Der Artikel muss mit einem Streit beginnen: Wenn es um den Kleinen Thüringer Wald geht, meinen die Geologen den nur 2 Kilometer breiten sog. Zechstein-Streifen zwischen Rappelsdorf und Grub, die Anwohner das fast durchgehende Waldgebiet im Dreieck von Schleusingen, Dillstädt und Suhl, die Heimatforscher hingegen den gesamten Höhenzug zwischen den Wasserläufen Werra, Lauter und Erle. Einig ist man sich aber, dass der mystische Ort mit seinen geheimnisvollen Flurnamen, überwachsenen Mauerresten und alten Sagen die Wiege der Walddörfer hier oben gewesen sein muss. Denn alles deutet darauf hin, dass sich im Vorfeld des „Großen Bruders“ Thüringer Wald bereits vor 5000 Jahren ein bedeutendes Siedlungszentrum an einer kontinentalen Altstraße entwickelt hatte. Hintergrund scheint dessen Sicherung und zusätzlich die Kupfer- und Eisengewinnung um Suhl herum gewesen zu sein.
Zunächst sieht man Wald, nichts als Wald, höchstens mal eine von diesen monströsen Holzerntemaschinen. Wer aber die Wege verlässt, findet auf Schritt und Tritt vergessene Relikte früher menschlicher Urbanität. Zumindest mehr als anderswo! Was aber hat die Altvorderen dazu bewogen, auf dieser unwirtlichen Hochfläche zu siedeln? Landwirtschaftlich gibt sie nämlich nicht viel her. Um das zu untersuchen, empfehle ich Ihnen meine Karte bei Google-Earth zu öffnen:
. Die Grafik präsentiert ungezählte archäologisch klassifizierte Fundestellen aus allen Kulturen und Zeiten (rot markiert), sowie solche, die bisher unbekannt waren (blau). Eine kleine Gruppe interessierter Heimatforscher hat sie in den letzten Jahren zusammengetragen. Dabei symbolisieren:
Ihre Merkmale sind in der Agenda links in der Karte aufgelistet. Zu den gelben Markierungen komme ich noch.
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Bronzezeitliches Hügelgrab über Dietzhausen |
Beginnen wir mit den allgemein bekannten Hinterlassenschaften: Dazu gehören viele Hügelgräber aus der mittleren Bronzezeit (um 1500 v. Chr.), wie nördlich von Oberstadt oder östlich von Grub. Über Dietzhausen wurden einige davon aufwendig rekonstruiert. Diverse Funde aus der Urnenfelderzeit z. B. östlich von Henfstädt oder über Tachbach vermitteln immerhin auch nach den klimatischen und gesellschaftlichen Umbrüchen von 1200 v. Chr. einen gewisse Entwicklungskontinuität. Die als „urzeitlich“ klassifizierte Wallanlage Laurenze südlich von Wichtshausen symbolisiert solche Übergänge:
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Kapelle in der Wallanlage Laurenze |
Konzentrationen künstlich bearbeiteter Steine deuten auf die ersten Bauern hin, die Gräber ringsum stammen aus der Bronzezeit, Struktur und Wall erinnert an eine keltische Viereckschanze, der Graben könnte aus dem Frühmittelalter stammen, die wahrscheinlich nachträglich eingepflanzte Kapelle aus der Zeit um 800 nach Christus. Solche eine „Vereinnahmung“ ehemals heidnischer Kultplätze war typisch für die Christianisierung. Aussagekräftige archäologische Grabungen gab es hier nie.
Die den Kelten folgenden Germanen machten sich in den gemachten Nestern ihrer Vorgänger breit, wie an der Strick bei Henfstädt oder der Widderstatt bei Wachenbrunn. Das Geheimnis der Wiederbenutzung allerorts: frische Quellen, fruchtbare Böden, urzeitliche Trassen, überschwemmungssicher. Auch die Talsiedlung Strick konnte nie überflutet werden. Bei Hochwasser floss die Werra einfach über den damals noch durchgehenden, nicht sehr hohen Felsriegel zwischen heutigem Agrarbetrieb und Henfstädt - ab.
Ob solche Kleinbefestigungen wie auf dem Burgberg nördlich von Lengfeld oder die markante Grabenanlage auf dem Hügel gleichen Namens südlich von Tachbach von Hermunduren, Thüringern oder gar erst von den Franken stammen, vermag niemand zu sagen. Letzteren kann aber die ehemalige befestigte Höhensiedlung Gärtles, nördlich von Henfstädt zugeordnet werden. Dort fand man eins ihrer typischen Reitergräber aus dem 6. Jhd. Die fränkischen Siedler legten sonst aber ihre Dörfer lieber in den Tälern an. Bekannte mittelalterliche Dorfwüstungen im Kleinen Thüringer Wald, wie „Leipzigs Rasen“ an einer Hangquelle oder der namenlose Weiler an den Teichen im Dreisbachtal waren so auch kein langes Leben beschieden.
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Johanniterhof Lange Bahn |
Trotzdem schien es um 1111 noch wichtig gewesen zu sein, da oben einen befestigten Hof anzulegen, wie die Ruinen des Johanniteranwesens an der Bergbaude Lange Bahn zeigen. Das 500 Jahre lang die Region beherrschende Geschlecht der Henneberger Grafen verpachtete ihn 1291 an den bekannten Ritterorden. Erst im 18. Jahrhundert wurden alle Bemühungen aufgegeben, auf der unwirtlichen Hochebene zu siedeln (weitere verlassene Orte im Kleinen Thüringer Wald siehe Post „Wüstungen um Schleusingen“).
Auch die Flurbezeichnungen im Kleinen Thüringer Wald beschreiben die ganze alte Geschichte unserer Region: Die Werra-Weser-Gleichsetzung beispielsweise, der über mehrere Kulturen hinweg kultverdächtige „Questen“-berg nördlich von Oberstadt, der „Wach“-berg nördlich von Grub, das Heilige Tal südlich von Dietzhausen oder der Hohe Rod (von „Rodung“) westlich von Altendambach. Diese Namen beantworten aber nicht unsere Frage, warum Menschen so weit oben gesiedelt haben.
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Eiserne Hand: Wegegabelung oder Ausspanne? |
Wegezeichen immerhin weisen auf eine hohe Dynamik unserer Vorfahren im Kleinen Thüringer Wald hin, wie der Menhir am Autobahnkreuz Suhl-Zentrum, das Steinerne Kreuz am Hundsrück oder Altweggabelungen wie die Eiserne Hand zwischen Schleusingen und Suhl. Letztere wird auch als sog. Ausspanne der üblichen Vorspanndienste deklariert.
Die Hohlwege an den Rändern des Kleinen Thüringer Waldes gehören zu den längsten, tiefsten und zahlreichsten in ganz Europa. In der Karte sind nur die Extremsten eingezeichnet. Südlich von Heinrichs beispielsweise hat sich eine 15 Meter tiefe Fahrrinne in den Boden eingegraben. Das mittelalterliche Pflaster dort liegt auf heutigem Niveau, der Weg muss also wesentlich älter sein. Was könnte - und vor allem wann - Tausende Kutscher dazu bewogen haben, das kleine Dörfchen an der Hasel anzusteuern? Der 1111 erstmals genannte Ort ist zudem entlang der mittelalterlichen Talstraße von Rohr nach Suhl angelegt worden. Überhaupt führen alle diese Pfade vom Kleinen Thüringer Wald herunter ins Haseltal an Suhl vorbei. Außer dem östlichsten! Die um 1300 erstmals erwähnte Stadt galt immerhin im Mittelalter als „Europas Waffenschmiede“. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass die kreuzenden Nord-Süd-Bergstraßen aus einer früheren Zeit stammen müssen.
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Wegefächer im Kleinen Thüringer Wald |
Außerdem scheinen die Wege im Kleinen Thüringer Wald einen Fächer zu bilden, der ein Altstraßenbündel von den Gleichbergen kommend aufgreift und Richtung Oberhof er Pass abfließen lässt. Dem eben schon erwähnten östlichsten Strang dieses Fächers wird von renommierten Autoren eine bedeutende Heer- und Handelsstraße zugewiesen: Die urkundlich belegte Kupferstraße aus dem Mittelalter. Sie soll Waren vom Mittelmeer bis nach Skandinavien gebracht haben. Diese Altstraße aber muss viel älter sein, begleitet sie doch eine Fund-Kette kleiner Steinwerkzeuge aus der Jungsteinzeit. Die zieht sich in unserer Region vom Keltenerlebnisweg in den Hassbergen über die seit allen Zeiten besiedelten Gleichberge zum Kleinen Thüringer Wald und weiter über die Suhler Loipe nach Oberhof, Arnstadt und Erfurt. Diese Trasse könnte also schon in der Kupferzeit Wanderer wie die Gletschermumie Ötzi von Italien nach Jütland geführt haben. Unvorstellbar aber archäologisch belegt! Dabei mussten, bezogen auf die steilste Tagestour, am Großen Thüringer Wald sogar mehr Höhenmeter gemacht werden als in den Alpen. Das erzwang im nördlichen und südlichen Vorfeld des Mittelgebirges beizeiten eine entsprechende Infrastruktur für Wegesicherung und Vorspanndienste. Ist das die Erklärung für die vielen Relikte im Kleinen Thüringer Wald?
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Steinwälle am Ehrenberg |
Alle 20 Kilometer, dem Tagespensum eines Ochsenkarrens, reihen sich über den gesamten Kontinentalweg frühzeitliche Befestigungen auf. Auch um Suhl ordnen Heimatforscher einigen Bergen solche Wegestationen zu. Dazu gehört der Domberg mit seinem prähistorischen Amphitheater, der Döllberg mit seinem „Heidengrab“ und die „Steinsburg“ - nicht zu verwechseln mit dem erst später so benamten Kelten-Oppida auf dem Kleinen Gleichberg. Da es aber keine archäologischen Grabungen gab, kann man das nicht beweisen. Auch den vielen bronzezeitlichen Hügelgräbern bei Schwarza, nördlich vom Kleinen Thüringer Wald, die beim Autobahnbau untersucht wurden, sind bisher keine entsprechenden Siedlungen zuzuordnen. Dabei liegen sie vor jedermanns Nase!
Wer nämlich mit den prähistorischen Erkenntnisse des Steinsburgmuseums bei Römhild groß geworden ist, die Lexikas über die Frühzeit Thüringens von Michael Köhler kennt und die „Fundkarten“ des verstorbenen Heimatforschers Ernst Fischer aus Suhl zu interpretieren weiß, findet im Kleinen Thüringer Wald ein Eldorado der Theoretischen Archäologie. Hunderte Artefakte, die nie wissenschaftlich begutachtet worden sind (blau in der Karte eingezeichnet) künden von einem frühzeitlichen Siedlungszentrum, das weit über die bisherigen Einschätzungen hinaus gehen muss.
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Modell einer frühzeitlichen befestigten Höhensiedlung |
Die vergessenen Denkmale kann man auch ohne Grabungen erkennen, denn die Menschen haben über alle Kulturen immer nach bestimmten Mustern gebaut. Gräber liegen beispielsweise prinzipiell in unmittelbarer Nachbarschaft der Siedlungen. Und die befanden sich ab 2200 v. Chr. meist auf Höhenrücken und waren teilweise schon mit heute noch sichtbaren Wällen befestigt. Zumindest sollte es den Höhenlinien folgende künstliche Schanz-Absätze geben, für die eine landwirtschaftliche Nutzung ausgeschlossen werden kann (zu kleinen Flächen, gleicher Hangwinkel etc.). Wenn dann noch ein markanter Flurname dazu kommt, ein typischer Höhenweg, eine hoch liegende Quelle, ein christlich vereinnahmter Kultplatz, heidnische Sagen und Bräuche - dann kann man relativ sicher sein, auf den Pfaden unserer Vorfahren zu lustwandeln. Solche Merkmale kennzeichnen auch alle vergessenen Höhensiedlungen im Kleinen Thüringer Wald.
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Jede Menge Steinhügelgräber um den Ehrenberg |
Bestes Beispiel: der Ehrenberg über der Langen Bahn als scheinbarer Mittelpunkt des Kleinen Thüringer Waldes (hier gelb eingezeichnet). Er ähnelt der bis in die Spätlatene hinein besiedelten Alteburg über Arnstadt. Der künstlich eingeebnete Höhenrücken ist östlich und westlich mit Steinwällen gesichert, sonst durch steile Abhänge. Heimatforscher haben um ihn herum fast einhundert Steinhügelgräber erfasst. An einer wahrscheinlich durch Raubgräber geöffneten Begräbnisstätte erkennt man deutlich die Nord-Süd-Ausrichtung der Steinkammer, was auf die Glockenbecherkultur schließen lässt. Die Oberfläche des Ehrenberges - jetzt nach einem Windbruch völlig entwaldet - ist mit losen Bruchsteinen übersät, für die der felsige Ursprung fehlt. Das ist wieder typisch für endneolithische Siedlungen und solche aus der Kupfer- und frühen Bronzezeit, wo die meisten Tätigkeiten noch mit Steinen ausgeführt wurden (Pfostensteine für die Hütten, Unterlagen beim Abschaben und Schneiden von Tierfellen etc.). Dazu kommen viele Kiesel- und Quarzsteine die hier ebenfalls nicht hingehören. „Ehrenberge“ gibt es dutzende in Deutschland und alle sind Verdachtsplätze für frühzeitliche Besiedlung wie nicht weit von hier über Kloster Veßra. Neben unserem Ehrenberg im Kleinen Thüringer Wald liegt der sog. Kirchberg. Solch eine Kombination von mutmaßlicher Siedlung und Kultplatz ist wieder typisch für die Frühzeit und lässt - wie auf der Laurenze - an einen christlich überbauten heidnischen Kultplatz denken. Diese scheint sich übrigens auch in diese Zeit einordnen zu lassen - allerdings viel größer. Eine mit Bruchsteinen versetzte Schanzkante zieht sich genau entlang des Höhenrückens, der zischen die Hügelgräber dort gelegt werden kann. Der heutige Wall ist demnach nur ein Schatten der ehemaligen Siedlungsburg.
Derartige vergessene Befestigungsstrukturen gibt es noch mehr im Kleinen Thüringer Wald, wie auf dem Knollenberg östlich von Dillstädt oder der Rappelsdorfer Kuppe. Auch 4000 Jahre Land- und Forstwirtschaft konnten ihnen nichts anhaben! Sie alle scheinen sich in ihrer „historischen Schönheit“ kaum von solchen bekannten neolithischen Wohnbergen zu unterschieden, wie der Schalkenburg im Harzvorland, dem Farrenberg bei Mössingenn oder dem Bullenheimer Berg im Steigerwald. Beweise aber wären nur durch archäologische Grabungen zu erbringen.
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10 Meter hohe Terrassen am Eulsberg über Dietzhausen |
Aus der Zeit nach 1200 v. Chr. werden die offensichtlichen Bodendeformationen noch deutlicher. Die neue Urnenfelderkultur - die Verstobenen wurden jetzt verbrannt - zeigt plötzlich und unmotiviert kulturelle und gesellschaftliche Umwälzungen. Wissenschaftler vermuten in dieser Zeit einen Klimakollaps, mit Agrarkrisen und kriegerischen Völkerwanderungen. Die Befestigungen wurden stärker, es kamen viele Neue dazu, die Bauern schienen gezwungen zu sein, gigantische Terrassenfelder anzulegen. Zum Vergleich stehen wieder dutzende untersuchte Höhensiedlungen in der Rhön, wie der Öchsen, die Diesburg oder die Alte Mark. Dort wie hier: Steinwälle, künstlich versteilte Abhänge, abgeflachte Bergkuppen, hoch liegende Quelle, Häusergruben und Steinkonzentrationen wie von Trockenmauern, Urnengräbern und später wieder Hügelgräbern. Immer noch schien die Weilerbauweise zu dominieren.
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Hügelgräber und befestigte Bergnasen über Grub |
Besonders an den künstlich versteilten Abhängen bei Schanzkanten und Terrassen kann man erkennen, dass die Siedlungen jetzt mehr an die Ränder der Hochfläche des Kleinen Thüringer Waldes gerückt sein müssen. Da gibt es Stufen mit bis zu 10 Metern Höhe, wie rechts und links von Erlau, am Vorderen Haak über Mäbendorf, am Lautenberg und Hohen Loh in Suhl oder am Eulsberg über Dietzhausen. Die Siedlungen besetzen damit prinzipiell die äußersten Bergnasen, die aus der Hochfläche heraus ragen. Quasi wie eine Rundumverteidigung - in der Mitte wahrscheinlich die Felder. Solch ein Siedlungsprinzip wurde von Archäologen auf dem Höhenzug von Erkenbrechtsweiler in Baden-Württemberg nachgewiesen. Die sternförmig angelegten Befestigungen dort sind zwar alle antik oder mittelalterlich überbaut, stammen aber aus der Bronzezeit. Im Kleiner Thüringer Wald zeigt die Karte sie noch alle jungfräulich - aber vergessen: Steinsburg/ Suhl, Bruchkopf/ Erlau, Himmelsleiter/ Schleusingen, Arnstein/ Leutersdorf, Streitkopf östlich der Wüstung Germelshausen, Krayenberg/ Vachdorf, Stedtberg/ Belrieth, Knollenberg/ Dillstedt oder Vorderer Haak/ Mäbendorf.
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Hügelgräber und prähistorischer Kultplatz bei Oberstadt |
Und da nenne ich nur die mit den deutlichsten Merkmalen. Verrückt, aber solche Siedlungs-Ensemble scheinen in Südthüringen nichts Besonderes gewesen zu sein, denn auch die angrenzenden Höhen folgen diesem prähistorischen Muster: Rund um den Dolmar, die Geba, das Dreieck Rohr-Suhl-Zella-Mehlis oder der Höhenzug zwischen Werra und Jüchse, einschließlich der Gleichberge.
Wir erkennen hier, warum historisch interessierte Menschen den Kleinen Thüringer Wald über den Zechsteinuntergrund und das Waldgebiet hinaus erweitern möchten. Denn nach der Karte scheint es sich um ein abgegrenztes Areal mit strategischen Anlagen zum Schutz und zur Betreuung des Nord-Süd-Kontinentalweges seit den ersten Bauern zu handeln. Den Menschen war es egal, ob sie über Zech-, Sand- oder Schieferstein ackern mussten. Siedlungszwang - auch ohne fruchtbaren Boden!
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Der Kleine Thüringer Wald im Dunstkreis
der frühzeitlichen Siedlungen auf den Gleichbergen
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Einen weiteren Grund dafür liefern Heimatforscher wie Fischer oder Weiske: Sie vermuten, dass an der alten Heer- und Handelsstraße bereits in der Keltenzeit Kupfer und Eisen um Suhl herum gefunden und abgebaut wurden. Die Kupferstraße hätte so auch als Rohstoff-Verbinder zum keltischen Oppidum Steinsburg auf den Gleichbergen herhalten müssen: westlich ging es um das damals noch versumpfte Tal in Suhl herum zum Abbaugebiet Domberg, östlich zu den Gruben am Döllberg. Für diese These spricht außerdem, dass die Kupferstraße den Rennsteig ja hätte direkt ansteuern können, ohne das Haseltal bei Suhl zu queren (gelbe Linie): vom Kleinen Thüringer Wald über Friedberg, Döllberg, Wegscheide, Kalte Herberge und Kreuzweg. Da aber gibt es nur unbedeutende Wagenspuren. Wie es aussieht, nahmen die meisten Kutscher den beschwerlichen Talweg in Kauf! Einen Grund können nach Weiske nur Bergbau und alte Siedlungen geliefert haben.
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Frühmittelalterlicher Burgberg über Bischofrod |
Warum aber diese starke Verästelung im Kleinen Thüringer Wald? Kritiker werden sofort den ausgrenzenden Blick der Karte monieren. Denn mit Hohlwegen und befestigten Höhensiedlungen wartet fast jeder Höhenzug zum Rennsteig auf. Doch die dazu gehörenden frühen Trassen sind bekannt. Im Westen ist das die sog. Weinstraße, die von Würzburg, Schweinfurt kommt und über Walldorf, Rotterode Richtung Gotha führt. Im Osten kann die sog. Frauenstraße genannt werden, die wahrscheinlich mehr die Richtung Bamberg, Coburg bedient hat. Natürlich könnte es auch Querverbindungen zwischen diesen 3 Trassen gegeben haben, doch da fehlen wieder bedeutende Hohlwege. Das Altstraßenbündel der Karte scheint also ein relativ abgeschlossenes System gewesen zu sein, das gegenüber den anderen alten Trassen einige Besonderheiten aufweist. Denn nur am Kleinen Thüringer Wald finden sich
1. das mit Abstand größte Hohlwegesystem,
2. ein solch historisch und wirtschaftlich bedeutsamer Kontinentalweg,
3. der nachweislich über 5000 Jahre lang benutzt wurde,
4. einen zentralen Übergang über das Mittelgebirge schuf und
5. so optimal die Zwangsführungen durch die Geografie nutzte.
Denn jede andere Variante der kontinentalen Kupferstraße über den Großen Thüringer Wald hätte zusätzliche Flussfurten, erhebliche Umwege oder noch steilere Anstiege erfordert. Auch die merkwürdige Aufsplittung im Kleinen Thüringer Wald lässt sich so erklären. Jeder der eingezeichneten Pfade hat für Reisende Vor- und Nachteile. Ich bin sie alle mit dem Fahrrad abgefahren. Zeitlich läuft es auf dasselbe hinaus.
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Hohlweg über Heinrichs |
Fazit: Nach allem was wir wissen, scheint es im Vorfeld des Oberhofer Passes ein wichtiges prähistorische Siedlungszentrum im Dreieck von Rohr-Schleusingen und Suhl gegeben zu haben. In der Bronzezeit dürfte der hierarchische Mittelpunkt auf dem Ehrenberg gelegen haben, ab der Urnenfelderzeit auf den Bergnasen an der Hasel, im Frühmittelalter an denen der Werra. Ihre Aufgabe könnte die Betreuung und Bewachung des kontinentalen Urweges von Italien nach Skandinavien gewesen sein. Als im Hochmittelalter die Straßen nur noch durch die Talsiedlungen verliefen, geriet der Kleine Thüringer Wald nach und nach in Vergessenheit. Die Dörfer an seinem südlichen Rand sollen nach den hiesigen Chronisten erst mit der zweiten fränkischen Siedlungswelle im 11. Jahrhundert gegründet worden sein. Sie scheinen aber die sicher wieder verwachsenen Rodungen der Altvorderen genutzt zu haben.
Doch jetzt kommen wir langsam in den "schriftlichen" Teil der Geschichte und das kann überall nachgelesen werden. Historiker werden aufatmen! Logische Indizien sind halt keine Urkunden und theoretische Archäologie ersetzt eben keine realen Grabungen. Aber die Himmelsscheibe von Nebra oder die riesigen neolithischen Wall-Graben-Siedlungen bei Dresden und Leipzig haben unseren Horizont über die Frühzeit ja auch nachhaltig erweitert. Kein Steinwall, kein Grab, kein Hohlweg entstanden aus Jux und Tollerei. Interessierte sind gerne zu geführten Wanderungen eingeladen.