Mittwoch, 29. Januar 2020

Rennwege - überall Rennwege!

Rote Punkte: Renn-Orte, -wge
Populäre Trassen im urzeitlichen Straßennetz Europas

Der Altstraßenforscher trifft oft auf wiederkehrende Bezeichnungen: Renn-, Rain-, Run, -stiege, -wege, -steige, -täler, -orte nehmen mit ca. 200 Einträgen einen besonderen Umfang ein. Die Herkunft von Renn muss indogermanisch sein, also sicher nach 1200 v. Chr. aus dem Osten stammend, der sich über die Sachsen bis in englische „run“ und französische „cours“ entwickeln konnte. Über die Nutzung unseres Rennsteiges in Thüringen habe ich hier schon vor Jahren gepredigt (Siehe: Der Rennsteig als Urweg). Inzwischen gibt es erfreulicherweise auch einen Wikipedia-Artikel dazu. Dort wird er ebenfalls als frühester Verkehrsstrang interpretiert. Außerdem tauchen in dem Beitrag noch andere Mehrfachnennungen auf, wie Hell-, Deit-, Folk-, Haar- und Reuterwege. Auch sie sollen alte Handels- und Heerstraßen gewesen sein. Trägt man sie alle in eine Karte ein, entsteht zunächst ein Linienwirrwarr ohne jedes System. Die Wegerelikte scheinen sich über ganze Europa zu verteilen, nur stückchenweise durch Zufall erhalten. Fügt man jetzt der Karte noch die bekannten mittelalterlichen Altstraßen hinzu, so genau wie möglich, also Heidenstraße, Kupferstraße, Ortesweg usw., kommt Struktur in den Laden: Wir erkennen ein System von Trassen und Wegenetzen, das sich an Wasserscheiden-Höhenwegen orientiert, im Westen in Römerstraßen und im Osten in das mittelalterliche Altstraßensystem aufgeht.
Gleiche interaktive Karte mit Satelliten-Hintergrund

Wieder habe ich also nach meinen Reisen eine interaktive Karte bei Google-Maps veröffentlicht, die eigentlich selbsterklärend sein sollte. Für diejenigen Leser, die meine anderen Altstraßen-Posts nicht kennen, hier noch einen kurze Zusammenfassung der Erkenntnisse, die ich in den letzten Jahren gewonnen habe: Alte Verkehrsstränge sollten spätestens von der neolithischen Besiedlung bis ins Frühmittelalter nachweisbar sein. Sie scheinen prinzipiell in der sinnfälligen Verknüpfung wasserscheidender Höhenlinien bestanden zu haben. Das können die Kammwege der Mittelgebirge gewesen sein (Thüringer Wald, Rothaargebirge, Erzgebirgskamm) aber auch unscheinbare Höhenzüge im Flachland (spätere Kupfer- und Weinstraßen, Via Regia, Via Imperii). Alle 20 Kilometer, dem Tagespensum eines Ochsenkarrens, müssen außerdem strategische Versorgungs- und Sicherungsstationen errichtet worden sein, aus denen sich manchmal heutige Kommunen entwickelten (Winterberg, Oberhof, Neumarkt, Ulmen). Meist sind die Abstände geringer, weil über alle Zeiten neu gebaut wurde. Besonders augenfällig wird dieses Prinzip am Keltenerlebnisweg von Bad Windsheim nach Meiningen oder an der Heidenstraße von Köln nach Leipzig. Entsprechend den geografischen Gegebenheiten waren das natürlich oft nur Korridore, die die verschlungenen Launen der Natur durch Abkürzungen umgingen. Es gab auch immer mehrere Varianten, wie uns Hohlwege, Flussübergänge, Flurnamen verraten.
Rennweg am Katschenberg
Im Hochgebirge, wie den stark frequentierten Alpen, konnten natürlich nur die Talränder genutzt werden. Immer dort, wo die Kammwege die Wasserscheiden verließen und deshalb Flüsse queren mussten, entstanden an deren Sandbänken in Flusskurven die späteren Furten. Und nur dort! Die dienstleistungsintensiven Flussquerungen ließen die heutigen Dörfer und Städte entstehen, wie Straßfurt, Frankfurt, Dietfurth, aber auch Kassel, Leipzig und Dresden. Gerade die jeweils dort gefundenen neolithischen Ringgrabenanlagen deuten darauf hin, dass diese Zwangsführungen seit den ersten Siedlern bestanden haben müssen (Siehe Post-Schwerpunkt „Altstraßen“). Hinter (oder vor) diesen Furtniederlassungen ging es über Bergsporne oder trockenen Täler wieder zu den Wasserscheiden hinauf. Die späteren Vorspanndienste mit zusätzlichen Zugtieren für Trecks erkennt man an den hunderten „Ausspannen“ in Europa. Die meisten Altstraßenforscher ordnen die bis zu 20 Meter tiefen Hohlwege dem Mittelalter zu, obwohl viele von ihnen entgegen der bekannten Altstraßen verlaufen, z. B. parallel zu den Kammwegen. Alle archäologisch bekannten Befestigungen der Ur- und Frühzeit orientieren sich an diesen Linien. Selbst die Orte mit den ausgegrabenen Leitkulturen: Michelsberg-, Rössen, Wartberg-, Hallstatt-, La Tene.
Überall verbinden sich die Rennwege zu 
wasserscheidenden Kammwegen
Doch nun zur Rennweg-Karte: Wie üblich werde ich auf Einzelheiten hinweisen. In das Wegenetz habe ich neben den wichtigsten Wasserscheidenwegen einige logische Verknüpfungen und sinnfältige Abkürzungen eingefügt. Und siehe da: In dem so entstandenen Urwegenetz scheinen die alten „gemeinen Fernstraßen“, besonders aber die Rennwege und -orte wichtige Verteilerfunktionen zu übernehmen. 
Legende:
  • rote Linien: urzeitliche Fernwege entlang von Wasserscheiden, die meisten vergessen, viele aber auch urkundlich belegt und hier größtenteils in anderen Posts beschrieben (große Furten extra ausgewiesen)
  • lila Linien: bekannte Römer- und Altstraßen des Mittelalters, meist auf heutigen Trassen, deshalb nur nach durchzogenen Orten markiert (hierzu gehört auch die Route des Alfred von Stade, siehe weiter unten!)
  • orange Linien: logische Zwangsverbindungen bei Lücken im System, ebenfalls auf Höhenrücken, nachgewiesen an wegbegleitenden Relikten
  • pinke Linie: Europäische Hauptwasserscheide, die außer in den Hochgebirgen Pyrenäen, Alpen und Hohe Tatra, selbst ein urzeitlicher Höhenweg gewesen sein muss (Siehe entsprechender Post)
  • violette Linie: verwandte Deitwege
  • gelbe Linie: Reuterwege
  • grüne Linien: Hellwege
  • dicke rote Linie: die hier beispielhaft untersuchte prähistorische N-S-Kontinentalstraße „Rennweg“
  • roter Ikon: Rennweg-Namen, die anderen sind entsprechend ihrer Linie gefärbt
  •  blaue Ringe: archäologisch untersuchte Befestigungen (mit Zeitangabe) und solche, die nach den heute noch sichtbaren Bodendeformation oder Flurnamen als solche verdächtigt werden können (zeitlich hier nicht einordenbar, die Bezeichnung Schanze bezieht sich dabei auf Wälle oder künstlich versteilte Abhänge, oft mit alten Feldterrassen, wie sie seit frühbronzener Zeit typisch sind)
  • blaue Burg: frühmittelalterliche Befestigung, mutmaßlich über einer urzeitlichen Schanze erbaut
  • blauer Ikon: weitere Hinweise auf den Weg, wie Menhire, Kreuze oder beziehungsvolle Flurnamen
  • drei blaue Punkte: Altgräber (Neben bekannten Großstein- und Hügelgräbern auch Galgen-und Richtberge, Brand- und Ascheplätze, weil überall dort, wo man gegraben hat, diese entsprechend als Körper- oder Brandgräber enttarnt wurden)
Rennstieg im Hainich
Nun kann ich nur hoffen, dass Sie sich durch das entstandene Chaos nicht abschrecken lassen. Zoomen Sie einfach auf eine Gegend, die Ihnen bekannt vorkommt, und überprüfen Sie die Eintragungen. Rein technisch ist Google hier sowieso an seinen Grenzen der grafischen Beweglichkeit angekommen. Oft hilft bei der Orientierung den Hintergrund zu verändern.
Wegerelikte habe ich hier nur an solchen Strecken eingetragen, die ich bisher noch nicht in diesem Blog behandelt habe. Überall dort, wo Sie keine wegbegleitenden Ikons finden, muss es also bereits einen Post geben. Die alte Kupferstraße, der Keltenerlebnisweg, die prähistorische Oppida-Route durch Franken, die Hedenwege zwischen Würzburg und Gotha, die Via Claudia Augusta usw. usw. Neben den archäologisch untersuchten Orten fanden aber auch solche in die Karte Eingang, die durch Wall- und Schanzreste als Siedlungsverdachtsplätze in Erscheinung treten, bzw. durch Flurnamen, die anderenorts als eindeutiger Wegebezug erkannt wurden. Die hohe Konzentration solcher Artefakte besonders an Kreuzungen und ihre ständige Wiederkehr geben den hier eingezeichneten Strecken einige Sicherheit. Durch den Wegebezug erhalten plötzlich auch viele Städte- und Flurnamen endlich Sinn: Straß-burg, Laufen, Vils-eck, Eller-bruck usw. Die hohe Anzahl verweist auf die Bedeutung der Altstraßen bei der Herausbildung unserer heutigen urbanen Strukturen hin!
Rennweg in Wien
Die Karte offenbart so - weitab heutiger Kunststraßen - eine völlig neue Welt, in der sich aber damals das Leben zugetragen hat. Gleichwohl scheinen die dabei strategisch verknüpften Macht- und Wirtschaftszentren weitgehend mit den heutigen identisch zu sein. Wie kann das passieren?
Nun müssen viele dieser mittelalterlichen Wege nach den begleitenden archäologischen Funden bereits in frühester Zeit begangen worden sein. Das wird heute auch nur noch selten in Frage gestellt. Altwegeforscher suchen nach Urkunden und Hohlwegen, Archäologen nach Scherben und Knochen. Es geht aber auch anders, nämlich nach den Mustern der vergleichenden Archäologie: Nun habe ich hier schon so viele bekannte und unbekannte Urstraßen beschrieben, dass ich mir Details über die Gesetzmäßigkeiten ihres Verlaufs schenken möchte. Nur so viel: Das Prinzip war so lange zwingend, wie Waagen von Nutztieren gezogen wurden und die meisten Niederungen versumpft waren. Die alten Pfade mussten sich so immer an Wasserscheiden orientieren (Siehe: Vergessene Urstraßen durch Mitteldeutschland). Ihre sinnfällige Verknüpfung zwischen wirtschaftlich erfolgreichen Regionen entwickelten sich zu regelrechte Zwangstrassen, die notwendigen Flussfurten zu reichen Gemeinwesen. Die Wege und ihre begleitenden Sicherungsstationen (Siehe: Wo die nächsten archäologischen Funde gemacht werden) tragen sehr oft sich immer wiederholende diesbezügliche Flurnamen (Siehe: Flurnamen im archäologischen Vergleich). Ihre Wortverbindungen sagen uns wer da reiste: Römer- Hermes-, Königs-, Kaiser-, Karl-, Franken-, Herren- und Heere-; wo es genau lang ging: Leite-, Trift-, Hardt-, Furt-, Hohe- oder Hohle-; wann gereist wurde: Winter-, Sommer-, usw. Nördlich des Harzes zeigt sich deutlich, wie selbst noch im relativ trockenen Mittelalter die Straßen zwischen Magdeburg und Hildesheim immer wieder Wasserscheiden aufgriffen. Und die machen dort am Rand zur Norddeutschen Tiefebene wahrlich verrückte Zickzack-Linien. 

Neuhaus am Rennweg der eigentlich Rennsteig heißt
Der Rennweg von Norddeutschland nach Italien
Machen wir das Ganze an einem Beispiel fest. Als Thüringer nehme ich die Renn-Orte (roter Ikon). Wir erkennen zunächst deren Konzentrationen in Nordrhein-Westphalen, in Franken und in den Alpen. Logisch, denn bekannt sind uns ja die Wanderungen indogermanischer Sprecher von Nordost nach Süden und Westen. Man findet sie sowohl auf wasserscheidenden Höhen, oder als Zubringer zu ihnen in breiten Auen. Renntäler jedenfalls scheinen die absolute Ausnahme zu sein. Das ist übrigens ein weiter wichtiger Hinweis: Erst um Christi Geburt waren die Fernwege ja nach und nach in die Täler gewandert. 
Eine Renn-Trasse, die auch Furten in Anspruch nimmt, sticht in unserer Karte sofort hervor. Von der Nordsee bis nach Italien lassen sich mehrere entsprechend ausgerichtete Rennwege miteinander verbinden. 
  • Der Rennsteig im Leinebergland weit im Norden,
  • die Kreuzung mit der Verlängerung des Kyffhäuser Rennweges,
  • der Rennstieg im Hainich,
  • die Querung des Rennsteigs im Thüringer Wald,
  • er sog. Urrennsteig nach Breitungen runter,
  • das Renntal westlich Sulzfelds als Zuführung zu unserer Straße,
  • die Alternative Rennweg in den Haßbergen und
  • die Kreuzung mit dem Rennweg am Vogelherd, von Forchheim nach Würzburg, sowie
  • letztlich auch der Rennweg in Meerane hinter dem Alpenkamm.
Rennsteig im Leinebergland hoch im Norden
Hier sind wir auch auf der strategischen Wanderungsrichtung der indogermanischen Italiker und der Sueben nach Schwaben unterwegs. Handel mit Bernstein südlich der Alpen und Mittelmeermuscheln an Saale und Elbe sind ja bereits seit dem Neolithikum bekannt (Siehe Posts über Özi). Selbst im Mittelalter scheinen Teile dieser Strecke noch genutzt worden zu sein, besonders südlich von Donauwörth und in den Alpen (Römerstraßen). Dort allerdings konnten nicht Höhenrücken die Straßenführung übernehmen, sondern die höher gelegenen Talränder. Die Prinzipien des Reisens aber waren immer die gleichen. Der Abt Albert von Stade pilgerte 1236 von der Elbestadt ins päpstliche Rom (blaue Linie ab Stade). Er machte auf dem Hinweg einen großen Bogen durch Frankreich, auf der Rückreise nahm er die kürzeste Verbindung über den alpinen Brenner und - den Rennsteig zwischen Meiningen und Gotha. Er benutzte dabei vorrangig schon die auch heute noch gängigen Trassen in den Tälern. Die also müssen damals schon weitestgehend trockener und melioriert gewesen sein. Die Rennwege jedoch verliefen parallel der mittelalterlichen Stade-Route auf den benachbarten Höhenzügen. Sie müssen also älter sein. In Insbruck, Würzburg und im Thüringer Wald könnte der Abt sie aber tangiert haben. Auch die möglichen Alternativen für die Pilger damals strotzen nur so von alten Renn-Bezeichnungen: 
Wer dem Rennsteig im Thüringer Wald ein Stück nach Osten gefolgt wäre, käme am Rennweg in Nürnberg raus, wer die Via Claudia bei Schöngau verlassen hätte, wäre bald am Rennweg in Insbruck (Via Imperii). Kutscher, die die Nord-Süd-Schwarzwald-Route nutzten, hätten den Rennweg in den Strombergen gekreuzt, bevor sie am Rennweg in Freiburg im Breisgau herausgekommen wären oder am Rennweg in Basel. Weiter muss es dort über die Alpen gegangen sein, denn einen Endpunkt hat es für Reisende nie gegeben. Der Schwarzwaldkamm muss auch weiter zum Rennweg in Zürich und sicher weiter über den Septimerpass nach Mailand geführt haben. Wer hingegen ins Karpatenbecken oder nach Konstantinopel wollte, musste über Regensburg den Rennweg in Wien nehmen, respektive in den Balkan den Rennweg am Katschberg. Kann die sich so abzeichnende Struktur Zufall sein? Selbst wenn es die ganzen Warten, Wachen, Burgen, Schlossberge und Schanzen am Weg nicht gäbe, die Bezeichnungen als Rennweg durch ganz Europa macht ein strategisches System zwingend. Und: der wiederkehrende Name, sowie die Ausrichtung der Wege geben damit über weite Strecken den exakten Verlauf der Gesamtroute als Zwangsführung vor.
Rennweg in Zürisch
Typische Verästelungen besonders über den Thüringer Wald sind logisch. Wer die Strecke abgefahren ist, weiß: Er ist augenscheinlich das komplizierteste Stück auf der gesamten Kontinentalstrecke, auch gegenüber den Alpen (Siehe: Via Claudia Augusta und Ötzi im Blog!). Selbst die „quer“ verlaufende Donau scheint keine große Herausforderung für Pilger, Händler und Heere gewesen zu sein. Ihre Umfahrung über den Schwarzwald hätte ja zuvor die Furt über Main und Neckar erzwungen. So laufen nach einer Laune der Natur fast alle Wasserscheidenwege in nord-südlicher Richtung durch Franken bei Donauwörth und Regensburg zusammen. Dazu gab es an beiden Orten für die Querung günstige Sandbänke. Und, um das Wunder komplett zu machen: Die Höhenwege, die anschließend nach Süden führen, vereinigen sich nicht nur bei Augsburg, sondern sie führen über Füssen auch zum einfachsten und ältesten bekannten Alpenpass bei Reschen. Die Römer haben uns diesen Verkehrsweg in ihrem Einflussgebiet als Via Claudia Augusta hinterlassen (Siehe wieder entsprechender Artikel hier!). Sie waren aber bestimmt nicht die ersten, wie das keltische Oppidum Manching nahe legt.
Vachaer Stein am Rennsteig
Es scheint also jede Menge Verbindungen zwischen Skandinavien und dem Mittelmeer gegeben zu haben. Die Entscheidung, welcher genutzt werden sollte, musste vor - respektive hinter - dem Harz getroffen werden. Dieses Haufengebirge konnte im Gegensatz zu den anderen „Querriegeln“ nach Süden (Thüringer Wald, Alpen) einfach umfahren werden. (Wem das jetzt zu verworren scheint, soll einfach in die Karte schauen!). Der östliche „Ausweich“ mündete in die bereits früher beschriebene Kupferstraße mit Rennsteigquerungen bei Oberhof und Ilmenau. Die westliche - nämlich die hier beschriebene - landete über Hainich und Rennsteig in der Rhön. Die Konsequenz für die schon immer auf Effizienz getrimmten Wagenlenker führte sie nach Würzburg/ Marktbreit, respektive später Ochsenfurt. Allerdings wartete dort weiter südlich der Neckar mit seinen Zuflüssen auf sie. Es blieb also nur wieder die „Zuflucht“ auf den bekannten Kupferweg-Strang. Es gibt dabei wieder mehrere Varianten.
Die archäologischen Highlights an unserer Rennwegroute von Norden nach Süden geben uns die zeitliche Nutzung vor: Die vielen Großsteinsetzungen scheinen aus einer Zeit zu stammen, lange bevor sie den indogermanischen Namen Renn- verpasst bekommen haben können. Die nicht weniger zahlreichen Hügelgräber aus der mittleren Bronzezeit rechnen einige Historiker bereits den Indogermanen zu. Ein Urnenfund in einem Großsteingrab an der Landzunge von Cuxhafen muss dann schon zwingend mit den neuen Sprechern verbandelt sein. Die Tangierung von Bremerhaven und Bremen weist auf den Einfluss hin, den unser Weg auf die jeweilige wirtschaftliche Entwicklung genommen hat. Ein Stück weiter, der Burgberg in Stade, soll auch seit der Steinzeit bewohnt gewesen sein. Die Schlacht am Harzhorn scheint die Bedeutung der Trasse in der Antike zu untermauern. Überhaupt könnten viele Sicherungsposten über mehrere Siedlungskulturen belegt gewesen sein, wie der Kapellenberg über Marktbreit, mit Schnurkeramikern, Kelten, Römern und Franken. Die Unübersichtlichkeit der Wegführung im Dreieck Rhön, Thüringer Wald und Grabfeld, sowie um Würzburg herum, erklärt sich mit der extremen Vielzahl auflaufender Altstraßen. Quasi jeder Ausläufer des Thüringer Waldes ist mit diesen tiefen Hohlwegen gesegnt. Entsprechend könnte jeder verteidigungsfähige Höhenrücken mit Quelle als Lager oder befestigte Siedlung genutzt worden sein. Bergabflachungen, Schanzreste, Flurnamen, Altsteinbrüche, Gräber und Nutzsteinkonzentrationen geben das jedenfalls her. 

Und was ist mit den anderen Rennwegen, -tälern und -orten? 
Waren nicht nur Händler und Heere sondern 
ganze Völker auf den Rennwegen unterwegs?
Die Elbgermanen jedenfalls zogen auch nach Nordrhein-Westphalen und weiter nach Westen. Noch Cäsar musste sich mit ihnen in Gallien herum schlagen. Ohne Ausnahme lassen sich deshalb auch dort die alten Renn-Namen den beurkundeten Altstraßen und frühen Fernwegenetzen zuordnen, bzw. als Zuführungen zu ihnen. Um Koblenz herum bildet sich ein regelrechter Ring mit ihnen ab. Wer die Flurnamen dort studiert, denkt er ist im Thüringer Wald. Im Gegensatz zu den Hohen Straßen, deren Bezeichnung etwa zur gleichen Zeit entstanden sein muss, konnte ja auch in den Niederungen „gerannt“ werden. Die typische Bezeichnung in der Niederung von Kelheim, scheint aber eine Ausnahme gewesen zu sein: Die Zusammenführung der Wasserscheiden dort lässt einfach keine andere Wahl. Trotzdem: Die Zeit der großen Überschwemmungen scheint vorbei gewesen zu sein. An einigen Furten in breiten Auen und unbekannten Verbindungen im Gebirge konnte ich die Strecke nur vermuten (z. B. in Lohstadt bei Regensburg, Übergänge am Hochrhein, in der Schweiz oder im Breisgau). Die Rennkombinationen an der Eder können auch durch späte Wege entlang des Flusses entstanden sein. Schon die Römer waren hier gegen die Chatten unterwegs. Die Lage der Rennwege und -orte sowohl in Kammlagen, als auch am Rande der Gebirge, sowie ihre Konzentrationen lässt die Vermutung aufkommen, dass die Namen östlich des Limes noch vor der Zeitrechnung aufkamen und sixch während der Völkerwanderung nach Westen verbreiteten.
Altstraßen: Elementare Vorrausetzung 
menschlicher Entwicklung
Der Rennweg grenzt sich damit deutlich von den anderen „gemeinen“ Altstraßen ab. Die ebenfalls hier untersuchten Deitwege scheinen nämlich jünger zu sein. Sie verlaufen prinzipiell durch Niederungen und fast immer auf Gewässer zu bzw. von ihnen weg. Da Deit und Deutsch gleiche Wurzeln haben sollen, Deit erst im 4. Jhd. erstmals auftaucht, bestätigt sich unsere Renn-Einordnung. Der Name könnte damit bei den ersten germanischen Zügen entstanden sein, also noch vor der Zeitrechnung. Ich würde ihn sogar den Sueben zuschreiben, also vielleicht is 1. vorchristliche Jahrhundert. Was nicht heißt, dass die so bezeichneten Strecken nicht älter waren. Dass „Renn“ heute östlich von Elbe und Saale nicht mehr erscheint, könnte mit der slawischen Überlagerung erklärt werden. Die Deutschen Könige scheinen es bei ihren Ost-Feldzügen jedenfalls nicht mehr im Sprachgebrauch gehabt zu haben. Im Westen und Süden macht ihr Benehmen mit den Römerstraßen eine ältere Nutzung wahrscheinlich, auch wenn sie den Namen erst später verpasst bekamen. Bei Freiburg im Breisgau und an den Rheinübergängen am Kaiserstuhl zeigen sich die Rennfragmente Richtung Schwarzwald als älter wie die Römerstraßen, aber jünger als die keltischen.
An der Wasserscheide des Haarweges kann man zwischen Dortmund und Rüthen wieder schön erkennen, wie sich aus den wasserscheidenden Kamm- die mittelalterlichen Talverbindungen von Ort zu Ort entwickelten: der Plackweg im Süden und nördlich mehrere Hellwege. Bei den Hellwegen schließe ich mich der Interpretation „lichter, breiter Weg“ an, weil sie über weite Strecken trockene Erhebungen suchen.
Immer mehr Heimatforscher beschäftigen
sich mit Altstraßen
Der Westfälische Hellweg wird ja mit einem Alter von 5000 Jahren angegeben. Der Hellweg vor dem Sandforte scheint die frühmittelalterliche Variante des bronzezeitlichen Kammweges auf dem Wiehengebirge zu sein. Zeitlich würde dazu auch der Übergang von Hellweg zu Deitweg in Höxter passen. Der Ort Hellwege scheint sogar auf unserem Nord-Süd-Rennweg zu liegen. Bei den vielen Reuterwegen bin ich unsicher, ob es sich nicht einfach nur um extrem schlechte Straßen handelt. Bis auf einen sind auch alle ziemlich kurz. Der lange Reuterweg von Lathen nach Uelzen findet ebenfalls kaum Höhen. Die sog. Folkwege lassen sich schon gar nicht mehr an der Geografie festmachen.
Ich könnte mir vorstellen, dass sich dieses System auch in den Nachbarländern fortgesetzt hat. So wie sich englische Basiswörter selbst in Ostdeutschland finden (Artern, Camp, Hard) setzen sich renn und run in Frankreich fort. Dort liegt selbst das indogermanisch verwandte cours (Strecke, Ross Rennen) auffällig oft an bekannten Römerstraßen. Sprachbarrieren und mangelndes Werkzeug legen mir da aber Zurückhaltung auf. Hier kommt es ja auf Feinheiten an: Z.B. Flur- und Ortsnamen, die auf eilige Bewegung hinweisen: Störmede, Eiligsen, Eilsburg, Runneburg. Auch der Begriff Laufen scheint in dieses System zu passen. Wer sich über die Formulierung Renn wundert, sollte sich erst mal mit Begrifflichkeiten wie Schneller Markt (Wallanlage in Chemnitz), Rechtsupweg, Butter- und Brotberge oder den Hetz- und Hatz-Orten beschäftigen. Ich könnte noch hunderte solcher ominösen Orte eintragen, leider nimmt die digitale Karte aber keine 

Und was sind solche Untersuchungen wert? 
Selbst die berühmte Via Claudia Augusta mündet
nördlich und südlich in Rennwegen
Die alten Verkehrslinien erklären, warum in bestimmten Regionen bedeutende Zivilisationszentren entstehen konnten und in anderen nicht. In Mitteldeutschland z. B. angefangen beim Erectus von Bilzingsleben, der bronzezeitlichen Himmelsscheibe von Nebra, über das Fürstengrab von Leubingen, den hallstattzeitlichen Oppida auf und um die Gleichberge, die suebischen Ortsgründungen mit der Endungen Ungen oder Ingen, letztlich auch den Sängerkrieg auf der Wartburg. Sie alle liegen an unserem beispielhaften Rennweg. Auch die Varusschlacht konnte nur an der bedeutenden Wegekreuzung dort geschlagen werden.
Umgekehrt können Voraussagen gemacht werden, wo demnächst ur- und frühzeitliche Entdeckungen gemacht werden. Dafür kommen, nicht nur, aber insbesondere Siedlungsverdachtsplätze an den Kreuzungen der Altstraßen in Betracht, wie um Winterberg im Norden des Rothaarkamms, auf dem Orlishäuser Hügel neben dem Fürstengrab von Leubingen oder unter Schloss Schillingsfürst im Naturpark Frankenhöhe. Bekannte Völkerwanderungen zeigen uns, welche archäologischen Kulturen wir an den Wegen erwarten dürfen. Sie erklären aber auch, warum Siedlungen an ihren Kreuzpunkten und Furten immer so erfolgreich waren (an unserem kontinentalen „Rennweg“: Bremen, Würzburg, Augsburg). Wenn wir die Glanzzeit der Bezeichnung Renn ins Frühmittelalter legen, wird das Alter mancher Städte im Osten weit nach hinten geschoben, wie Nürnberg, Sulzfeld am Main oder Vilseck. Und da haben wir noch nicht berücksichtigt, dass die meisten Rennwege ja noch viel älter sind. Dass die Franken bei ihrer Okkupation des Ostens im 5. und 6. Jahrhundert den Namen mitgebracht hätten, schließe ich aus: Schaut man sich ihre Kriegszüge an, so scheinen sie den Kammwege nicht mehr gefolgt zu sein, sondern sie nur noch gequert zu haben.
Die Henneberger Grafen als Wege-Fürsten?
Die Urwege weisen aber genauso daraufhin, warum bestimmte Fürstengeschlechter im Mittelalter so mächtig werden konnten, ja mussten, wie die eher unbedarften Grafen von Henneberg, die aber auf Grund der günstigen Lage an unserem aufgelisteten Rennweg das Burggrafenamt in Würzburg einheimsten. Danach aber war Schluss. Die Hoch-Zeiten hielten nämlich nur so lange an, wie sie von den großen Handelsrouten profitieren konnten. Anschließend war bestenfalls Stillstand angesagt (hier z. B. Stade, Heiligenstadt, Donauwörth). Die vielen mittelalterlichen Wüstungen am Weg zeichnen ein noch schlimmeres Bild. Schon am Ende des Mittelalters gab es andere Wege und damit andere Zentren. Die Rennwege jedenfalls müssen größtenteils vergessen worden sein.

Montag, 13. Januar 2020

Bierfahrt nach Schleusingen von Gastautor C. A.

Schleusinger Gymnasiasten im Video über das 
Theaterstück "Bierfahrt nach Schleusingen"
Was geschah 1866 im Deutschen Krieg wirklich in Schleusingen?

Begeistert aufgenommen wurde von finnischen und deutschen Gästen im November 2000 die Uraufführung der „Bierfahrt nach Schleusingen“. Ein Schwank, den der finnische Nationaldichter Aleksis Kivi in dichterischer Freiheit geschrieben hatte, nachdem in einer Zeitung in Helsinki über den Krieg 1866 in Schleusingen berichtet worden war. Nachgedruckt hatte das Blatt einen humorvollen Bericht eines Schleusinger Zeitgenossen im „Mühlhäuser Anzeiger“. Er schilderte darin den ungeheueren Bierkonsum der Bayerischen Soldaten, als diese als Feinde für einige Tage in Schleusingen und im Kreisgebiet eingerückt waren und wie sie vor allem energisch „Krieg“ gegen den Bierpreis in Schleusingen führten. Auf Initiative unseres Bürgermeisters Klaus Brodführer wurde das Theaterstück ins Deutsche übersetzt, entsprechend bearbeitet und von Schülern des Gymnasiums mehrfach, auch in Finnland selbst, aufgeführt. Den meisten Einwohnern dürfte mittlerweile Aleksis Kivi und seine „Bierfahrt nach Schleusingen“ ein Begriff geworden sein.
Was sich im Deutschen Krieg 1866 in Schleusingen tatsächlich abgespielt hat, soll hier, mit einer einleitenden Übersicht über die Ursachen des Krieges und das Vorgehen der Preußen gegen die Staaten Hannover und Kurhessen, auf der Grundlage von Veröffentlichungen des Henneberger Geschichtsvereins nacherzählt werden.
Ausgangssituation im sog. Deutschen Krieg
Um Preußen die militärische und diplomatische Führung in Deutschlands zu sichern, legte Bismarck am 10. Juni 1866 den Regierungen der einzelnen deutschen Staaten, mit Ausnahme Österreichs, „Grundzüge einer neuen Bundesverfassung“ vor und forderte sie auf, nach Auflösung des alten Bundes einem neuen Bund mit Preußen beizutreten. Die Großmacht Österreich und die niederländischen Landesteile sollten ausgeschlossen werden. Österreich beantwortete das Vorgehen Preussens damit, daß es am 11. Juni die Mobilisierung des Bundesheeres gegen Preussen beantragte. Am 14. Juni beschloss die Bundesversammlung die Mobilmachung.
Unter den Staaten, die gegen Preussen gestimmt hatten, befanden sich, außer den süddeutschen, auch Sachsen, Hannover und Kurhessen. Preussen richtete an diese sowie an Nassau am 15. Juni die Aufforderung zur Neutralität, Demobilisierung und Zustimmung zur vorgelegten Bundesreform. Eine ablehnende Antwort wurde im Voraus als Kriegserklärung bezeichnet. Noch am gleichen Tag erfolgten ablehnende Antworten und der Krieg war da.
Preussen war nun gezwungen auf verschiedenen Kriegsschauplätzen Krieg zu führen. Dabei ging von Bayern her für den Kreis Schleusingen eine besondere Gefährdung aus. Zuständig für den militärischen Schutz unserer Region war der preussische General Vogel von Falkenstein mit Standort in Wetzlar. Ihm waren die Divisionen Göben und Beyer, zusammen etwa 36 000 Mann stark, untergeordnet. Zu ihnen sollte von Holstein her die etwa 14000 Mann zählende Division Manteuffel stoßen.
Schlachtenepos ohne Blut und Dreck
Um den Kampfplatz von Brandenburg und Berlin möglichst fern zu halten und die Verbindung zwischen dem Osten und Westen der Preußischen Monarchie nicht gefährden zu lassen, galt es vor allem die Staaten Hannover und Kurhessen unschädlich zu machen.
Während Manteuffel von Norden her in Hannover eindrang, rückte Falkenstein mit der Division Göben von Minden aus vor. Am 17. Juni zog er in Hannover ein, überrumpelte am 18. die kleine Festung Stade und war bereits am 22. Juni Herr des ganzen Landes mit Ausnahme von Göttingen, wohin die hannöverische Armee sich zurückgezogen hatte. Inzwischen war General Beyer am 16. Juni von Wetzlar mit 17 000 Mann aufgebrochen, war über Gießen und Marburg vorgedrungen und am 19. in Kassel eingerückt. Teile der kurhessischen Armee, bereits am 16. Juni mit der Bahn nach Fulda transportiert, ergaben sich nach kurzen Gefechten.
Die Preußen waren also mit großer Schnelligkeit und Tatkraft gegen Hannover und Kurhessen vorgegangen. Im Gegensatz dazu, hatten sich mit einiger Schwerfälligkeit am 17. Juni die feindlichen süddeutschen Truppen am Main, im unteren Franken und bei Frankfurt gesammelt.
Das von Bayern gestellte 7. Armeekorps befehligte Prinz Karl von Bayern, während das von Württemberg und Baden gebildete 8. Armeekorps, mit dem sich auch die hessen- darmstädtischen und nassauischen Truppen vereinigt hatten, unter dem Prinzen Alexander von Hessen stand.
Durch die Besetzung Kassels war der hannöverischen Armee, die 16 bis 18 000 Mann zählte, dazu eine gute und zahlreiche Reiterei und 52 Geschütze besaß, der Weg nach Süden verlegt. Sie mußte daher versuchen, auf anderem Wege nach Süddeutschland zu gelangen, um sich mit den Süddeutschen Truppen zu vereinen. Am 20. Juni versuchte sie sich über Gotha nach Bayern durchzuschlagen, überschritt am 21. Juni die preußische Grenze und zog über Heiligenstadt, Mühlhausen und Langensalza in die Gegend zwischen Eisenach und Gotha. Ein Staatsbeamter, ins bayerische Hauptquartier nach Bamberg geschickt, sollte die Bayern zu einem Entgegenrücken und einer schneller Hilfeleistung veranlassen, König Wilhelm von Preußen bot indessen Georg von Hannover am 25. Juni noch einmal ein Bündnis auf Grundlage der Bedingungen vom 15. Juni an, aber vergebens. So galt es für Preußen, zu dem noch die Coburgischen Truppen gestoßen waren, den Durchbruch der Hannoveraner nach Süden zu verhindern.
Jugendliche, die Gott sei Dank nie einen Krieg 
miterleben mussten
General Falkenstein, der von Hannover her mit den Divisionen Göben und Manteuffel den Hannoveranern gefolgt war, während General Beyer, von Kassel her auf Eisenach marschierte, sollte, nach einem von Berlin erhaltenen Befehl, bei Gotha die Bayern erwarten. Diese hatten es aber nicht eilig. Prinz Karl war der Meinung, die hannöverische Armee sei stark genug, sich selbst durchzuschlagen.
Am 27. Juni erhielt Falkenstein den telegr. Befehl die Hannoveraner unter allen Umständen anzugreifen. In seinem Auftrag führte General Flies diesen Befehl aus und warf mit 9000 Mann deren Vortruppen über Langensalza zurück Er wurde dann aber bei dem Versuch ihre Hauptstellung auf den Höhen von Merxleben zu stürmen, zum Rückzug gezwungen, da sich nun die ganze hannöverische Armee auf ihn warf. Schließlich waren dann aber 40 000 Preußen und Coburger um Langensalza zusammengezogen worden und diese hatten in kurzer Zeit die hannöverische Armee völlig eingekesselt. Wegen der gegnerischen Übermacht streckten die Hannoveraner schließlich die Waffen.
Die drohende Niederlage der hannöverischen Bundesgenossen hatte inzwischen die Bayern doch in Bewegung gesetzt. Diese versuchten nun über Meiningen- Eisenach und über Schleusingen- Suhl- Ohrdruf Hilfe zu bringen. Am Freitag, den 29. Juni, abends gegen 6 Uhr, rückten unvermutet bayerische Truppen von Hildburghausen und Themar her in Schleusingen ein, besetzten am folgenden Tage die Stadt Suhl und machten den ganzen südwestlichen Teil des Kreises Schleusingen zu ihrem Aufmarschgebiet.
Das bayerische Armeekorps, von dem gut die Hälfte im Kreisgebiet lag, während die andere Hälfte in das Werratal gezogen war, bestand, nach einem von bayerischen Offizieren in Wichtshausen zurückgelassenen Ausrück- Befehl, aus 144 Kompanien Infanterie, 20 Eskadrons Kavallerie und 66 Geschützen. Dazu gehörten: 6 Generale, 30 Stabsoffiziere, 512 Oberoffiziere, 1569 Unteroffiziere, 26914 Gefreite und Gemeine und 3619 Dienstpferde. Sie trafen auf keinen Widerstand; es waren keine preuß. Truppen in Schleusingen oder im Kreisgebiet.


Auch Erwachsenen spielen gerne das 
Schlachten von damals nach
Schon bei Beginn des Krieges hatte man die staatlichen Kassen in Schleusingen und Suhl, vor allem die Kreis- und Forstkasse, die Kreissparkasse, die Gymnasialkasse und den Kreiskommunalfonds, nach den Festungen Erfurt und Magdeburg in Sicherheit bringen lassen. Außerdem hatte sich am 29. Juni, nachdem die Bayern in Gerhardtsgereuth gesichtet worden waren, der Landrat, Dr. Herold, der ihm erteilten Instruktion gemäß, vor den feindlichen Truppen mit der Kreisgendarmerie nach Schmiedefeld begeben und versuchte von hier aus, unter Benutzung der Telegraphenstation in Ilmenau, den Chef des Großen Generalstabs, sowie das preuss. Hauptquartier zu Gotha und die Königliche Kommandantur in Erfurt von den Bewegungen des Feindes laufend in Kenntnis zu setzen.
Aber, schon am Abend des 30. Juni überbrachte dann ein hoher hannöverischer Offizier, der in Begleitung des österreichischen Gesandten für Hannover mit einer Extrapost angekommen war, dem bayerischen Stab in Schleusingen die Nachricht von der Kapitulation der Hannoveraner.
Sofort wurde der weitere bayerische Vormarsch in Richtung Suhl - Ohrdruf nach Gotha eingestellt und am nächsten Tag der Rückmarsch nach Themar, Meiningen und Mellrichstadt in so eiliger Weise angetreten, daß schon am Mittag des 2. Juli das preussische Gebiet vom Feinde frei war. - Soweit die uns hier interessierenden strategischen Abläufe.
Die Besetzung des Kreises vom 29. Juni abends bis zum 2. Juli vormittags, währte also nur kurze Zeit, doch war die Einquartierungslast äußerst drückend. Nachdem die Bürger Schleusingens bereits öfter durch falsche Nachrichten vom Anrücken feindlicher Truppen gegen die Stadt erschreckt worden waren, traf das Gefürchtete am 29. Juni schließlich doch ein. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich an diesem Tage nachmittags 4 Uhr in der Stadt plötzlich das Gerücht, die Bayern seien in Anmarsch und ständen nur noch eine Meile entfernt. Die sofort zur Erkundung ausgeschickten Gendarmen brachten die Bestätigung, dass sie bereits bei Gerhardtsgereuth lagerten. Schleunigst wurde der Posttelegraph noch zur Meldung der Schreckensbotschaft nach Erfurt und Gotha benutzt, dann aber von der Königlichen Postbehörde in Sicherheit gebracht.

Die Schleusinger Burg
Zwei Stunden später rückten die ersten Bayern in Schleusingen ein und in kurzer Zeit hatten etwa 1050 Mann die Stadt besetzt. Es waren folgende Truppenteile unter Generalmajor Graf von Ysenburg: Das 2. Bataillon des 1. Bayerischen Infanterie- Regiments König, eine Eskadron des 3. Chevaulegers-(1) Regiments Herzog Maximilian, ein Zug Artillerie mit 3 Geschützen und die Feldgendarmerie. Ihnen folgten unerwartet gegen Mitternacht noch 300 bis 350 Mann vom 1. Bayerischen Infanterie- Regiment König. Während die ersteren in Privathäusern einquartiert worden waren, wurden diese auf Kosten der Stadtkasse in den Sälen des Rathauses, des Gasthauses zum „Weißen Roß“ und des „Schießhauses“ untergebracht.
Am nächsten Morgen marschierten diese Einheiten nach Suhl weiter, nachdem sie vorher noch die Telegraphenleitung nach Suhl und Ilmenau- Erfurt durch Umhauen einer Anzahl Telegraphenstangen unterbrochen hatten. An ihrer Stelle rückten nun in Schleusingen ein:
Der Stab der 1. Bayerischen Infanterie- Division unter General Stephan, der Stab der Artillerie- Division, der Stab der 1. Infanterie- Brigade, das 1. und 2. Bataillon des 2. Infanterie- Regiments, ein Bataillon des Infanterie- Leibregiments, eine Batterie und die 1. Munitionsreserve der Artillerie- Division und je eine Eskadron des 1. und 2. Chevaulegers- Regiments. Ihre Gesamtzahl mochte ungefähr 2500 Mann betragen. Außerdem biwakierte in der Nähe der Stadt das 3. Jägerbataillon. Es mußte mit Getränken und Nahrungsmitteln aus Schleusingen versorgt werden. Ein Teil der Geschütze war auf einer Wiese rechts der Hildburghäuser Chaussee aufgefahren.
Als diese Truppen, auf die Nachricht von der Kapitulation der Hannoveraner bei Langensalza am Morgen des 1. Juli über Themar in Richtung Bayern abzogen, rückten an ihre Stelle aus der Gegend von Waldau kommend, das 2. und 3. Bataillon des Infanterie- Leibregiments, eine Eskadron des 3. Chevaulegers- Regiments und die 2. Zwölfpfünder Feldbatterie des 1. Artillerie- Regiments, zusammen etwa 1500 Mann, in Schleusingen ein. Ihr Aufenthalt dauerte jedoch auch nur bis zum nächsten Vormittag. Am 2. Juli marschierten sie mit den inzwischen von Suhl zurückgekommenen Truppen ebenfalls über Themar nach Bayern ab.
Der finnische Nationaldichter
Alexis Kivi
Das Verhalten der Mannschaften war im allgemeinen ein anständiges, bescheidenes und freundliches. Die Bayern waren besser als ihr Ruf und zeigten sich hocherfreut über die guten Quartiere, die sie bei den Preussen fanden. Es war nichts Ungewöhnliches, daß Offiziere und Mannschaften den Bürgern ihre Zufriedenheit und Dankbarkeit aussprachen; ja viele Offiziere gaben den Dienstboten ihrer Quartierwirte sogar Trinkgeld, - eine bei Einquartierung in Feindesland gewiß nicht alltägliche Gepflogenheit. Von einer kriegerischer Begeisterung war bei den Bayern sowieso nichts zu spüren und die militärische Haltung und Disziplin liess manches zu wünschen übrig. Ein Teil der Offiziere schwärmten durchaus nicht für Österreich, viele von ihnen äußerten geradezu unverhohlen ihre Sympathien für Preußen.
Anfänglich konnte deshalb die Bevölkerung mit dem Benehmen der einquartierten Mannschaften zufrieden sein. Sobald aber die Lebensmittel knapp wurden und den übermäßigen Forderungen an Brot und Fourage von den Ortsbehörden auch beim besten Willen nicht mehr entsprochen werden konnte, kam es hier und da zu Gewalttätigkeiten und unerlaubten Eingriffen in das Privateigentum der Bewohner. Außerdem fehlte es freilich auch in Schleusingen und einigen anderen Orten im Kreisgebiet nicht an einzelnen Roheiten und Bierskandalen, wie die Bayern sie im eigenen Lande gewohnt waren,

Grundlage der freien 
Übersetzung in Deutsche
Es war- wie eingangs bereits erwähnt- vor allem der Schleusinger Bierpreis, der den Unmut der Bayern hervorrief, gegen den „gekämpft“ wurde und der zu Ausschreitungen mehrfach Veranlassung gab. Kostete doch das Seidel Bier im Kreis Schleusingen 3 ½ Kreuzer = 1 Silbergroschen, während man in Bayern nur 3 Kreuzer bezahlen mußte. Waren die Wirte damit zufrieden, so bezahlten die Soldaten ohne weiteres das massenhaft getrunkene Bier. Nur solche Bierwirte, die sich den Abzug des halben Kreuzers nicht gefallen lassen wollten, nicht voll einschenkten oder mit den Neigen mantschten, bekamen den Zorn der bayerischen Besatzer zu spüren. Man machte kurzen Prozess , verzapfte das Bier selbst und zahlte gar nichts.
Eine schwere Ausschreitung ereignete sich am Abend des 1. Juli im Gasthof zum „Weißen Roß“. Dort gerieten die zechenden Soldaten in einen Streit mit dem Wirt, zertrümmerten dabei in der Gaststube Möbel, Fensterscheiben und anderes. Nur durch das Einschreiten des Bataillonskommandeurs und anderen Offizieren konnte die Ruhe und Ordnung schließlich wieder hergestellt werden.
In der Entschädugungsforderung des Gastwirts sind aufgeführt:
  • einen kleinen Wagen zerschlagen 6 Taler
  • 50 Stück Bierseidel mit und ohne Deckel und 12 Massgläser zerschlagen 8 Taler
  • 8 Stühle, 13 Fensterscheiben zerschlagen 6 Taler, 15 Sgr.
  • 1 Eimer Bier gestohlen 3 Taler
  • 3 Stück Obstbäume im Garten abgehauen 1 Taler, 15 Sgr.
  • 12 steinerne Milchtöpfe zerschlagen 2 Taler
  • 1 Wäscherolle zerhackt 6 Taler
  • in Summe: 33 Taler(2)
In der damals nur wenig über 3000 Einwohner zählenden Stadt sah es in diesen Tagen recht kriegerisch aus. War doch fast ebensoviel Militär wie Zivilbevölkerung vorhanden. Alle Häuser waren mit Einquartierung dicht besetzt. Ihre Verpflegung machte den Bürgern nicht wenig zu schaffen. Noch größere Nöte hatte freilich Bürgermeister Thielow, der, solange die Stadt besetzt war, weder bei Tage noch bei Nacht zur Ruhe kam. General Stephan, der Oberkommandierende, verlangte von ihm derartige Mengen Brot, Hafer, Heu, Stroh und dergl., daß die Stadt einschließlich der umliegenden Ortschaften auch beim besten Willen nicht imstande war, das Geforderte zu beschaffen. Das mochte der General wohl auch einsehen, denn trotz seiner anfänglichen Drohung: „Wenn das Geforderte nicht geliefert werde, übernehme er keine Verantwortung für die Folgen daraus,“ begnügte er sich schließlich mit dem, was eben aufgebracht werden konnte.
Der Scheusinger Marktplatz in jenen Jahren
Bald nach Einzug des Militärs wurde am Rande der Stadt von Feldwachen ein vermeintlicher „preußischer Spion“ aufgegriffen. Auf einem Schimmel reitend er von Schmiedefeld heruntergekommen. Da man ihn für einen preuß. Offizier hielt, wurde er nach reichlich übler Behandlung in die Stadt gebracht und von da weiter nach Meiningen ins bayerische Hauptquartier. Sein Schimmel wurde am 1. Juli als Kriegsbeute vom Leibregiment fortgeführt.
Später wurde bekannt, daß der vermeintliche „preuß. Offizier“ ein Reitknecht des Herzogs von Coburg gewesen war. Er befand sich auf dem Wege nach Schloß Callenberg.
Froh atmeten die Bürger auf, als die unbequemen Gäste mit Sack und Pack so plötzlich abzogen, wie sie gekommen waren. Auf dem Postgebäude wehte bald darauf wieder die preuß. Fahne. Eine Stunde nach Abmarsch der Bayern traf in Schleusingen die Siegesnachricht aus Böhmen ein.
Ein vielfaches Hoch auf die tapfere preuß. Armee und seine Majestät den König schallte durch Schleusingen. Am Abend brachten die Bewohner der Stadt ihren braven Bürgermeister, der so treu die Interessenten der Stadt vertreten hatte, eine kleine Ovation, indem sie unter Führung des Männergesangvereins ihm ein Ständchen brachten und vor seiner Wohnung mehrere Preußenlieder sangen.
In der Eile des Abzugs waren außer einem Feldtisch eine hellblaue Infanterie- und eine grüne Reithose von den Chevaulegers zurückgeblieben. Sie wurden eine Zeitlang im Rathaus zum Andenken an den „Bayerischen Bierfeldzug“ aufbewahrt.
Außer Schleusingen und Suhl waren noch folgende Ortschaften im Kreisgebiet besetzt: Ahlstädt, Altendambach, Benshausen, Bischofrod, Breitenbach, Dietzhausen, Dillstädt, Erlau, Gerhardtgereuth, Gethles, Heckengereuth, Hinternah, Hirschbach, Rittergut Keulrod, Kühndorf, Langenbach, Neuhof, Oberrod, Raasen mit St.-Kilian, Rappelsdorf, Ratscher, Rohr, Schönau, Schwarza, Kloster Veßra, Waldau und Wichtshausen.
In einigen der Dörfern gab es ähnliche Auseinandersetzungen um den Bierpreis, wurden Einrichtungen, Maßkrüge und Bierseidel zerschlagen.
Gethles um eines seiner Wirtshäuser
In Gethles schrieb der Lehrer nach Abzug der Bayern in die OrtschroniK: „Ende Juni, Anfang Juli 1866 waren für einige Tage die Baiern als Feinde hier im Dorfe, haben sich aber sehr gemütlich betragen. Merkwürdig war es, daß sie glaubten, Berlin könnte nicht mehr weit von hier sein, es müsse gleich hinter unseren Bergen liegen. Hieraus könnte man einen Schluß auf das Schulwesen in Baiern machen und in der That soll dasselbe dort noch gar sehr der Hebung bedürfen.“
An den Staatsstraßen hatten die Bayern folgende Beschädigungen verursacht: Auf der Zella- Mehlis - Hildburghäuser Chaussee waren 80 junge Bäume, größtenteils Eschen, abgehauen, die beiden Kreistafeln an der Struth und bei Gerhardtsgereuth waren zerstört, auf der Themarer- Schleusinger Chaussee waren 60 Fuß Schutzgeländer und teilweise auch Ständer abgebrochen worden.
Die Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli hatte den Feldzug für Preussen entschieden. Am 26. Juli wird der Vorfrieden von Nikolsburg abgeschlossen und der „Deutsche Krieg“ ist mit dem am 23. August unterzeichneten Friedensvertrag von Prag beendet. Das Ganze wirft ein letztes großes Schlaglicht auf die Uneinigkeit, das alte Erbübel der Deutschen.
Eine böse Kriegslast sahen noch die Stadt Suhl und einige andere Orte des Kreises Schleusingen in ihren Mauern einziehen: die Cholera. Sie verbreitete sich zum Glück nicht aus. Im Kreisgebiet wurden 90 Erkrankungen gezählt, es gab 41 Todesfälle.
Am 16. Juli 1866 veröffentlichte das „Henneberger Kreis- Blatt“ ein Rundschreiben des Landrats mit folgendem Wortlaut:
Die Schleusinger Burg im Video 
"Bierfahrt nach Schleusingen"
„Um den Schaden, welcher den Stadt- und Landgemeinden des Kreises Schleusingen durch den jüngst stattgefundenen feindlichen Einfall der bayerischen Truppen entstanden ist, ausgleichen zu können, werden alle Bewohner der Ortschaften, welche in der Zeit vom 28. Juni bis 3. Juli feindliche Einquartierung gehabt, oder Brot, Fleisch etc.,Heu, Hafer, Stroh, Klee etc., an jene Truppen haben abgeben müssen, oder sonst auf irgend eine Weise durch den Feind Schaden erlitten haben, hiermit aufgefordert, über die Zahl der einquartiert gewesenen Mannschaften resp. über den ihnen sonst entstandenen Schaden genau der Wahrheit entsprechenden Angaben innerhalb 8 Tagen beim Ortsschulzen zu machen. Die Ortsbehörden haben die angemeldeten Schäden nach Möglichkeit sorgfältig zu prüfen, zusammen zu stellen und bis zum 10. August dem Landrats- Amt einzureichen.“
Im Voraus benachrichtigt der Landrat den Oberpräsidenten v. Witzleben in Magdeburg, dass Maßnahmen zur Ermittlungen der Schäden eingeleitet wurden und teilt weiter mit, dass der Schaden, der durch den Einfall der Bayern verursacht wurde, den Betrag von 10 000 Talern nicht übersteigen wird. Er schreibt :
„Im Namen des meiner Verwaltung anvertrauten armen Kreis Schleusingen lege ich dem Herrn Oberpräsidenten schon jetzt die dringende Bitte ans Herz, für die möglichst vollständige Schadloshaltung der Gemeindemitglieder sich gnädigst auf das wärmste verwenden zu wollen..“
Am 27. August 1866 reicht der Landrat die Aufstellung der Kosten, die die bayerischen Truppen im Kreisgebiet verursacht hatten ein. Der Gesamtbetrag beläuft sich auf 12367 Taler, 18 Groschen , 6 Pfg.
Die Auszahlung lässt aber auf sich warten. Deshalb richtet der Landrat am 27. Februar 1867 eine Anfrage an die Kgl. Regierung in Erfurt in der es u.a. heißt:
„Infolge der schlechten Ernte im Jahre 1866 warten die Landwirte mit Schmerzen auf die Entschädigung. Auch macht es im Kreis Schleusingen einen sehr ungünstigen Eindruck, daß, während im Eisenachischen Oberland und im benachbarten Herzogtum Meiningen, die Kriegsschäden längst vergütet worden sind, von unserem Staate dagegen, der ja doch als Sieger sehr bedeutenden Kriegs- Kontributionen von den besiegten Staaten erhalten hat, der gleiche Schaden der diesseitigen Bewohner auch jetzt, nach einem Zeitraum von acht Monaten, immer noch nicht vergütet worden ist.“
Als Antwort traf am 7. März 1867 eine Verfügung der Regierung ein, der zufolge die eingereichte Aufstellung nach der in Preussen gültigen „Friedens- Einquartierungs- Entschädigungssätze“ neu aufgestellt werden sollte. Abermals verwandte sich der Landrat aufs kräftigste für die Forderungen des Kreises und schrieb an die Regierung:
Die Ergebnisse des Krieges von 1866
„Die preußische Regierung hat 30 Millionen Gulden Kriegskontribution von Bayern erhalten. Kann davon armen Bewohnern, die durch die bayerische Invasion geschädigt, nicht die Summe von etwa 12000 Talern sofort und in vollem Umfange gezahlt werden? Die armen Bewohner des Kreises halten es nicht für möglich, daß der preußische Staatsschatz solchergestalt gewissermaßen auf Kosten armer Staatsangehöriger bereichert werden soll. Die Magistrate zu Suhl und Schleusingen haben beschlossen, Höheren, ja Allerhöchsten Ortes gegen die Minister - Entscheidung vorstellig zu werden“.
Um eine weitere Verstimmungen der Ortsvorstände und Kreisbewohner zu vermeiden, vor allem aber zu zeigen wer das Sagen hat, sandte nunmehr der Herr Oberpräsident den Regierungs- Bureau- Hilfsarbeiter Lohmeyer zu Erfurt nach Schleusingen mit dem Auftrag, eine Überprüfung und Umarbeitung der Nachweisung über die den Bewohnern des Kreises entstandenen Kriegsschäden anzufertigen.
Erst am 8. Oktober 1867 kommt endlich über die Telegraphenstation der Post ein Telegramm der Regierung an das Landratsamt, dass das Geld zur Kriegsentschädigung angewiesen sei und zur Auszahlung gelangen könne.
Die rund 12367 Taler hatte Lohmeyer auf 8183 Taler, 7 Groschen und 1 Pfennig zusammengestrichen. Die Stadt Schleusingen hatte z.B. 3151 Taler, 4 Sgr. 11 Pf. gefordert, ausgezahlt wurden 1724 Taler, 20 Sgr. 3 Pfennige.
In Gethles forderten die Bewohner 60 Taler und 15 Groschen als Entschädigung, sie erhielten 25 Taler ausgezahlt. --


Anmerkungen:

1) Cheveaulegers - franz. Schwolescheh' = leichte Kavallerie, bestand im Bayerischen Heer bis 1918 mit 8 Regimentern. Im Volksmund „Schwalangschär“ genannt.

2) Drei Taler kostete zu dieser Zeit ein Mastschwein.