß Callenberg.
Froh atmeten die Bürger auf, als die unbequemen Gäste mit Sack und Pack so plötzlich abzogen, wie sie gekommen waren. Auf dem Postgebäude wehte bald darauf wieder die preuß. Fahne. Eine Stunde nach Abmarsch der Bayern traf in Schleusingen die Siegesnachricht aus Böhmen ein.
Ein vielfaches Hoch auf die tapfere preuß. Armee und seine Majestät den König schallte durch Schleusingen. Am Abend brachten die Bewohner der Stadt ihren braven Bürgermeister, der so treu die Interessenten der Stadt vertreten hatte, eine kleine Ovation, indem sie unter Führung des Männergesangvereins ihm ein Ständchen brachten und vor seiner Wohnung mehrere Preußenlieder sangen.
In der Eile des Abzugs waren außer einem Feldtisch eine hellblaue Infanterie- und eine grüne Reithose von den Chevaulegers zurückgeblieben. Sie wurden eine Zeitlang im Rathaus zum Andenken an den „Bayerischen Bierfeldzug“ aufbewahrt.
Außer Schleusingen und Suhl waren noch folgende Ortschaften im Kreisgebiet besetzt: Ahlstädt, Altendambach, Benshausen, Bischofrod, Breitenbach, Dietzhausen, Dillstädt, Erlau, Gerhardtgereuth, Gethles, Heckengereuth, Hinternah, Hirschbach, Rittergut Keulrod, Kühndorf, Langenbach, Neuhof, Oberrod, Raasen mit St.-Kilian, Rappelsdorf, Ratscher, Rohr, Schönau, Schwarza, Kloster Veßra, Waldau und Wichtshausen.
In einigen der Dörfern gab es ähnliche Auseinandersetzungen um den Bierpreis, wurden Einrichtungen, Maßkrüge und Bierseidel zerschlagen.
Gethles um eines seiner Wirtshäuser
In Gethles schrieb der Lehrer nach Abzug der Bayern in die OrtschroniK: „Ende Juni, Anfang Juli 1866 waren für einige Tage die Baiern als Feinde hier im Dorfe, haben sich aber sehr gemütlich betragen. Merkwürdig war es, daß sie glaubten, Berlin könnte nicht mehr weit von hier sein, es müsse gleich hinter unseren Bergen liegen. Hieraus könnte man einen Schluß auf das Schulwesen in Baiern machen und in der That soll dasselbe dort noch gar sehr der Hebung bedürfen.“
An den Staatsstraßen hatten die Bayern folgende Beschädigungen verursacht: Auf der Zella- Mehlis - Hildburghäuser Chaussee waren 80 junge Bäume, größtenteils Eschen, abgehauen, die beiden Kreistafeln an der Struth und bei Gerhardtsgereuth waren zerstört, auf der Themarer- Schleusinger Chaussee waren 60 Fuß Schutzgeländer und teilweise auch Ständer abgebrochen worden.
Die Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli hatte den Feldzug für Preussen entschieden. Am 26. Juli wird der Vorfrieden von Nikolsburg abgeschlossen und der „Deutsche Krieg“ ist mit dem am 23. August unterzeichneten Friedensvertrag von Prag beendet. Das Ganze wirft ein letztes großes Schlaglicht auf die Uneinigkeit, das alte Erbübel der Deutschen.
Eine böse Kriegslast sahen noch die Stadt Suhl und einige andere Orte des Kreises Schleusingen in ihren Mauern einziehen: die Cholera. Sie verbreitete sich zum Glück nicht aus. Im Kreisgebiet wurden 90 Erkrankungen gezählt, es gab 41 Todesfälle.
Am 16. Juli 1866 veröffentlichte das „Henneberger Kreis- Blatt“ ein Rundschreiben des Landrats mit folgendem Wortlaut:
Die Schleusinger Burg im Video 
"Bierfahrt nach Schleusingen"
„Um den Schaden, welcher den Stadt- und Landgemeinden des Kreises Schleusingen durch den jüngst stattgefundenen feindlichen Einfall der bayerischen Truppen entstanden ist, ausgleichen zu können, werden alle Bewohner der Ortschaften, welche in der Zeit vom 28. Juni bis 3. Juli feindliche Einquartierung gehabt, oder Brot, Fleisch etc.,Heu, Hafer, Stroh, Klee etc., an jene Truppen haben abgeben müssen, oder sonst auf irgend eine Weise durch den Feind Schaden erlitten haben, hiermit aufgefordert, über die Zahl der einquartiert gewesenen Mannschaften resp. über den ihnen sonst entstandenen Schaden genau der Wahrheit entsprechenden Angaben innerhalb 8 Tagen beim Ortsschulzen zu machen. Die Ortsbehörden haben die angemeldeten Schäden nach Möglichkeit sorgfältig zu prüfen, zusammen zu stellen und bis zum 10. August dem Landrats- Amt einzureichen.“
Im Voraus benachrichtigt der Landrat den Oberpräsidenten v. Witzleben in Magdeburg, dass Maßnahmen zur Ermittlungen der Schäden eingeleitet wurden und teilt weiter mit, dass der Schaden, der durch den Einfall der Bayern verursacht wurde, den Betrag von 10 000 Talern nicht übersteigen wird. Er schreibt :
„Im Namen des meiner Verwaltung anvertrauten armen Kreis Schleusingen lege ich dem Herrn Oberpräsidenten schon jetzt die dringende Bitte ans Herz, für die möglichst vollständige Schadloshaltung der Gemeindemitglieder sich gnädigst auf das wärmste verwenden zu wollen..“
Am 27. August 1866 reicht der Landrat die Aufstellung der Kosten, die die bayerischen Truppen im Kreisgebiet verursacht hatten ein. Der Gesamtbetrag beläuft sich auf 12367 Taler, 18 Groschen , 6 Pfg.
Die Auszahlung lässt aber auf sich warten. Deshalb richtet der Landrat am 27. Februar 1867 eine Anfrage an die Kgl. Regierung in Erfurt in der es u.a. heißt:
„Infolge der schlechten Ernte im Jahre 1866 warten die Landwirte mit Schmerzen auf die Entschädigung. Auch macht es im Kreis Schleusingen einen sehr ungünstigen Eindruck, daß, während im Eisenachischen Oberland und im benachbarten Herzogtum Meiningen, die Kriegsschäden längst vergütet worden sind, von unserem Staate dagegen, der ja doch als Sieger sehr bedeutenden Kriegs- Kontributionen von den besiegten Staaten erhalten hat, der gleiche Schaden der diesseitigen Bewohner auch jetzt, nach einem Zeitraum von acht Monaten, immer noch nicht vergütet worden ist.“
Als Antwort traf am 7. März 1867 eine Verfügung der Regierung ein, der zufolge die eingereichte Aufstellung nach der in Preussen gültigen „Friedens- Einquartierungs- Entschädigungssätze“ neu aufgestellt werden sollte. Abermals verwandte sich der Landrat aufs kräftigste für die Forderungen des Kreises und schrieb an die Regierung:
Die Ergebnisse des Krieges von 1866
„Die preußische Regierung hat 30 Millionen Gulden Kriegskontribution von Bayern erhalten. Kann davon armen Bewohnern, die durch die bayerische Invasion geschädigt, nicht die Summe von etwa 12000 Talern sofort und in vollem Umfange gezahlt werden? Die armen Bewohner des Kreises halten es nicht für möglich, daß der preußische Staatsschatz solchergestalt gewissermaßen auf Kosten armer Staatsangehöriger bereichert werden soll. Die Magistrate zu Suhl und Schleusingen haben beschlossen, Höheren, ja Allerhöchsten Ortes gegen die Minister - Entscheidung vorstellig zu werden“.
Um eine weitere Verstimmungen der Ortsvorstände und Kreisbewohner zu vermeiden, vor allem aber zu zeigen wer das Sagen hat, sandte nunmehr der Herr Oberpräsident den Regierungs- Bureau- Hilfsarbeiter Lohmeyer zu Erfurt nach Schleusingen mit dem Auftrag, eine Überprüfung und Umarbeitung der Nachweisung über die den Bewohnern des Kreises entstandenen Kriegsschäden anzufertigen.
Erst am 8. Oktober 1867 kommt endlich über die Telegraphenstation der Post ein Telegramm der Regierung an das Landratsamt, dass das Geld zur Kriegsentschädigung angewiesen sei und zur Auszahlung gelangen könne.
Die rund 12367 Taler hatte Lohmeyer auf 8183 Taler, 7 Groschen und 1 Pfennig zusammengestrichen. Die Stadt Schleusingen hatte z.B. 3151 Taler, 4 Sgr. 11 Pf. gefordert, ausgezahlt wurden 1724 Taler, 20 Sgr. 3 Pfennige.
In Gethles forderten die Bewohner 60 Taler und 15 Groschen als Entschädigung, sie erhielten 25 Taler ausgezahlt. --


Anmerkungen:

1) Cheveaulegers - franz. Schwolescheh' = leichte Kavallerie, bestand im Bayerischen Heer bis 1918 mit 8 Regimentern. Im Volksmund „Schwalangschär“ genannt.

2) Drei Taler kostete zu dieser Zeit ein Mastschwein.

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