Samstag, 23. Juli 2016

Die Harrasser Urweg-Route (mit Karte)


Harras und die Werra
Seit 6000 Jahren soll das kleine Werra-Dörfchen kontinuierlich besiedelt gewesen sein. Von den ersten Bauern in der Region ab 4000 v. Chr. bis heute. Älter als Rom! Herausgekommen ist das bei archäologischen Begleituntersuchungen der Baumaßnahmen zum Hochwasserschutz 2014. Dabei hat der Jungarchäologe Dominik Labitzke unter der Ägide des Landesarchäologen Dr. Mathias Seidel vier Fundschwerpunkte ausmachen können:
  • Steinzeitliche Keramikscherben der ersten Bauern.
  • Armschutzplatten und Scherben von Glockenbecher-Bogenschützen aus der Bronzezeit vor vielleicht 4.000 Jahren.
  • Hinterlassenschaften der Urnenfelderleute um 1000 v. Chr.
  • Grundmauern einer Niederungsburg wahrscheinlich aus dem Spätmittelalter um das 12. Jhd. herum.

Ausgrabungen in Harras 2014
Was lässt sich aus diesen Sensationsfunden schließen? Wer in aller Welt lässt sich in Harras nieder? Während vor 800 v. Chr. noch alle Flussauen mit Mäandern und Versumpfung zu kämpfen hatten, brummte hier an der west-östlich verlaufenden Werra der Verkehr. Es kann es sich nur um einen günstigen Flussübergang auf einer Nord-Süd-Route gehandelt haben. Versuchen wir mal, uns alle neuzeitliche Infrastruktur „wegzudenken“. Wir sehen dann die voll beladenen Ochsenkarren, wie sie sich begleitet von bewaffneten Reitern durch die Furt der Werra quälen. Über Jahrtausende! Solch ein Alter lässt auf Bedeutung und Menge der transportierten Güter schließen. Umso mehr, da sich Harras gegen kongruierende Furten in der Nachbarschaft durchsetzen musste:
Alter Flussquerung
Da waren die frühen Großsiedlungen auf den Gleichbergen mit ihren nördlichen Werraübergängen nur 20 Kilometer Luftlinie entfernt. Da führte bei Hildburghausen ein weiterer Urweg über die Werra und den Thüringer Wald in die mitteldeutsche Tiefebene. Außerdem hätte ja jeder Wagenkutscher die Werra bei Eisfeld umfahren können. Was also machte gerade die Harraser Route so wichtig?
Beginnen wir mit der Bezeichnung: Einige leiten den Namen von Herr ab, andere von Herold oder Gesandter, in Mitteldeutschland gab es eine entsprechende Adelsfamilie. Gleich mehrere Orte tragen diesen Namen; alle liegen am Übergang einer Altstraße über ein Gewässer, alle unterhalb einer mutmaßlichen prähistorischen Siedlung, alle mit frühzeitlichen archäologischen Funden im Umfeld:
  • unser Harras als Ortsteil der Stadt Eisfeld in Thüringen, Übergang Werra
  • ein Ortsteil der Gemeinde Blaibach im Landkreis Cham (Bayern), Übergang Weißer Regen
  • ein Ortsteil der Gemeinde Oberheldrungen in Thüringen, Übergang Helderbach, aber auch über Schmücke mit Haidenstraße
  • ein Ortsteil der Gemeinde Prien am Chiemsee, Übergang von Herrenberg zur Herreninsel
  • einen Ortsteil der Gemeinde Wehingen im Landkreis Tuttlingen, Baden-Württemberg, Übergang Bära
  • Harra bei Blankenstein Thüringen), Übergang Saale
  • ein Platz in München, Übergang Isar, der allerdings nach einem Gastwirt benannt sein soll 
  • Haar an der Elbe bei Boizenburg
  • Harrerdorf und Harras um Prinzendorf in Österreich 
Schaut man sich die geografische und hydrologische Situation vor Ort an, zeigen sich jeweils nur schmale Möglichkeiten zur Bildung von Sandbänken. Vielleicht gibt es einen linguistischen Zusammenhang von schmal und Haar? Unabhängig von der Bezeichnung aber können wir festhalten: Harras muss einen frühzeitlichen Übergang über ein Gewässer bezeichnen.
Wer sich jetzt in Harras aufs Fahrrad setzt und schnurstracks auf den Höhenzügen nach Norden oder Süden radelt, entdeckt eine regelrechte Zwangsführung für die alten Karawanen. Er erlebt einen prähistorischen Urweg par excellence. Bis Bamberg und Erfurt, wo unser Urweg auf andere Altstraßen trifft, bin ich sie abgefahren. Alle 20 Kilometer etwa, dem Tagespensum eines Ochsenfuhrwerkes oder an strategisch wichtigen Punkten, finden sich Sicherungsburgen - natürlich entsprechend der Bauweise in den jeweiligen Epochen angelegt. Teilweise dicht beieinander! Die uns durchweg begleitenden Hohlwege stammen zwar wegen der Warenmenge meist aus dem Mittelalter, sie müssen aber entlang der frühzeitlichen Routen verlaufen sein. Hier ist der Weg nachgezeichnet: (Bitte anklicken!) Er muss uns also Relikte aus allen Siedlungsepochen liefern.
Starten wir also zunächst Richtung Süden, die tief ausgefahrenen Wegrinnen zur Harraser Leite hinauf, wo ein Grabhügelfeld aus der Hallstattzeit auf uns wartet.
Nachgebauter Kelte
Das war jene Epoche, in der sich die späteren Kelten entwickelten. Diese Gräber sind übrigens der Grund, warum die Archäologen überhaupt unten im Tal den Spaten angesetzt haben. Dr. Seidel vermutet, dass die Gräber von den Siedlern an der Furt stammen. Ich glaube eher, dass sie von den Bewohnern der so genannten Walleskuppe stammen, die neben den Grabstätten an der Harraser Leite liegt. Nicht nur der Name lässt ein befestigtes Dorf vermuten. Obwohl heute durch Felder, Steinbrüche und Wege total verschliffen, ist die umfassende Schanzkante noch gut auszumachen. Besonders vom gegenüberliegenden Berg Bleß aus (ebenfalls mit Resten einer keltischen Wallanlage), sieht man deutlich, wie die eigentlich unscheinbare Kuppe das Werratal dominiert. Doch weiter! Unser Weg führt durch die Orte „Ahlstadt“ und „Großwallbur“, deren Ortsnamen unserem "Harras" durchaus ebenbürtig erscheinen. Vielleicht ging es auch über Elsa, weil dort eine Wacht als Flurname auftaucht. In den Feldern ringsum zeichnen sich die alten Fahrrinnen zu Dutzenden ab. Hinter Breitenau teilt sich offenkundig der Weg: Der frühzeitliche scheint über einen Höhenrücken ins Köllnholz zu führen, wo wir das Tal nach Mährenhausen hinunter großzügig umfahren können. Noch vor dem Eckertsberg stoßen wir auf die ehemalige innerdeutsche Grenze und lassen uns auf den Lochplatten des so genannten Kolonnenweges etwa 5 Kilometer weit immer Richtung Süden im Sattel durchschütteln. Dabei passieren wir die mutmaßlich bronzezeitlichen Höhensiedlungen Erzberg über Colberg und Weinberg über Ummerstadt. Beide sind mit deutlichen Schanzkanten und überbewirtschafteten Feldterrassen noch gut erkennbar.
Allzeitkutsche
Der andere Harras-Weg, der spätere frühmittelelterliche muss den Höhenrücken Hahnberg-Niederdorfer Wand-Mühlberg benutzt haben, darauf weisen Hohlwege und Flurnamen hin: Er scheint nach der Rodachüberquerung bei Billmuthhausen über den Höhenzug Tonberg-Große und Kleine Wart-Kanzel-Heiligenleite zu führen. In Gemünda sollte dann die Kreck passiert worden sein, denn der Weg trifft nun südlich des Großen Steins mit dem Höhenweg zusammen, der von den Gleichbergen kommt. Auch unser prähistorischer Seitenstrang der Harras-Route muss ganz in der Nähe gefurtet haben, denn er erreicht oberhalb des Flurstücks „Weinstraße“ den gleichen Höhenzug. Alle meine Versuche, auf dem kürzeren Höhenrücken Krumbach-Watzendorf fündig zu werden, liefen ins Leere. (Die Hohlwege südlich von Neundorf weisen ins Spätmittelalter).
Rückertstein
Auf der anderen, westlichen Seite der Rodach dagegen springen einen die frühzeitlichen Flurnamen und Sicherungspunkte nur so an: Die „Hohe Straße“ auf dem Gollberg, der eine deutliche Schanzkante hat, der „Rückertstein“ am Hahn mit seinem Felsplateau, über Heiligersdorf der teilweise in Fels gehauene „Christenstein“ und sein kultiger „Hexentanzboden“. Weiter geht es die „Hohe Straße“ auf dem ebenfalls verdächtigen Röthenberg zum frühmittelalterlichen Burgstall und dem ehemaligen Judenfriedhof. (Ich kenne übrigens 7 alte jüdische Grabstätten, die unmittelbar an prähistorischen Wegen und Wallanlagen liegen. Achim Fuchs aus Meinigen glaubt, Juden haben im Mittelalter immer "heidnische" Plätze als Grabstätten zugewiesen bekommen.) Dahinter scheint die Alster gequert worden zu sein, denn nun steigt der Urweg nach Wüstenwelsberg hoch, am frühmittelalterlichen Burgstall Gutenfels und der prähistorischen Felsenruine „Alte Burg“ vorbei, um sich südlich der Felsenburgen Lichtenstein und Teufelsstein auf dem Kamm wieder einem von Norden kommenden Altweg anzuschließen.
Rotenhahn
Die letztgenannten „Steine“ sind große markante Felsformationen, wie sie nicht selten in der Region anzutreffen sind. Dort, wo Archäologen neben ihnen gegraben haben, wie auf dem Waldstein bei Weißenbach, konnte deren permanente „Wiederverwendung“ und „Weiterbearbeitung“ in den unterschiedlichen Epochen nachgewiesen werden. Bereits in der Steinzeit scheinen Menschen hier Unterschlupf gefunden zu haben, aus der Urnenfelderzeit müssen die ersten Steinmetzarbeiten stammen, bis dann im Frühmittelalter aus den Monstersteinen ganze Burgensembles gestaltet worden waren. Das schönste Beispiel ist wohl Lichtenstein.
In Richtung Süden verläuft der Urweg nun auf dem Kamm weiter, immer begleitet von verdächtigen Flurbezeichnungen: der „Schlossberg“, die Felsenruine Rotenhahn, um 1200 erstmals erwähnt, der „Bretzenstein“, die „Wegleite“, das „Leichenfeld“, zu dem sicher auch eine Altsiedlung gehörte, der „Schloss- oder Turmhügel“ über Freudeneck, der „Burgstall“ , die „Viereckschanze“ und der tief gefurchte Abgang runter nach Baunach. Dort muss der gleichnamige Fluss gequert worden sein, entweder vor oder nach deren Zusammenfluss mit der Lauter. Beides hatte Vor- und Nachteile.
Semberg
Denn gleich darauf kann es nur westlich des Galgenberges wieder hinauf auf den Höhenzug des Semberges gegangen sein, der gemeinsam mit der Kapellenruine „St. Helena“ eines jener typischen Siedlungsensembles der Bronzezeit gebildet haben könnte. Leider aber ist Letztere kein ehemaliger Kultplatz, sondern von Experten als frühmittelalterliche Wallburg identifiziert. Sie kann nur den Main oder eine spätere Variante unseres Urweges am Hang bewacht haben und ist damit kaum vor 500 unserer Zeit einzuordnen. Die gemauerte Zisterne muss noch jünger sein. Das kleine Kirchlein stammt nachweislich aus dem Spätmittelalter. Und der Semberg besitzt zwar rundum steile Abhänge, am schmalen Übergang zum restlichen Berg auch Altbergbau und eine große ebene Fläche, aber die sieht recht jungfräulich aus. Der Hauptgrund aber warum hier ein befestigtes Dorf schwer vorstellbar ist: Nur ein paar Kilometer weiter südlich erwartet uns ein Paradebeispiel frühzeitlicher Gemeinwesen mit dem Siedlungshügel "Vieretsknock“ und Kultplatz „Kreuzberg“. Hier stimmt einfach alles: Die Größe der künstlichen Fläche für vielleicht 100 Bewohner, die steil abfallenden Abhänge, die Steinansammlungen, besonders an den mutmaßlichen "Toren", die Hohlwege rechts und links an der Burg vorbei, die unseren Urweg ins Tal brachten, die weit oben liegenden Quellen, weiter unten die Magerrasenterrassen. Sogar der frühzeitliche "Prozessionsweg" zum Kultplatz nebenan, der eben später als "Kreuzberg" christianisiert wurde, ist erhalten.
Anschließend muss der Urweg nach unten zur Mainfurt in Hallstadt geführt haben, deren Namensvetterin in den Alpen einer ganzen prähistorischen Kultur ihren Namen gab. Mit Sicherheit lag die Furt noch vor dem Zusammenfluss von Regnitz und Main. Dort jedenfalls wurden sogar Reste der ersten Bauern bei uns ausgegraben. In diesem Städtchen habe ich Leute getroffen, die sich mit den Geheimnissen ihrer Berge gut auskennen, weil sie so etwas noch in der Schule gelernt hatten. Östlich der Regnitz nun gab es mehrere Möglichkeiten: Ein Weg verlief sicher nach Bamberg, der andere scheint einen Schwenk Richtung Osten gemacht zu haben, rüber zum Haupt-Urweg durch Franken in Nord-Südlicher Richtung. Dieser führt von der Donau über den Thüringer Wald bis Norddeutschland hinauf, wie im Post "Prähistorische Urwege durch Franken" und angehängter Karte dargestellt. Denn trotz spektakulärer Funde, wie die der Bamberger Götzen in Gaustadt, glaube ich nicht, dass der Haupt-Weg Richtung Donau westlich der Regnitz weiterführte. Zu viele Gewässer laufen ihr dort zu und die alten Reisenden scheinen Flussläufe ja nur im äußersten Notfall gequert zu haben. Auf der eben genannten Hauptroute hingegen gibt es bis zur Donau nur noch vier größere Furten.

Kreuzberg
Auch der Urweg von Harras nach Norden ins Thüringer Becken ist spannend. Zunächst scheint es geradewegs über den Thomasberg gegangen zu sein, an Brünn über den östlichen Kirchberg vorbei, durch die Senke des Afterbaches, steil den Hundshag hoch. Alle genannten geografischen Objekte strotzen nur so von mittelalterlichen Hohlwegen. Nun scheint sich die Route im Laufe der Jahrtausende wieder geteilt zu haben:
Brattendorf mit Priemäusel und Wachberg
Der frühzeitliche Weg könnte weiter oben am östlichen Abhang des Primäusel vorbeigeführt haben. Obwohl alle möglichen Historiker den markanten Bergnamen aus dem Slawischen herleiten wollen, sehe ich einen frühzeitlichen Ursprung. Slawen gab es hier nur zwangsangesiedelte (Oberwind, Poppenwind) und denen wird man nicht die Flurbenennung überlassen haben, wo doch die fränkischen Siedlungen überwogen haben. Mit Crock liegt übrigens auch ein Uralt-Kandidat am Weg. Sein sagenumwobener Irmelsberg ist zu klein für eine keltische Siedlung und kann nur als Kultplatz gedient haben. Bestimmt wurde er in germanischer Zeit als solcher benutzt. Immerhin gibt es hier einen Abzweig von unserer Urstraße über den Rennsteig ins Saaletal. Der Primäusel hingegen besitzt eine deutlich umlaufende Schanzkante, eine weit oben liegende Quelle und die typischen Terrassenfelder. So hätten die kriegsgefangenen Slawen niemals siedeln dürfen.
Der spätere frühmittelalterliche Harras-Weg scheint hingegen zwischen Wachberg und Brattendorf nach Merbelsrod geführt zu haben, dort wieder an einer „Wach“ vorbei. In Waldau, unterhalb der Hornkuppe, konnten sich die beiden Strecken dann wieder treffen, begleitet von tiefen Furchen an der Röderswand. Von hier aus gab es dann nur einen Weg zum Mittelgebirgskamm, nämlich über Glasersberg, Katzenstein und Kalter Staudenkopf - alles Ortsbezeichnungen die nach W. Obermüller aus dem keltischen stammen könnten.
Kickelhahn über Ilmenau
Am Fünfarmigen Wegweiser traf unsere Harras-Route nun auf die mittelalterliche Hohe Straße und strebte Frauenwald, dem späteren Kloster, zu. Zum Schluss blieb nur noch der siedlungsverdächtige Meisenhügel, hinter dem sich bei Allzunah unser Urweg mit dem Rennsteig vereinen konnte. Der ebenfalls uralte Kammweg eröffnete nun Optionen in alle Richtungen: Der Frühmittelalterliche wird wahrscheinlich über die Große Hohe Warte nördlich vom Bahnhof Rennsteig und den Schlossberg in Stützerbach nach Ilmenau verlaufen sein. Der Weg vor und nach der Zeiteinführung aber kann nur die Passage Großer Hundskof, Dreiherrnstein, Auerhahn, Hohe Tanne und Kickelhahn genommen haben. Letzter darf entsprechend den Geländestrukturen getrost wieder als befestigte Wachstation angenommen werden. Von hier aus waren verschiedene Abgänge möglich, wie die Namen der Bergsporne und Hohlwege assoziieren. Über den Burgfelsen Hermmannstein, Manebach, das Schöffenhaus westlich des Spiegelbergs, den Wolfsstein und Elgersburg erschlossen sich so die großen bronzezeitlichen Wallburgen im Norden: Alteburg und Walpernberg über Arnstadt, die Reinsburg östlich von Plaue, der Grimmenstein oder die beiden Seeberge in und um Gotha. Sicher waren auch schon die befestigten Hügelsiedlungen in Erfurt interessant, wie Domberg, Petersberg, Cyriaksburg, Katzenberg, Kalkhügel, Schwellenburg, Roter Berg und wie sie alle heißen. Einige von ihnen zeigen uns ja heute noch ihre Nachfolgebefestigungen aus dem späteren Mittelalter.
Ein rein urzeitliche Trasse scheint der Verlauf Schnett-Schönbrunn-Kahlert mit seinen typischen Terrassen- und Schanzanlagen wieder zu geben. Die vielen Tal- und sicher auch Bachquerungen deuten auf eine klimatisch trockene Periode hin. Das trifft auch auf die Route Frauenwald-Ilmenau Arnstadt zu - die perlenkettenartig aufgereihten Schanzen lassen mehrere Varianten zu. Neben Erfurt bieten sich auch die prähistorischen Befestigungen um Gotha, Stadtilm, ja Saalfeld als Peilmarke an.

Harras
Fazit: Wir haben also einen Urweg exakt in Nord-südlicher Ausrichtung entdeckt, gespickt mit Relikten von der Bronzezeit bis ins Frühmittelalter! Wer die Strecke mit dem Fahrrad abfährt, wird erkennen, dass es in Rennsteignähe zwar mehrere Varianten gibt, diese aber durch wasserscheidenden Höhenzüge, Hohlwege über Furten, Flurnamen, Bodendeformationen und archäologische Funde eine Art Zwangsführung ergeben. Kreuzungen dieser Strecke mit anderen Altstraßen, besonders des Rennsteiges, deuten auf ein altes Fernwegenetz hin. Die die Werra parallel begleitenden Höhenwege verstärken diesen Verdacht. Harras war also zwingend ein prähistorischer Knotenpunkt mit Langzeitcharakter.

Funde in Harras
Das betraf die Glockenbecherleute, die wahrscheinlich von der Iberischen Halbinsel bei uns eingefallen waren, ebenso die sich aus dem Karpatenbecken heraus entwickelnden Urnenfeldermenschen, die mit dem Norden handelten Kelten und die fränkischen Invasoren sowieso. Letztlich kam das Gebiet an deren Verwalter, den aufstrebenden Henneberger Grafen. Der ausgegrabene Steinturm aus dem 12. Jhd. müsste demnach einer ihrer Ministerialen betrieben haben. Bisher aber gibt keine Urkunde Rechenschaft über irgendwelche Namen ab. Das müssen nun die Archivstöberer klären. Leider fehlen mir dafür Zeit und Muse.





Dienstag, 5. Juli 2016

Die WISMUT in der Gegend von Schleusingen 1950-1954 (Von C.A.)

Bergbau im Zeichen des Kalten Krieges
Im Jahr 1950 zeigte das Sowjetische Bergbauunternehmen Wismut (1), das den Uranabbau in der DDR betrieb, großes Interesse auch an den Buntsandsteinformationen am Friedberg, bei Erlau und Hirschbach sowie der Zechsteinflur um Gethles. Sie führte hier Erkundungsbohrungen durch und öffnete auch alte Stollen im früheren Bergbaurevier aus dem 18./19. Jhd. In der Folge wurden dann aber nur auf dem Friedberg für einige Jahre Uranverbindungen im Buntsandstein abgebaut.
„Die Wismut“, wie sie allgemein genannt wurde, war anfangs eine sowjetische Aktiengesellschaft, die direkt der sowjetischen Verteidigungsindustrie unterstand und schon 1946 mit der systematischen Erkundung und Ausbeute von Uranerzen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) begonnen hatte. Die Sowjetunion arbeitete damals mit Hochdruck an der Entwicklung einer Atombombe, mit der die USA im August 1945 die Welt geschockt hatte und für die (angereichertes) reines Uran benötigt wurde.
Wismut-Standorte
Durchgeführt wurden die Erkundungen in unserer Gegend von einer Abteilung der Sowjetischen Wismut AG, die in Schleusingen – bezeichnet als „Schacht Schleusingen“- eingerichtet worden war. Sie gehörte zum Objekt 30, dessen Verwaltung in Dittrichshütte bei Saalfeld ihren Sitz hatte. Von dort aus wurde sie später in den Raum Ronneburg verlegt, als im dortigen Alaunschiefer radioaktives Material in größeren Mengen gefunden und bis 1991 auch abgebaut worden ist. Damit kam dann auch schon 1954 das Ende für den „Schacht Schleusingen“. Die zwei auf dem Friedberg abgeteuften Schächte, mit Stacheldraht eingezäunt und von sowj. Soldaten bewacht, in denen über 3 Jahre lang uranhaltiges Gestein aus der Erde geholt worden war, wurden versiegelt. Sog. Pingen zeugen heute von zusammengebrochenen Stollen.
Das Objekt der Wismut in Schleusingen hatte von Anfang an in erster Linie die geologische Erkundung auf radioaktives Erz in der Umgebung von Schleusingen und Suhl durchzuführen. Wurde dabei auch nur die Spur von Radioaktivität entdeckt, wurde das Material, egal wie hoch die Kosten waren, auch abgebaut. Damals waren- außer in der SBZ/DDR- im Weltmaßstab nur sehr wenige Lagerstätten mit Uranerz (Pechblende) bekannt.
Die heute verschwundenen Symbol-Abraum-Kegel der  Wismut
1953 wurde die staatliche Sowjetische Wismut AG (SWAG) in eine Sowjetisch- Deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut umgebaut, die noch bis zum Jahr 1991 den Uranbergbau in der DDR betrieb und große Umweltschäden hinterließ. An deren Beseitigung wurde noch bis 2012 und länger gearbeitet. Insgesamt sollen in der SBZ/DDR 231,4 To. reines Uran produziert worden sein. Das ist etwa ein Drittel des im sowj. Einflussbereich von 1946 bis 1990 hergestellten Urans. Es ist aber nie bekannt geworden, welchen Gewinn der Uranabbau von 1953 bis 1991 für die DDR gebracht hat. Wahrscheinlich bekam die DDR ab 1955 dafür nur Rohstoffe wie Eisenerz, Erdöl, Getreide usw. aus der UdSSR geliefert. Fakt ist: Hätte die DDR ihr Uranerz selbst abbauen und auf dem Weltmarkt verkaufen können, wären Milliardengewinne sicher gewesen. So aber kostete die Wismut, der durch Reparationslieferungen ausgeplünderten DDR, vor allem eins: Viel Geld. Wurden doch die Produktionskosten in Höhe von 9,44 Milliarden Mark der Sowjetischen Wismut AG von 1946 bis 1953 der SBZ/DDR aufgebürdet und mit den Reparationsforderungen verrechnet. Dazu kamen 3,54 Milliarden Mark an Investitionen. Allein die geologischen Erkundungen kosteten weitere 1,5 Milliarden Mark und es entstanden zusätzliche Kosten für den Ausbau der Infrastruktur, für Wohnungen, Renten und Versicherungen in Höhe von geschätzten 1,5 Milliarden Mark. Somit beliefen sich die Gesamtkosten der SAG Wismut in den Jahren 1946 bis 1953 auf über 15,5 Milliarden Mark. Die SU rechnete der DDR im Jahr 1953 bei der Neugründung der Sowjetisch- Deutschen Wismut AG lediglich 344,2 Millionen US- Dollar auf die Reparationszahlung an.
Nebenbei bemerkt: Insgesamt bezahlte die DDR bis 1954 an die SU 14,2 Milliarden Dollar Reparationskosten, obwohl nur 10 Milliarden von ganz Deutschland gefordert worden waren. Das heißt: Die SBZ/DDR hat für ganz Deutschland die von der Sowjetunion geforderten Reparationskosten bezahlt. Da man sich nicht einigen konnte, musste auf Betreiben und Druck der Westmächte, jede Besatzungsmacht ihre an Deutschland gerichteten Forderungen aus der eigenen Besatzungszone entnehmen. Sie wussten warum. Während sie es nicht nötig hatten, weitere Demontagen in ihren Besatzungszonen durchzuführen, holte die von Deutschland zerstörte Sowjetunion alles Brauchbare aus der SBZ/DDR heraus. Auch das Uran. Die DDR verlor durch die Demontagen von Industriebetrieben über 40% ihrer Produktionskapazität. Damit blieb die DDR dann für immer weit hinter dem durch das USA-Kapital geförderten wirtschaftlichen Entwicklung in Westdeutschland zurück, die bis 1955 fast gleich verlaufen war.
Die Schächte am Friedberg
Nach Gründung der Sowjetisch-Deutschen Wismut AG (SDWAG) waren die Leitungsorgane der einzelnen Schachtanlagen meist paritätisch zusammengesetzt, was aber bei der höheren Objektleitung schon nicht mehr der Fall war. In Schleusingen gab es einen sowj. Schachtmeister und einen deutschen Obersteiger, einen sowj. Geologen und mehrere deutsche Geologen, einen sowj. Markscheider und einen deutsche Markscheider usw. Einige Bereiche waren jedoch ganz in sowj. Regie. Das betraf zum Beispiel die Sprengstoffverwaltung und -ausgabe. Auf dem Gelände zwischen der ehemaligen B 247 und der Schießsportanlage auf dem Friedberg lag der sog. Munitionsbunker, er war durch einen hohen Stacheldrahtzaun und bewaffneten Soldaten gesichert. Dort durfte nur der Schießhauer Sprengstoff (Gelatine Donarit) Zünder und Zündschnur in Empfang nehmen. Die Sprengmaterialien gaben sowjetische Soldaten aus, die Ausgabe wurde streng protokolliert, den Empfang musste der Schießhauer durch seine Unterschrift bestätigen. Auch hinsichtlich des Messens der Radioaktivität hatten in der Hauptsache nur sowj. Soldaten, sog. Radiometristen, die Verantwortung. An den zwei Schächten auf dem Friedberg stand unmittelbar neben dem Förderturm eine Bretterbude, ausgestattet mit großen Geigerzählern. Jeder Hunt, der den Förderturm verließ, ganz gleich ob Abraum oder mit „Erz“ beladen, musste eine Schleuse an dieser Bretterbude passieren und ist hier auf seine Radioaktivität hin gemessen worden. Dementsprechend wurden die radioaktiven Materialien in drei Sorten eingeteilt:
Die Sorte I war das beste Erz, also am radioaktivsten, und wurde nur in ca. 50 cm lange, 40 cm hohen und breiten Blechkisten (die wahrscheinlich verbleit waren) verpackt und mit LKW abtransportiert. Die Sorten II und III wurden mit LKW auf die Bahnhöfe Hirschbach und Erlau gebracht, dort zunächst gelagert und anschließend per Hand auf Waggons verladen und zur weiteren Verarbeitung nach Ronneburg abtransportiert. Die Sorte IV schließlich ist auf besondere Halden in Schachtnähe gelagert worden. Dieses Verfahren wurde 1952 geändert. Von da an war die bisherige Sorte I nur noch Sorte II, die Sorte II nur noch Sorte III usw. Die frühere Sorte III wurde nicht mehr abtransportiert, sondern kam als Sorte IV auf eine Sonderhalde. Wenn heute noch an verschiedenen Stellen am Friedberg eine höhere Radioaktivität gemessen wird, kann es sich nur um diese Sonderhalden mit der Sorte IV handeln.
Untertage
Der Suhler Friedberg und das weite Umland bestehen größtenteils aus Buntsandstein, also einem Ablagerungsgestein. In diesem angeschwemmten Sandstein wurde auch das reine Uranerz, die Pechblende, eingeschlossen. Dieses Uranerz ist jedoch nur noch in ganz fein verteilter Form im Sandstein vorhanden. Auf dem Friedberg gab es aber auch stark radioaktive Schiefertonschichten. Sie zählten meist zu den Sorten I, während der Sandstein zum großen Teil zu den Sorten II bis IV gehörte. Es lässt sich denken, dass es äußerst kostspielig war, auf diese Art und Weise das reine Uranerz zu gewinnen. Es musste zunächst einmal aus den Schieferton und dem Sandstein herausgeholt werden. Viele Tonnen radioaktiven Materials mussten dazu abgebaut werden, zu Tage gefördert und dann zur Verarbeitung transportiert werden, um nur ein paar Gramm reines Uran zu erhalten.
Zum Zweck der geologischen Erkundung wurden zuvor flächendeckende Untersuchungen mit sog. Emanationsgeräten durchgeführt, wobei angesaugte Bodenluft auf ihren Radongehalt hin geprüft wurde. Dieser indirekte Nachweis von oberflächennahen Uranerzvorkommen musste dann im Gelände durch Schürfgräben im anstehenden Gestein nachgeprüft werden. Angelegt wurden dazu bis zu 100 m lange, 2 m breite und 2,5 m tiefe Gräben, an deren Grabenwände der Verlauf der Gesteinsschichten „abzulesen“ war und mit Geigerzählern die Strahlungsintensität gemessen wurde. Weiterhin wurden Kleinschürfe angelegt. Das waren bis zu 8 m tiefe Schächte im Rechteck von 2 mal 2 m. Vor allem aber führte man Kernbohrungen bis in eine Tiefe von 500 Meter durch. Mit diesen Maßnahmen wurde hauptsächlich das Gebiet von Breitenbach bis zur Kreuzeiche, der Friedberg bis zur „Eisernen Hand“ und das Zechsteingebiet um Gethles erkundet. In Auswertung entsprechender Messprofile wurde erhöhte Radioaktivität auf folgenden Teilflächen festgestellt: „Hirschbach“ I und II (südl. Friedberg) „Erlau“ (Kreuzeiche am Ruhschlagberg) und „Eiserne Hand“ (südl. Altendambach). Die ergiebigsten Lagerstättenbereiche waren: „Hirschbach“ I mit einer Fläche von 850.000 m² und „Erlau“ (Kreuzeiche) mit 500.000 m². Die übrigen erkundeten Bereiche „Hirschbach“ II und „Eiserne Hand“ sowie das Zechsteingebiet um Gethles zeigten hingegen nur eine geringe oder gar keine Uran-Vererzung, so dass die Erkundungsarbeiten hier 1951 eingestellt wurden.
Auf dem Friedberg ging die Wismut hinsichtlich der geologischen Erkundung noch einen Schritt weiter. Dort legte sie Tiefenschürfungen an. Das waren kleine Schächte, 3 mal 3 m und 35 m tief, von denen man unter Tage Strecken und Querschläge vortrieb. Die Tiefenschürfe und Schächte hatten einen kleinen Förderturm. Als Antrieb diente eine große Seilwinde, Haspel genannt. Kleinere Seilwinden gab es auch unter Tage an den Bremsbergen. Mit deren Hilfe sind z. T. auch die Hunte gezogen worden, ansonsten wurden sie meist von Hand und den körperlichen Kräften der Berglaute in Bewegung gesetzt und zum Aufzug geschoben.. Erst 1953 erleichterten zwei kleine E- Loks auf einigen Hauptstrecken die schwere körperliche Arbeit. Kernbohrungen hatten ergeben, dass bei ca. 110 m Tiefe eine 3. Sohle und bei 190 bis 210 m Tiefe eine 4. Sohle mit Vorkommen radioaktiven Sandsteins und Schiefertone lagen. Sie wurden nie angefahren. Die Stollen an der Eisernen Hand, die zur Erkundung angelegt worden waren, hatten keine Verbindung zu den zwei Schachtanlagen, sondern sie kamen mit zwei Stollenmundlöchern an der alten Straßenführung der B 247 am Friedberg wieder zu Tage. Da der Sandstein ein sehr brüchiges Material ist und die zu erkundende sog. 1. Sohle in einer Tiefe von 25 bis 35 m Tiefe lag, das darüber liegende Deckgebirge also recht dünn war, mussten alle Schächte, Strecken und Querschläge nach allen Regeln der Bergbau-Kunst ausgebaut und gesichert werden. D.h. alle Vortriebsbrigaden hatten beim Vortrieb jeweils 2 m vor Ort den Ausbau nachzuziehen. Zum Vortrieb nutzten die Bergleute Pressluftbohrmaschinen, wobei die Bohrer Wasserspülung hatten, um die Staubentwicklung zu mindern. Hinzu kamen noch Presslufthämmer. In jede Vortriebsstrecke musste dementsprechend auch die Wasser– und Pressluftleitung nachgezogen werden. Ständig nachgezogen wurden auch die „Lutten“. Das waren ein Meter lange gewachste Papprohre mit einem Durchmesser von 40 cm, die aneinander gesteckt wurden und zum Absaugen der schlechten Luft dienten. Das besorgten große Ventilatoren.
Knochenjob
Bohrmaschinen und Pickhämmer waren die einzigen maschinellen Werkzeuge der Bergleute. Abraum und das Erz wurden von Hand in die Hunte geschaufelt, was schwerste körperliche Arbeit bedeutete. Erst später kamen auch Überkopflader zum Einsatz.. Abgebaut wurde eine Fläche von ca. 38.000 m² . Die aufgefahrenen Stollen ergeben aneinandergereiht eine Strecke von etwa 10 km.
In ihrer Blütezeit waren bei der Wismut Schleusingen etwa 1.400 Menschen beschäftigt, darunter 600 bis 800 Deutsche. In der Neumarkstraße in Schleusingen waren mehrere Häuser von den Sowjets beschlagnahmt worden. Sie dienten dem sowjetischen leitenden Schachtpersonal und Soldaten als Wohnung. Außerdem war dort die gesamte Verwaltung der Schachtanlage Schleusingen untergebracht. Sie unterhielt einen umfangreichen Fuhrpark, LKW und Kipper sowie LKW mit geschlossenen Aufbauten und Busse zur Personenbeförderung. Es gab eine große Bohrabteilung für die Erkundungsbohrungen. Diese Abteilung stellte damals mit über 1000 m Kernbohrung in einem Monat einen neuen Wismut-Rekord auf. Auf den beiden Schächten am Friedberg arbeiteten die Bergleute in drei Schichten: 7.00 bis 15.00 Uhr, 15.00 bis 23.00 Uhr und von 23.00 bis 7.00 Uhr. Befördert wurden die Bergleute von und zum Friedberg mit der Eisenbahn, die für die Wismut besondere Schichtzüge auf der Strecke Suhl-Schleusingen eingelegt hatte. Technisches Personal und sowj. Soldaten konnten auch Kraftwagen benutzen.
Für die vor allem in Sachsen (Erzgebirge) und im Bezirk Gera und anderswo erkundeten Lagerstätten mit Urangestein bestand bald ein immenser Bedarf an Arbeitskräften. Landauf, landab wurden Bergleute -gelernte und ungelernt- angeworben und zum Teil auch Druck auf Arbeitsuchende ausgeübt. Den Wismut–Kumpels wurden umfangreiche Privilegien gewährt, die zum Teil auch „missbraucht“ worden sind. Manche glaubten, sie hätten mit diesen Privilegien und als „halbe Russen“ Narrenfreiheit. Die Kumpel der Wismut waren bald in der ganzen Republik wegen ihrer Disziplinlosigkeit und skandalösen Auftreten in der Öffentlichkeit bekannt. Schwarzfahren, ja sogar Eingriffe in den Zugverkehr, tätliche Angriffe aufs Bahnpersonal, Trunkenheit und Schlägereien waren an der Tagesordnung. Die Schachtanlage in Niederschlema (Erzgebirge), wo zum Teil Anarchie herrschte, war wohl die schlimmste. Die sowj. Kommandanten (Schachtleiter) griffen schließlich hart durch. Es gab militärgerichtliche Verurteilungen und fristlose Entlassungen, bevor Ende der 1950-er Jahren Ordnung in den „Wismut – Haufen“ kam.
Arbeiterklasse
Zu den Privilegien der Wismut- Bergleute gehörten auch besondere HO-Läden. In Schleusingen war einer in der Bertholdstraße, später am Markt neben der Drogerie, in dem sie auf Talons, Bezugsscheinen und besonderen Marken, verbilligte Waren einkaufen konnten, die im normalen Handel kaum oder nicht erhältlich waren. Allerdings konnten später auch normale Bürger in den Wismut-Läden einkaufen. Geld spielte bei den Kumpels keine Rolle. Sie verdienten meist das fünf bis 10-fache eines normalen Arbeiters. Bekannt war auch bald der Wismut-Schnaps, ein billiger Fusel, den die Kumpels für 1,60 Mark pro Liter und je Woche einkaufen konnten und den viele für einen höheren Preis weiter verkauften. Auch gab es eine besondere Wismut-Fleischerei, die in der Gaststätte „Zur Heimat“ eingerichtet worden war. Das Gasthaus zum „Goldenen Löwen“ war den Wismut-Kumpels als Speisegaststätte vorbehalten. Hotels, Pensionen und Privatquartiere waren meist mit Bergleute belegt.
Mit Beginn des Jahres 1954 ist die Schachtanlage Schleusingen allmählich aufgelöst worden. Von Monat zu Monat wurden Teile der Belegschaft entlassen, die meisten aber in den Raum Ronneburg und auf andere Schachtanlagen versetzt. Im Sommer 1954 waren die Arbeiten im Schleusinger Raum beendet. Die Flur Gethles blieb, abgesehen von den Erkundungsbohrungen und Schürfungen, vom Abbau radioaktiven Erzes verschont. Die von 1985 bis 1990 in der Umgebung von Gethles erneut durchgeführten Schürfungen und Erkundungsbohrungen, sollen nichts mit der Wismut zu tun gehabt haben. (Der Schachtbau Nordhausen suchte Schwerspat.)
In der DDR wurden die Wismut–Bergleute von Partei und Staat schließlich regelrecht heroisiert und als „Sonnensucher“ (in Film und Literatur) gefeiert und gewürdigt, weil sie dazu beitrugen die friedliebende SU als Atommacht aufzurüsten und das Kräftegleichgewicht zwischen den Großmächten wieder herzustellen. In den letzten Jahrzehnten der DDR war es dann um die „Wismut“ ruhiger geworden. Zwischenzeitlich hatte man weltweit auch ergiebige Lagerstätten erkundet. Uran wurde dann ja auch für friedliche Zwecke (Atomkraftwerke, med. Zwecke usw.) in größeren Mengen gebraucht.
Was ist vom einstigen "Großen Bruder" gblieben?
Die Wismut stellte erst 1992 den Uranabbau in der schon untergegangenen DDR völlig ein. Ob die sog. „Treuhand“ ihre Finger dabei im Spiel hatte ist nicht bekannt. Viele Bergleute der DDR verbrachten ihr Arbeitsleben bei der Wismut und sind stolz darauf. Durch die schwere Arbeit unter Tage und auftretende Strahlung bekamen viele aber auch gesundheitliche Probleme. Weder die sowjetischen noch die deutschen Wismut-Angehörigen waren über die starke Gefährdung ihrer Gesundheit informiert. Besondere Kur- und Ferieneinrichtungen sollten Vorbeugen und Heilen. Kulturhäuser mit umfangreichen Angeboten sorgten für eine sinnvolle Freizeitgestaltung der Bergleute. Auftragskünstler verewigten in teilweise großartigen Kunstwerken die Arbeit der Wismut–Kumpel. Was aber erst 25 Jahre nach der Wende so halbwegs anerkannt wurde.


 PS.: Gott sei Dank ist das Uran aus unserer Gegend noch nie für einen Atombombenabwurf genutzt worden. Wenn allerdings NATO und Russen so weitermachen, ist es nicht ausgeschlossen, dass wir es eines Tages "zurückbekommen"... 

Anmerkung (1) Wismut = eigentlich ein chemisches Element in der Chemie, auch Bismut genannt.
Quellen: Chronik Suhl Kleine Suhler Reihe v. v. U. Brunzel Nr. 40
eigene Recherchen und Sammlungen


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Die Wismut – Schachtanlage am Bahnhof Suhl Friedberg 1953