Sonntag, 9. August 2015

Prähistorische Altstraßen durch Franken


Kontinentaler Handel seit der Jungsteinzeit durch Franken
Um es gleich vorwegzustellen: Hier geht es nicht um die mittelalterlichen Altstraßen, wie sie überall entlang der Hohlwege in unserer Region erforscht werden, wie Weinstraße, Ortesweg oder Via Imperii. Hier wird das Reisen von vor über 3.500 Jahren beleuchtet. Lächerlich? Ein ausgegrabener Knüppeldamm über die Sülze unterhalb des Stillhofes bei Meiningen zeugt von einem wohl organsierten Verkehr in jener Zeit.
Um 1500 v. Chr. herrschte in ganz Europa die Bronzezeit. Im heutigen Franken wohnten damals die Nachkommen aus einer Vermischung von Schnurkeramischer- und Glockenbecherkultur. Wahrscheinlich benutzten sie schon irgendein indogermanisches Idiom. Durch das heutige Franken zogen Handelswege, die bereits damals Bernstein von der Ostsee an die Adria brachten und Feuerstein aus den Alpen nach Norden. Ausgrabungen nördlich des Thüringer Waldes haben jede Menge keltische Artefakte hervor gebracht, die ab 800 v. Chr. in Süddeutschland hergestellt worden waren.
Hohlweg: Mittelalter oder Frühzeit?
Um die dafür benutzten Handelspfade heute aber zu identifizieren, bedarf es eines Tricks. Die vielen alten Hohlwege können als Linienführung ja nur bedingt heran gezogen werden, weil die Archäologen sie in das Mittelalter datieren. Von den Klimaforschern wissen wir aber, dass es ab 1200 v. Chr. ziemlich feucht bei uns zugegangen sein muss. Sämtliche Flussniederungen scheinen also versumpft gewesen zu sein. Jedenfalls entstanden allerorts befestigte Höhensiedlungen. Eine Wegführung entlang der Wasserscheiden wird also wahrscheinlich. Dort reiste man ja auch davor und danach wesentlich schneller, ohne Umwege und zusätzliches Auf und Ab sowie durch die Weitsicht auch sicherer.
Typischer Kultplatz an den Urstraßen
Tatsächlich reihen sich auf diesen Höhenwegen Grabhügel, alte Wallanlagen, heidnische Kultplätze und archäologische Fundstücke von damals wie Perlenketten aneinander. Von Bad Königshofen beispielsweise zieht sich eine Fundkette von kleinen Steinwerkzeugen aus der Kupferzeit bis über den Thüringer Wald nach Arnstadt. Man braucht also nur diese Objekte miteinander zu verbinden und weiß, wo die Uraltvorderen entlang gezogen sind.
Eine solche Trasse stellt, wie in anderen Posts erwähnt, der heutige Keltenerlebnisweg zwischen Bad Windheim und Meiningen dar (Siehe Post: "Altwege durch Südthüringen" und "Keltenerlebnisweg"). Mit seinen aneinander gereihten Höhensiedlungen und den archäologischen Ausgrabungen zeichnet er einen gut nachvollziehbaren prähistorischen Urweg von der Donau bis ins Thüringer Becken nach.
Völlig unbekannt, aber wahrscheinlich viel bedeutender, fräst sich auch weiter östlich solch eine Nord-Süd-Magistrale der Altvorderen in die Fränkische Alp bzw. Fränkische Schweiz: Die prähistorische Oppida-Route durch Franken. (Bitte öffnen Sie diesen Link als separates Browser-Bild neben diesem Text.)
Fundkette am prähistorischen Urweg durch Franken
Die so vergleichbare Trasse trägt scheinbar keinen Namen und ist auch nirgends dokumentiert. Deshalb nenne ich sie: die Oppida-Route. Denn an ihr reihen sich archäologisch viel bedeutendere Höhensiedlungen auf, als am Keltenerlebnisweg. Die Muster, nach denen beide angelegt wurden scheinen die gleichen: Sie müssen nach den Funden bereits von den ersten Bauern um 4500 v. Chr. angelegt worden sein. Das macht ja auch Sinn, denn Mitteleuropa soll ja während der neolithischen Expansion besiedelt worden sein, die aus Anatolien die Donau hoch kamen. So scheinen Ziele, Methoden und Motivation der  zwei Wege identisch: Marschrichtung Nord-Süd, ausschließlich auf Bergrücken entlang der Wasserscheiden, alle 20 Kilometer etwa, dem Tagespensum eines Ochsenkarrens, mussten befestigte Rastplätze angelegt werden. Die unumgänglichen Fluss-Furten wurden dabei durch besonders starke Wallanlagen geschützt (Siehe weiter unten!). An den Talabhängen dort liegen dann auch jene tiefen Hohlwege, die nur schwerlich bekannten mittelalterlichen Altstraßen zugeordnet werden können. Überlappungen waren selbstverständlich möglich.
Los Millares als Vorbild aller späteren Keltenburgen
Die Festen selbst befinden sich durchweg in Sichtweite voneinander, haben oder hatten eine Quelle, eine gute Rundumsicht und an ihren Abhängen oft unregelmäßige Ackerterrassen. Diese sind heute üblicherweise wegen überstrapazierter Landwirtschaft mit Magerrasen bewachsen. In der Umgebung der frühzeitlichen Wallsiedlungen finden sich auch immer geologische Besonderheiten, die wahrscheinlich als Kultplätze benutzt worden waren (Höhlen, besondere Steinformationen, künstlich bearbeitete Felsen). Das konnte durch einfassende Schanzen oder entsprechende Bodenfunde nachgewiesen werden. Auch die Stein- oder Hügelgräber lagen in direkter Nachbarschaft. In Franken werden solche Bergsiedlungen gerne als Burgställe bezeichnet, was ohne wissenschaftliche Untersuchung keine Unterscheidung zwischen Frühzeit und Frühmittelalter, respektive Kelten oder Germanen zulässt. Trotzdem kann man auch dort, wo es noch keine wissenschaftlichen Grabungen gab, einzelne Baustile unterscheiden:
  1. Die großen Kreisgraben-Siedlungen der ersten Linienband-Bauern ab 5000 v. Chr. lagen vereinzelt auch schon auf Höhenzügen (Goseck)
  2. Die leicht zu verteidigenden Bergsporne der ersten Kupfer- und Bronzeschmiede, ab 2200 v. Chr. etwa, mit künstlich versteilten Abhängen bewehrt, vielleicht unterstützt durch Palisaden und Graben, dafür mit ersten großflächigen Terrassierungen, oft überbeanspruchte Magerrasenabhänge. Heute sind nur noch kleine Schanzkanten oder verschliffene Wälle zu erkennen.
  3. Ab 1200 v. Chr. die großen Wallsiedlungen von Urnenfelder-, Hallstatt- und La Tene Kultur mit ihren monströsen, heute zerfallenen Holz-Stein-Mauern und vielen parallelen Terrassenfeldern, manchmal durch Germanen nachgenutzt.
  4. Die kleinen Wallburgen des germanischen Frühmittelalters, belegt seit der Invasion der Franken im 6. Jahrhundert, ebenfalls aus Holz, oft mit tiefen umlaufenden Gräben, aber ohne nennenswerte Infrastruktur.
Beispiel frühmittelalterliche Befestigung
In der Karte habe ich die befestigten Siedlungen aus 1. und 2. mit einer kleinen Bergspitze versehen. Wegen der ständigen Überbauung durch nachfolgende Kulturen sind sie in der Theoretischen Archäologie nur schwer zu unterscheiden. Die frühmittelalterlichen Festen der Germanen und ersten Franken kennzeichnet eine kleine Burg. Weitere Hinweise zur Urstraße liefern Hügelgräber, Flurnamen, Menhire, später Kreuze etc., hier als Drei-Punkte-Ikon markiert.
Beim Studium der Karte hilft ein Blick in die Geschichte: Bis 1200 v. Chr. etwa scheinen sich die frühen Bauern und späteren Bronzeschmiede auf ihren Höhensiedlungen friedlich entwickelt zu haben. Danach kommen völlig unmotiviert die Urnengräberfelder auf. Die neue Bestattungskultur, die sich nun in ganz Europa (außer an den Küsten) ausbreitete, wird von der offiziellen Wissenschaft gern als religiöse Modeerscheinung abgetan. Einige wenige Archäologen und Klimaforscher aber bringen diesen Umbruch mit Naturkatastrophen am Atlantik (Vulkaneruptionen, Erdbeben, Tsunamis) und kriegerischen Völkerwanderungen "möglich weit weg von den Küsten" in Verbindung. Nur so könne man die geschichtlichen Phänomene erklären, die anschließend folgten.
Oppida Staffelberg mit Terrassenfeldern
Mit den Urnengräber-Leuten tauchten nämlich schlagartig und in Massen befestigte Höhensiedlungen in Mitteleuropa auf, flaches Land wurde entvölkert, neue Waffen kamen zum Einsatz und auffällig viele Menschen vergruben ihre Schätze (Hortfunde). Die Neuankömmlinge aus dem Westen  und Norden besetzten dabei auch die alten Siedlungshügel der Bronzeschmiede und bauten sie peu a peu zu den gewaltigen Wallanlagen aus, wie wir sie heute kennen. Auffällig sind auch die vielen Terrassenfelder an solchen Befestigungen, die auf einen Klimakollaps und Dauerregen hinweisen. Dem musste eine Agrar-, später eine so genannte Subsistenzkrise folgen, die die ganze Gesellschaft erfasste. Erst nach 400 Jahren schien sich das Leben wieder zu normalisieren. Nun konnten sich ohne weiteren Bruch erst die Hallstatt-, dann die La Tene Kelten entwickeln.
Ehrenbürg mit Magerrasenabhängen
Die hatten natürlich im ganzen Land ihre befestigten Siedlungen, aber nirgends so konzentriert wie an den alten Handelsrouten. Als deren Eliten dann, wahrscheinlich wieder klimabedingt, bis spätestens 50 v. Chr. nach Süden abgezogen waren und die Germanen langsam nachrückten, verfielen die meisten Wallanlagen. Die neuen Herren konnten ja auch wieder in den trocken fallenden Niederungen siedeln. Archäologen fanden nur teilweise Brandspuren in den alten Bollwerken, was den Streit über die Auseinandersetzung mit den Germanen bis heute am Leben erhält. Die unter 3. genannten kleinen Wallburgen scheinen erst mit der Invasion der Franken ab 531 entstanden zu sein. Manchmal wurden auch Kelten-Wälle nachgenutzt, wie die Coburg beispielsweise, die Heldburg oder die Henneburg. Als aber die fränkischen Grafen ihre Macht über die sog. Kleinherrschaften konsolidierten, war mit dem Burgen-Boom Schluss. Die befestigten Orte der Franken habe ich übrigens nur dann in die Karte eingezeichnet, wenn unter ihnen eine vorzeitliche Bergsiedlung vermutet werden kann.
Houbirg mit Quelle und Kultplatz
So zieht es sich von der Donau - wahrscheinlich beim Oppidum Manching - durch Ostfranken über den Thüringer Wald bei Neustadt bis ins Thüringer Becken und über die Monraburg immer weiter nach Norden. Selbst in Skandinavien noch begleiten uns die neolithischen und bronzezeitlichen Siedlungen und Gräberfelder am Weg. Nur zwischen 1200 und etwa 600 v. Chr. klafft hier eine Lücke, wahrscheinlich wegen den o.g. Verwüstungen. In der Literatur wird dieser weiterführende Urweg ziemlich diffus als mittelalterliche Kupferstraße beschrieben (Siehe entsprechender Post in diesem Blog). Sie soll von Jütland bis Nürnberg geführt haben. In unserer Karte ist sie nur durch die Straßennamen in Wimmelburg, bei Oerenstock, in Nürnberg und Ingolstadt markiert. Dabei fällt aber ein Widerspruch auf: Die Altstraßenforscher beziehen sich in ganz Nord- und Mitteldeutschland ausdrücklich auf die frühzeitlichen Artefakte und wasserscheidenden Höhenzüge entlang des Weges, um ihn dann ab Coburg in die Niederungen von Itz, Main, Regnitz und Rednitz zu verlegen. Dort kann es aber erst nach den Klimakapriolen, vielleicht nach der Völkerwanderung so richtig losgegangen sein. Das bestätigen auch die entsprechenden Siedlungsfunde. Nur wenige Kilometer östlich dieser angeblichen Kupferstraße durch Franken aber verläuft parallel unsere Oppida-Route auf den Höhenzügen von Oberfranken und Oberpfalz. Ich schlage deshalb vor, sie als frühzeitliche Variante der Kupferstraße zu interpretieren! Er wird damit - neben dem Keltenerlebnisweg und der Schwarzwaldroute - zu einem weiteren Strang der alten europäischen Kontinentalstraße, die von Skandinavien, durch unsere Heimat und entlang dem Vorgänger der Via Claudia Augusta über die Alpen bis nach Italien führt. Mehr noch: Er könnte damit, zumindest in seinem südlichen Teil, als prähistorischer Vorgänger der Via Imperii gelten. Da bin ich aber noch am Forschen.
Beispiel Keltenwall
Doch auch ohne Namen ist unsere Trasse durch Franken ein Wunderwerk menschlicher Entwicklung. Sie führt durchgängig entlang markanter Höhenplatten und wird nur sechs mal durch unumgängliche Talquerungen mit sichernden Oppida unterbrochen. Dort finden sich regelrechte Ballungszentren der Frühzeitler (in Klammern die Gräber, Kultplätze und andere befestigte Areale jener Zeit, direkt in der Nachbarschaft):
  • Schellenberg über dem Altmühltal (Felsenklause, Hügelgräber)
  • Simmersberg über Schwarzach (Felsenkeller Löwengrube, Teufelskeller, Hegnenberg)
  • Houbirg über Pregnitz (Hoher Fels, Arzberg, Steinberg, Michelsberg)
  • Ehrenbürg über Wisent (Gräber bei Mittelehrenbach, Weilersbacher Platte)
  • Staffelberg über Main (Gräber und Wall Dornig, Ansberg, Possenberg, Wall über Kümmel, Quelle an späterer Kapelle Vierzehrnheiligen)
  • Hohe Wart über Itz (Mahnberg, Hundsberg, Weinberg, in der Altstraßenforschung als Weg- oder Wagenberg belegt)
Alle anderen Flüsse und Bäche konnten umgangen werden. Manche wurden zur Abkürzung gefurtet (z. B. Grub bei Coburg). Die belegbare Weggabelung bei Kümmersgereuth macht für eine prähistorische Fernstraße nur dann Sinn, wenn prinzipiell unterschiedliche Ziele angepeilt werden mussten. Das könnte auf der einen Seite das Ilmtal mit dem Thüringer Becken und auf der anderen das Saaletal mit Mitteldeutschem Becken um Leipzig gewesen sein. Der westliche Strang kreuzt dann den Rennsteig nördlich von Steinheid bei den Bergen "Hohe Wart" und "Schanze", der andere an der Höhe "Altes Schloss" nordwestlich von Spechtsbrunn, respektive am "Wetzenstein" bei Lehesten. An allen diesen Punkten hätte man sein Ziel noch einmal über die prominente Querverbindung revidieren können; der  wasserscheidende Rennsteig scheint nämlich ein genauso vielbenutzter Urweg gewesen zu sein (Siehe entsprechenden Post). So konnte man den Kamm beispielsweise ein Stück Richtung Nordwesten folgen, um bei Neustadt mit "Großem Burgberg" ohne weitere Talquerung zur Wallanlage Singer Berg Richtung Erfurt zu gelangen. Das dichte Hohlwegenetz um Lichte aber deutet an, dass die Altvorderen zumindest im Mittelalter mehrheitlich den Weg Richtung Saalfeld gewählt haben müssen. Die "trockene", also frühzeitliche Variante dort führt durch Schmiedefeld. Der östliche Strang unserer Route bot an der "Schaltstelle" Heunischenburg noch einmal zwei Varianten mit Blick auf dass Saaletal an. Beide treffen sich wieder an der Wallanlage Gleitsch, bzw. an der Wernburg.

Beispiel Keltentor
Vielleicht noch zu ein paar Besonderheiten am Weg: Warum das Oppidum Manching als Ausgangs- oder Zielpunkt? Es soll mit etwa 10.000 Bewohnern 300 Jahre lang vor der Zeitrechnung die größte keltische Siedlung überhaupt gewesen sein. Sie lag damals direkt an einem Mäander der Donau und über die angedeuteten Höhenwege war man schnell auf der Vorgängerroute der Via Claudia Augusta nach Italien .
Die meisten bronzezeitlichen Hügelgräber am Weg finden sich im Grafenforst östlich von Kinding. Dass sie von den Bewohnern des Schellenberges angelegt wurden, ist unwahrscheinlich. Dafür liegen sie zu weit ab. Ich vermute eine befestigte Siedlung unter dem Steinbruch über Pfraundorf. Denn auch der spätere Abbau von Steinen  an frühzeitlichen Wallanlagen ist leider typisch für Mitteleuropa. Bei der notwendigen Furt der Schwarzach bei Altendorf, wo die historische Straße von Frankfurt nach Regensburg kreuzt, ist die sichernde Wache nicht eindeutig auszumachen. Ich vermute sie auf den Schanzen am Brentenberg und am Simmersberg. Den schneidenden Ludwig-Donau-Main-Kanal gab es ja damals noch nicht. Besonders vor Hersbruck wird deutlich, wie die Höhenwege im Frühmittelalter auf der Suche nach Abkürzungen immer öfter auch durch Täler geführt wurden. Es strotzt dort nur so vor Hohlwegen. Um Wallsdorf herum, östlich von Nürnberg, könnte den Flurnamen und den Bodenstrukturen nach auf jedem zweiten Hügel eine Befestigung gestanden haben. An den Hochflächen um die keltischen Wallanlagen Staffelberg und Coburg zeigt sich besonders schön die Gruppendynamik jener Zeit: Wie andernorts auch scheint jeweils das gesamte Plateau besetzt gewesen zu sein, mit Feldern in der Mitte und befestigten Wachen jeweils an den Randkuppen.

Natürlich gibt es auch andere Altstraßen durch Franken. Bekannte, mit mittelalterlichem Namen, aber auch weniger- und Unbekannte. Alle aber scheinen prähistorische Wurzeln zu haben, alle folgen den eben beschriebenen Mustern, alle führen weit über ihre urkundlich belegten Endpunkte hinaus (jeweils in Klammern). Die Limeszufahrten und Römerstraßen auch nördlich der Donau lasse ich wegen der Menge an Veröffentlichungen dazu außen vor. Da wären also:
  • die Hohe Straße zischen Speyer und Nürnberg (Paris-Prag), bisher nur im Verlauf bei Rennwege eingezeichnet.
  • ein kleines Stück Rennsteig im Thüringer Schiefergebirge (Ärmelkanal-Karpatenbecken)
  • eine West-Ost-Kontinentalstraße von Frankfurt nach Regensburg (Mainz-Böhmen) Ebenfalls nur dem Verlauf nach in der Karte Rennwege.
  • der Ortesweg von Marburg nach Bamberg (Rhein - Böhmen)
  • Die Via Imperii, bisher lediglich nach Durchzugsorten ebenfalls bei Rennwegen erfasst
  • Franken besitzt aber selbst viele Renn-Orte und -Trassen, einer davon ist der  Rennweg (teils auch Hohe Straße) zwischen Kitzingen und Forchheim (Würzburg-Böhmen) sowie der Rennstieg von Bad Königshofen nach Bad Windsheim (Mitteldeutschland-Via Claudia Augusta)
  • Die alte Kupferstraße - in der Frühzeit von Skandinavien über den Thüringer Wald nach Rom 
  • die von mir so genannte "Harraser Urwegroute" vom Rennsteig nach Bamberg (Siehe gleichnamiger Post")
  • die nicht näher bezeichneten, von Schleusingen sich sternenförmig ausbreitenden Verbindungswege der Henneberger Grafen zu ihren Vasallen; die hatten ja auch 500 Jahre Zeit, sich in Nordfranken in die Erde zu wühlen (Siehe Post: Altstraßen durch Südthüringen)
  • weitere Magistralen von Franken über den Thüringer Wald nach Mitteldeutschland in folgenden interaktiven Karten: Das prähistorische Umfeld des Hexenhügels, die Hohe Straße über den Rennsteig bei Oberhof
  • mehrere Urwege die Franken tangieren: die Weinstraße, deren Anschüsse besser bei den Rennwegen zu erkunden sind, der prähistorische Urweg Gabreta Silva, dessen Einornung bei der Europäischen Hauptwasserscheide abzulesen ist, auserdem  Urwege zwischen keltischen Wallanlagen in Südthüringen
  • auch die römische Via Claudia Augusta muss schon zu vorrömischer, sprich keltischer Zeit begangen worden sein
  • die Altmagistralen, die vom mutmaßlichen keltischen Oppidum auf dem Marienberg in Würzburg über den Rennsteig ins Thüringer Becken führten und die im Frühmittelalter als "Schnellstraße" der ersten Thüringisch-fränkischen Herzöge fungiert haben müssen (weswegen sie im entsprechenden Post von mir als Heden-Wege nach dem 1. fränkischen Herzogsgeschlecht bezeichnet werden)
  • Die Europäische Hauptwasserscheide, die mit ihren Abkürzungen über den Rhein und die Altmühl von Gibraltar bis Moskau zu führen scheint. Dort sind auch mehrere Trassen nach ihren Durchzugsorten von Franken nach Böhmen eingezeichnet (Goldene Straße). 
  • Dazu kommen hunderte Pfade mit Eigennamen wie Trattweg, Diebesstieg oder Dörrmaulweg, die nur Einheimische kennen und hier den Rahmen sprengen würden.
Ich fahre diese Strecken nach und nach alle mit dem Fahrrad ab und werde hier auch immer darüber posten. Es fasziniert mich, wie sich die oben beschriebenen Muster wieder und wieder in der Landschaft abbilden. Manchmal suche ich neben einem scheinbar unmöglich zu befahrenden Steilhang stundenlang nach alternativen Abfahrten, um dann doch nur immer wieder vor einem unüberwindlichen Hindernis zu landen, wie zwischen Dillberg und Altdorf (Steiles Tal). Die einzigen Info-Tafeln zu Altstraßen habe ich auf dem Oppidum Schellenberg und an einer Wegegabelung kurz vor Kümmersreuth gefunden. Da wird auf "mögliche" prähistorische Höhenwege und mittelalterliche Handelsstraßen hingewiesen. Schade, dass die Experten vor Ort so selten über ihren Tellerrand hinweg schauen können. Sie kennen zwar jeden Schleichweg, aber ich wäre erstaunt, wenn es in der Karte gravierende Abweichungen gäbe.
Schellenberg zur Sicherung der urzeitlichen Furt
durch die Altmühl
Ich stoße in Franken auch ständig auf Flurbezeichnungen wie „Fliehburg“, „Volksburg“ oder „Schwedenschanze“. Diese Bezeichnungen müssen aus Zeiten stammen, als die Menschen noch nichts mit den offen liegenden Wallanlagen im Wald anzufangen wussten. Bisher ist keine einzige Gemeinschaftsschutzeinrichtung mehrerer mittelalterlichen Dörfer auf einem zentralen Berg nach der Zeitenwende nachgewiesen worden. Überall dort, wo Archäologen gegraben haben, kamen frühzeitliche Relikte zum Vorschein. Vorstellbar höchstens, dass sich die Schweden im Dreißigjährigen Krieg ab und an innerhalb vorhandener prähistorischer Wallanlagen verschanzten. Die vorzeitlichen Funde auf solchen "Schwedenschanzen" sprechen aber eine andere Sprache. Man darf sich auch nicht von den lokalen Bezeichnungen wie "Burgstall, „abgegangene“ oder „offengelassene“ Burgstelle irre machen lassen, die keinerlei Bezug auf das Alter des Bodendenkmals zulassen. In vielen Fällen verstecken sich dahinter nicht mittelalterliche, sondern vor- oder frühgeschichtliche Bergsiedlungen, strategisch angelegt, für mehrere hundert Menschen, ehemals mit einer Holz-Stein-Mauer befestigt, oft archäologisch ab 1200 v. Chr. datiert, mit Quelle, Ackerland, Kultplatz, Grabhügel oder Gräberfeld. Und - sie liegen an einem dieser Urwege! Damit werden die berühmten Oppida Frankens und Südthüringens zu nichts weiter als Versorgungs- und Wachstationen für frühe Reisende. Sicher hat sich deren Besatzung immer zu Herren über die im Umfeld liegenden Bauern aufgeschwungen. Aber es ging ihnen wie allen Mächtigen in der Geschichte: Irgendwann war mit veränderten Verkehrstrassen ihre Zeit abgelaufen. Manch umliegender Weiler aber konnte sich zu einem heutigen Dorf entwickeln... 

Freitag, 7. August 2015

Keltische Sprachwurzeln in Südthüringen


Keltisches Oppida Steinsburg:
Die alten Herren unserer Heimat
Die Geschichte aus schriftloser Zeit müsste sich doch auch von den Namen der Flüsse, Berge und Siedlungen um uns herum ableiten lassen. Südlich des Rennsteigs ist alles Germanisch, sagen die Flurnamenforscher vom Heimatbund Thüringen. Kann nicht sein, sage ich. Denn wenn die Germanen bei ihrem Einzug hier wirklich alle Geländemarken neu definiert hätten, gäbe es nicht so viele ungeklärte Begriffe in der Landschaft (Beispiele folgen). Da scheint noch einen andere Sprache im Spiel zu sein. Gehen wir der Sache also auf den Grund:
Schon in der Steinzeit muss es eine differenzierte Sprache gegeben haben. Gerade bei Jägern und Sammlern war es existentiell, geologische Besonderheiten zu definieren. Höhlenmalereien, wie im fränkischen Gleisenau oder megalithischen Steinreihen, wie in Langenbach im Thüringer Wald, als Richtungsanzeiger zum Pass ins Saaletal, zeigen das Jahrtausende währende Mühen um präzise Ortsbeschreibungen.
Wo sind die Landmarken bei der Ausbreitung
der ersten Bauernkulturen geblieben?
Unstrittig dürfte auch sein, dass die ersten Siedler einer Region auch die ersten Namen vergeben haben. Und wer waren diese Leute? Bis 5.000 v. Chr. gibt es gar keine Anhaltspunkte. Dann wanderten die archäologisch klassifizierten, aber sprachlich nebulösen Bauern ein, wie Linienbandkeramiker aus dem Osten- und teils auch La Hoguette aus dem Westen. Sie splitteten sich auf und vermischten sich teilweise. Über die Sprache ist weiterhin nichts bekannt, auch wenn einige Sprachwissenschaftler drüber spekulieren, ob die Bandleute nicht schon ein ur-indogermanisch gesprochen haben könnten. Die meisten Experten aber datieren die Einführung der neuen Sprache bei uns um 3.500 v. Chr. Damals müssen sich in Mitteleuropa die aus dem Osten kommenden Trichterbecherleute mit ihren Holzkammer-Bestattungshügeln und die westliche Megalithkultur mit ihren Steinkammer-Grabhügeln gegenüber gestanden haben. Erstere habe sich sich lokal entwickelt, ohne Verbindung zu den späteren indogermanischen Zentren, letztere mit einem sprachlich tiefen "alteuropäischen Hinterland" bis Spanien und Portugal. 
In Mitteleuropa mischten sich nicht erst ab 2500 v.Chr.
östliche und westliche Sprecher
Um 2.600 v. Chr. stoßen dann von dort die Glockenbecher-Leute dazu. Nach neuesten Erkenntnissen kamen sie, wie die Megalithkultur, von der Iberischen Halbinsel. Sie scheinen deren direkte Nachkommen gewesen zu sein. Eine ähnliche Sprache kann also angenommen werden. Archäologisch vermischen sie sich in Mitteldeutschland mit den inzwischen aus den Steppen Russlands eingewanderten Schnurkeramikern zur Aunjetitzer-Kultur (2200-1600 V. Chr.). Das ist auch genetisch längst belegt. Wenn also bei uns Sprachrelikte vor 2200 v. Chr. übrig geblieben sind, müssen sie aus dem Westen stammen. Oder aber sie kommen aus dem vor-indogermanischen Raum, dann aber erst nach 2200 v. Chr. Da der Einfluss mit den Megalithikern vom Atlantik mindestens 2000 Jahre länger währte, spekuliere ich, dass hier in Mitteleuropa ein alteuropäisches Idiom vom Atlantik gesprochen wurde. Die Dominanz der westlichen Einflüsse bei den Aunjetitzern lässt sich auch archäologisch belegen. Das war mindestens bis 1600 v. Chr. so! Danach scheinen die Indogermanen mit der Hügelgräberkultur wieder einen Vorstoß gen Westen unternommen zu haben.
Die Urnenfelderleute ab 1200 v. Chr. als erste Indoeuropäer
westlich des Rheins
Den ganzen Hickhack versteht nur, wer sich mit der Theorie von der Bipolaritet Europas in der Urzeit beschäftigt. Die war im vorigen Jahrhundert populär, aber moderne Wissenschaftler relativieren da inzwischen sehr. Die Hypothese beschreibt die Trennung unseres Kontinents in einen westlichen Kulturraum und einen östlichen, der eine als "alt" und der andere als indogermanisch bezeichnet, genetisch unterschieden mit R1b- und R1a Chromosomen, kulturell mit Glockenbechern und Schnurkeramikern, geografisch diffus mit rechts- und linksrheinisch. Südlich des Rennsteiges müssen in Verbindung mit den Steinkistengräber mindestens bis 1600 v. Chr. megalithische Kulturen dominiert haben. Entsprechend die Einordnung unserer Sprache in Südthüringen!  Erst nach 1200 v. Chr. kann die Verbreitung der Indogermanen in ganz Europa als sicher  angenommen werden. Diese Ost-West-Triften brachten durch Barrieren wie Karpaten, Alpen oder Pyrenäen eine enorme Sprachdifferenzierung hervor. Ihre Entwicklung ist noch heute hörbar (alle v. Chr.): Anatolisch (1700), Griechisch (1400), Italisch (700), Iberisch (700), Keltisch (600), Germanisch (300), Slawisch (900 jetzt nach Christi). Wo um Gotteswillen sollen wir da einsteigen? Über die Tradition?
Von der Urnenfelder-, zur Hallstatt- bis zur Latènekultur: 
Erst die Kelten beherrschten ganz Westeuropa.
Ausbreitung der indogermanischen Sprache in Europa
Einmal vergebene Geländebezeichnungen - egal aus welcher Zeit - müssen lange Bestand gehabt haben, schon um Irrtümer zu vermeiden. Nur eine vollkommene Abwanderung oder Auslöschung einer Population könnten also Namensänderungen bewirken. Selbst bei Völkerwanderungen blieben ja auch immer Menschen in den ursprünglichen Siedlungsgebieten hängen. Warum sollten sie die Bezeichnung ihres Dorfes, Hausberges, Jagdwaldes oder ihrer Wasserquelle ändern? So könnten die uns heute nicht vertraut klingenden Eigennamen bereits aus vorgermanischer, sprich vorindogermanischer Zeit stammen: Brix, Milz, Simmer usw. Das macht besonders Sinn für dominierende Geländemarken. Jeder braucht sich nur die großen Flüsse seiner Heimat herzunehmen, wie Werra, Main, Saale oder Jüchse. Das gleiche könnte aber auch für die alten Siedlungen, wie Fulda, Vacha, Metzels, Wahns, Themar, Harras, Meeder usw. gelten, deren Namen keinen germanischen "Sinn" ergeben. Und wirklich: Überall, wo an solchen Orten Archäologen anrückten, kamen mindestens Urnenfelder-Artefakte zum Vorschein. Urnenfelder? Um 1.200 v. Chr. muss europaweit ein Umbruch stattgefunden haben. Unvermittelt und plötzlich treten die Brandgräberleute in Zentraleuropa auf den Plan. Irgendwelche extremen Rahmenbedingungen müssen die Menschen bewogen haben, ihre Verstorbenen nur noch zu verbrennen und erst lose, dann in Töpfen flüchtig zu verscharren. Im Donaubecken, dem Entstehungsort dieser Kultur, sollen die Indogermanen gesessen haben, die sich aber dort seit tausend Jahren nicht von der Stelle gerührt haben sollen. Die archäologische Lehrmeinung erklärt dieses Phänomen mit religiöser Neubesinnung, die Katastrophentheorie mit einem Klimakollaps, der von Tsunami- und Vulkankatastrophen im Atlantik ausgelöst wurde (Siehe Blog Prähistorisches Europa). Fakt jedenfalls, dass seit dieser Zeit die expansive und innovative Kraft der Megalithkultur aus Westeuropa gebrochen war. Einig ist man sich nur, dass damals extreme gesellschaftliche Umbrüche stattgefunden haben, aus denen die indogermanische Sprache als Sieger hervorgegangen ist. Und die diffundierte nun als Urnenfelderkultur zunächst in den gesamten Donauraum. Wir gehören dazu!

Die Theorie: Jede Kaltzeit war eine Katastrophenzeit und
nach jeder rückten die Indogermanen weiter nach Westen vor.
Die in den Mittelgebirgen damals massenhaft ausgebauten befestigten Höhensiedlungen könnten noch von den megalithisch beeinflussten Westsprechern stammen. Denn die Steppenreiter kannten so etwas ja nicht. Die größten dieser Oppida sind bei uns gut erforscht: Gleichberge, Staffelstein, Ehrenbürg. Das hört sich zwar erst einmal sehr vertraut an, doch diese Namen haben sie bekanntermaßen erst in germanischer Zeit verpasst bekommen, vielleicht als die christlichen Kapellen dort errichtet wurden. Die überwiegende Mehrzahl dieser Wallanlagen tragen auf den ersten Blick phantasiefreie Eigennamen: Dolmar, Geba, Milse-Burg, Dis-Burg, Umpfen, Öchsen, Arns-Berg, Bern-Berg, Bleß-Berg usw. Doch diese Bezeichnungen reklamieren sowohl Germanisten als auch Keltisten für sich. Fakt jedenfalls: Sie alle waren bis zu Beginn unserer Zeitrechnung von den späteren Kelten verlassen und von den Germanen nur spärlich wieder neu besiedelt worden. Die Wissenschaft streitet sich, ob nun erstere freiwillig gingen, oder von den anderen vertrieben wurden.
Die Sprachbestimmer: Kelten oder Germanen?
Scheinbar aber waren nur die Eliten von den Höhenburgen fortgezogen. In den Ebenen konnte eine keltische Siedlungskontinuität festgestellt werden, wie beim fränkischen Aubstadt, wo eine Vermischung von Kelten und Germanen archäologisch nachgewiesen wurde. Geländenamen aber werden sich auch bei Invasionen und neuen sozialen Hierarchien kaum geändert haben. Es sei denn, man hätte die Einheimischen vollständig ausgerottet. Unterdrücker aber brauchen immer Arbeiter und müssen in deren Verständniswelt kommunizieren! Nur extreme Umwälzungen im Alltag konnten so zu Veränderungen in der Sprache führen. Natürlich wurden Flurbezeichnungen auch vergessen. Nämlich dann, wenn sie nicht mehr gebraucht wurden, z. B. bei der Verlagerung alter Verkehrswege oder Siedlungsstrukturen, wie bei den beiden Gleich-Bergen. Die bezeichnete man jetzt "aus der Ferne, vom Tal heraus", nur die immer noch lebensbestimmenden Flüsse wie Werra oder Milz behielten ihre Namen (Für den Großen Gleichberg ist auch der Name Bernberg überliefert.).
Ab 1200 v. Chr. war der megalithische Sprachraum 
zusammengebrochen. Warum?  
Doch ab wann konnte sich nun unsere heutige Sprache durchsetzen? Aus der zunächst donauzentrierten Urnenfelderkultur hatten sich ja bekanntlich kontinuierlich um 800 v. Chr. die Hallstatt- und gegen 500 v. Chr. die Latène-Kultur entwickelt. Letztere wird dann schon in antiken Schriften mit den Kelten und Galliern in Verbindung gebracht. Von denen wissen wir, dass sie letztendlich die indogermanische Sprache in ganz Westeuropas verbreitet haben. Ein Prozess, der noch viele Fragen offen lässt (Siehe hier)! Die von dieser Invasionen übrig gebliebenen "Alteuropäer" wie Basken, Iberer und vielleicht Ligurer scheinen keinen sprachlichen Einfluss auf unsere Region gehabt zu haben - jedenfalls hat das meines Wissens noch niemand untersucht. Nachdem auch die indogermanischen Kelten ab der Zeitenwende etwa von ebenfalls indogermanischen Römern und Germanen vertrieben wurden, blieben wieder nur  Sprachinseln an den Rändern Europas übrig. Sprachforscher wie Wilhelm Obermüller oder Joachim Richter versuchten nun, in bekannten keltischen Restsprachen wie gälisch, kimbrisch und bretonisch nach Überbleibseln unseres Namensgutes suchen.
Die Mauern der neuen Herren
Sie klopften Tausende Gelände- Personen-, Gewässer- und Siedlungsnamen von der Ostsee bis zu den Alpen nach ihren alten keltischen Wurzeln ab. Und siehe da, 90 Prozent der "vorgermanischen" Eigennamen wollen sie aus alten Vokabeln hergeleitet haben (Siehe Link zum Schluss). Außerdem kommen die beiden zu dem Ergebnis, dass um 2.000 v. Chr. nicht nur ein relativ einheitliches „Vorkeltisch“ in Mitteleuropa benutzt wurde, sondern dass bereits damals die meisten Bezeichnungen im Gelände vergeben waren. Das war die Zeit der megalithischen Glockenbecher-Typen, als hierzulande - wie wir oben erfahren haben - wahrscheinlich ein astreines "Alteuropäisch" und nicht indogermanisch gesprochen wurde. Damit kommen Obermüller und Richter zu den gleichen Ergebnissen wie die Katastrophentheorie, wenn auch auf anderen Wegen. Auch der Sprachforscher Hans Krahe schlussfolgert aus seiner Untersuchung der alteuropäischen Hydronymie, dass die meisten Gewässernamen von einer frühen vorgermanischen und vorkeltischen Sprache abstammen müssen, wie Alba, die Elbe oder Sala, die Saale. Er ordnet sie aber indogermanisch ein, also sicher nur nach 1200 v. Chr., ohne nach der Alt-, sprich Westeuropäischen Sprache zu fragen. Auffällig bei diesen Vergleichen: Es schält sich wieder die oben genannte diffuse Grenze zischen Ost- und West-Sprechern heraus. Andere Linguisten ordnen bestimmte Endungen definitiv dem Keltischen zu, also einer Zeit zwischen 600 und 50 v. Chr., wie ar, -a, -les, lis, -los, -las, -ach, -hall, -loh, oder -idi.
Die Germanen als indogermanische
Sprachverwandte der Kelten?
Ab der Zeitrechnung jedenfalls waren die keltischen Kriegereliten fast ganz aus Südthüringen verschwunden. Jetzt machten sich die ebenfalls indoeuropäischen Germanen breit, deren sprachlicher Einfluss ziemlich genau festgemacht werden kann: Erst Alemannen (mit den Namensendungen -ing und -ung , dann Hermunduren mit -stedt, später Thüringer mit -leben, zum Schluss Franken mit -heim, -haus, -burg, und -feld. Um 800 kamen ein paar kriegsgefangene Slawen dazu (-wind). Die indogermanischen Neuankömmlinge hatten nun über 2.000 Jahre Zeit, die alten Eigennamen zu schleifen, verdrehen, verballhornen und entstellen. Oft aber blieb ein Stamm erhalten. Die „Kalte Küche“ die man auf einigen Höhenzügen in Deutschland findet, soll so bestimmt nicht der Ort gewesen sein, wo Waldarbeiter ihre Leberwurstbrote ausgepackten, sondern „calde kuchel“, die Bergkapelle.
Eiserne Hand im Kleinen Thüringer Wald:
Fünffingriger Wegweiser?
Die auf vielen Höhenzügen mit Urwegen vorkommende „Eiserne Hand“ wäre lautlich vom keltischen „eathan annet“, dem Berghaus abzuleiten. Da geht es aber los: Wenn man die 37 "Hände"-Orte im deutschsprachigen Raum abklappert (3 alleine um Suhl), findet man keine Hausruinen, dafür prinzipiell 5 Abzweigungen an einem Kammweg, so viel wie die Hand eben Finger hat. In diesem Sinne scheinen viele Ableitungen der Keltisten einfach an den Haaren herbei gezogen.
Trotzdem könnte, wenn unterschiedliche Völker und Sprachen auf ein Geländemerkmal trafen, manchmal ein Wortstamm erhalten geblieben sein: Die Elbe der Deutschen und die Labe der Tschechen scheint aus dem keltischen „eloava = die mäandernd Dahinfließende“ entstanden zu sein. Auch die kuriosen Schreibweisen der ersten deutschen Rechtschreibversuche änderte kaum etwas an dieser Wurzel. Beispiel Oder: 892 Odagra, 950 Oderam, 1086 Oddera. Dabei muss auch nach dem Sinn der Worte gefragt werden. Gerade für die Oder gibt es ein halbes Dutzend Deutungen in Keltisch, Lateinisch, Germanisch und Slawisch. Und das macht es so schwierig: Achim Fuchs, der im Auftrag des Heimatbundes Thüringen Flurnamen südlich des Rennsteiges sammelt, listet die bekannten Namensherleitungen des Dolmar bei Meiningen mit seiner hallstattzeitlichen Wallanlage auf:
  • Obermüller (keltisch): tula mar - Berg groß,
  • Jacob (germanisch): dol mari - Wölbung mächtig; auch keltisch: dol mor - Tafelberg groß; später tulli mari - herausragendes Bollwerk
  • Müller (slawisch): Tolmari - ein Personenname
  • Schneider: dol mor - Tafelstein
  • Jäger französisch: tol - Erhebung
  • Brigleb (illyrisch): Delm ar - Schaf berg
Der hallstattzeitlich bewehrte Dolmar
All diese poetischen und sinnvollen Varianten verwirft der gute Herr Fuchs und leitet den Bergnamen von der Wüstung Tolmarsdorf her. Und die soll auch noch slawisch gewesen sein, also von Siedlern, die südlich des Rennsteigs immer eine zwangsangesiedelte Randgruppe waren. Ein alles dominierender, mit hallstattzeitlichen Wällen bestückter Berg soll nach einem frühmittelalterlichen Dörflein zu seinen Füßen benannt worden sein? Da hätten sicher noch ein halbes Dutzend anderer nachkeltischer und germanischer Dörfer in der Nachbarschaft ein Wörtchen mitzureden gehabt. Die Silben dol und mar tauchen - unabhängig von ihrer Bedeutung - in Dutzenden alten Bezeichnungen verstreut über ganz Europa auf. Dazu ist die Gegend rund um den Dolmar seit der Bronzezeit ununterbrochen besiedelt gewesen. Ein Slawe namens "Tolimir", noch dazu wenn seine Gründung nicht lange bestanden hat, kann da nicht viel Bleibendes eingebracht haben.
Auch die Große Geba in der Rhön ist solch ein ideologischer Fall:
  • Jacob: Gewe - Schlund
  • Haas (germanisch) gebal- Schädel
  • Bahlow: Herleitung von Sumpf
Die Geba: Kein Berg Europas trägt so deutliche Kennzeichen
aus der frühen Eisenzeit
Keltische Abwanderung: Die um den Thüringer Wald 
siedelnden Volcae werden um 121 v. Chr. von den Römern
im Süden gesichtet
Hier klingt kein Name logisch und jeder darf sich etwas aussuchen. Seit Jahrhunderten rätseln Heimatforscher an der eigentümlichen Bezeichnung herum. Um das Bergmassiv herum kamen prähistorische Artefakte in Massen zu Tage. Allein - auf seinem weiträumigen Plateau wurde noch nichts gefunden. Man hat aber bisher auch nicht gegraben. Sogar die winzigen  frühmittelalterlichen Fundamente am Neidhardskopf wurden vergessen. Dabei deuten offensichtliche Geländestrukturen auf eine sogar üppige frühzeitliche Besiedlung der Geba hin: Rund um den ehemaligen Steinbruch gibt es mehrere Schanzkanten, bemooste Steinhäufungen und -reihen, die nur als Reste einer befestigten Siedlung Sinn machen. Dazu kommen nördlich des ehemaligen Militärgeländes kranzförmig angelegte Steinlinien im Wald, mehrere Abschnittswälle und Gräben auf der Kleinen Geba, ja und wer soll die überdimensionalen Ackerterrassen rundum angelegt haben, die größten in ganz Europa? Es gibt sogar Heimatforscher, die vermuten im Kleinen und Großen Ölberg westlich von Seeba und im Oelberg neben Dörrensolz überdimensionale Grabhügel. Natürlich müssen sich insgesamt Sprachwurzeln, Geländesituation und Archäologie jeweils ergänzen.
Das ist nicht immer eindeutig. Nehmen wir das Problem der lokalen und der Fremdbezeichnung einer Flur, hier natürlich für Südthüringen und Franken: Ptolemäus nannte kurz nach der Zeitenwende den kompletten Gebirgszug vom Böhmer- bis zum Thüringer Wald als „gabreta silva“.  Mittelalterliche Autoren bezeichneten unsere Region später als „Buchonia“ oder „Loipe“. Beim Keltisten Joachim Richter sind die Thüringer „dour-rannegourien“, die Leute beiderseits der Wasserscheide. Den Einfluss der urkundlich belegten keltischen Volcae hier, hat noch niemand untersucht. Für die Menschen ringsum war das Mittelgebirge bis heute einfach „die Berge“ oder "im Wald". Doch wer, bitte schön, hätte das je aufgeschrieben? 
Die Werra in Südthüringen: Ein 4000 Jahre alter Name?
Auch die Werra ist so ein Streitfall: Den landschaftsprägenden Fluss beanspruchen sowohl Germanisten als auch Keltisten für sich. Einig ist man sich noch, dass bis zum Ende des ersten Jahrtausends Werra und Weser als einheitliches Gewässer wahrgenommen wurde. Doch dann machen Linguisten aus der ersten Erwähnung „visurgis” bei Tacitus ein germanisches “visuri”, obwohl bekannt ist, dass die Römer prinzipiell die keltischen Flurnamen übernommen hatten. Richter leitet Werra vom keltischen “gwyrdd“ ab, grünblaues Wasser. Sie sieht aber nicht anders aus, als alle Bäche und Flüsse ringsum. (Bis man begann, massenhaft salzhaltigen Abraum hinein zu pumpen.) Einige auf Ausgleich bedachte Sprachwissenschaftler bevorzugen das indogermanische Wort “ueis” - „fließen” und schließen damit alle germanischen und keltischen Sprachgruppen ein. Erst im 8. Jhd. klammert das schriftlichen Zeugnis “wesera” alle Zweifel aus.
Wie bezeichneten "Fremde" unsere Welt?
Nach Richter lassen sich auch alle Zuflüsse der Werra aus dem Keltischen herleiten. Für ihn stehen 3.000 Jahre südwestliche, sprich "alteuropäische", später keltische Sprachtradition gegen maximal 1.000 Jahre germanischer Einflussname. Und von letzteren haben die Archäologen in Südthüringen nach Abzug der Kelten ja kaum etwas gefunden. Das soll daran liegen, dass die meisten Germanen einfach durchgewandert waren und sich nicht mehr auf den "archäologisch ertragreichen" Bergen verbarrikadieren mussten. Andere Historiker sind der Meinung, dass ihre großen Talsiedlungen den heutigen entsprechen, schlicht tausendfach überbaut wurden und Archäologen bisher nur unzureichend zum Zuge gekommen sind. Die meisten der vielen germanischen Orte mit den Endungen -ing, -stedt, -haus-, -heim, -leben, und -feld waren ja zwischen der Zeitenwende und 700 nach Christi entstanden und existieren bis heute. Dort konnten die neuen germanischen Herren zwar schnell ihre Alltagssprache durchsetzen, nicht aber in "Wald und Flur". 
Am Ende der Völkerwanderung dominieren romanische
und germanische Sprachen 
Trotzdem müssen Romanisierung jenseits des Limes und Germanisierung in Mitteldeutschland das ihrige getan haben. Allein an Rhein und Mosel konnten gallorömische Schreiberlinge ja 500 Jahre länger am Keltischen herum biegen. Jenseits des römischen Reiches, also auch bei uns, scheint sich die alte Sprache länger erhalten zu haben: Nicht wenige Linguisten glauben, dass bis ins Mittelalter hinein hierzulande noch keltische Dialekte gesprochen wurden. So sollen in der Zeit der Sächsischen Kaiser neugebaute Burgen eindeutig keltische Namen erhalten haben. Gronau an der Leine beispielsweise
würde vom  keltischen „cronua“ - „Neuburg“ abstammen. Auch die irischen Mönche, die wie Kilian im 6. und 7. Jahrhundert Mitteldeutschland missionierten, wären nur deshalb so erfolgreich gewesen, weil man sie noch verstanden hätte. Ein weites Feld... Diese Beispiele zeigen wohl deutlich, das bei jeder Deutung eines Altnamens ein kritischer Blick auf Geschichte, Geografie und Sprachwissenschaft geworfen werden sollte.
Die mögliche Herkunft der Thüringer als gotische Terwingen
Sogar über die Herausbildung der Deutschen Sprache rund um den Thüringer Wald wird gestritten: Über die Sueben, die ja irgendwie vom Unterlauf der Oder nach Schwaben gekommen sein müssen, gibt es gar keine Aufzeichnungen. Über die Hermunduren nur von 0-180 unserer Zeit, danach verstummen für 300 Jahre die Urkunden. Die Thüringer sollen von 400 an ihren Dunst südlich des Rennsteigs versprüht haben, aber nur zaghaft. Ihr Zentralreich soll sich nach dem Tode Odoakers im Thüringer Becken befunden haben. Damit entpuppt sich das heutige Sächsisch dort als das alte Thüringisch. Die falsche Bezeichnung hat etwas mit den mittelelterlichen Grenzveränderungen zu tun.Die Franken kamen ja bekanntlich erst 531 nach der Schlacht an der Unstrut über uns. Sie steuerten jedenfalls in Südthüringen ihren westgermanischen Dialekt vom Unterlauf des Rheins mit bei.
Doe Ausbreitung der Fränkischen Sprache
Es soll fast 1.000 Jahre gedauert haben, bis sich unsere heutige fränkische Mundart herausgebildet hatte. Dass es dort heute anders klingt, als bei uns, könnte etwas mit den Mischungsressourcen dort zu tun haben. Östlich des auslaufenden Rheins waren Kelten und Germanen, im Westen Kelten und Latiner, erst später die Germanen. Doch das ist schon die nächste Geschichte, mit Luther und seiner Bibel war sowieso alles vorbei …
Resümee: Man wird wohl nicht umhin kommen, jede Flur- oder Ortsbezeichnung einzeln von den unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen nach o. g. Prinzipien untersuchen zu müssen. Doch wer hat schon dafür Zeit und Geld?

P.S. Weitere Hinweise für Germanisten: der umfangreiche Flurnamenreport auf der Internetseite des Heimatbundes Thüringen. Und für Keltisten: Obermüllers Deutsch-keltisches Wörterbuch als eBook im Internetarchiv, Band I und II. Richter muss man sich kaufen oder in der guten alten Bibliothek ausleihen. Zum Schluss daraus noch ein paar Beispiele unserer Region mit ihrer möglichen keltischen Ableitung (Man beachte die Allgemeinplätze, die überall zutreffen könnten!):
  • Gleichberge, die wasserreichen Berge
  • Eisfeld an der Werra, Gerstenfeld
  • Römhild/ Rothemulde, oberes Sumpfland
  • Marisfeld, ruhiger Platz
  • Henfstädt, sehr alter Platz
  • Gethles, Platz im Wald
  • Suhl, kleines Wasser
  • Schleuse, heftig rauschend
  • Fulda, schön breites Wasser
  • Saale, weidbestandene
  • Harz, großes Hindernis
  • Jena, Platz der Quellen
  • Schwarzatal, Tal des lieblich lächelnden Wassers
  • Queienfled, Rinderfeld 

Montag, 3. August 2015

Die Kelten - was in den Geschichtsbüchern steht. Zusammengesstellt von C. A.

Nachdem die Keltenwelt ein Jahrtausend lang fast vergessen wurde, erlebt sie seit dem Ende des 20. Jahrhundert eine regelrechte Renaissance. Sie wird in vielen Medien wieder häufiger thematisiert und die intensivierten archäologischen Forschungen konnten unser Wissen über das Leben und die Kultur der Kelten, die in einem Zeitabschnitt der frühgeschichtlichen Entwicklung auch in unserem näheren Umfeld lebten, erheblich erweitern.
Etwa vor 3000 Jahren erschien in der turbulenten Dämmerung der Geschichte eine neue Macht und eine neue Kultur: Die Kelten. Sie konnten das Eisen vorzüglich bearbeiten und wurden schließlich zu den wahren Beherrschern Europas.
Sie waren berühmt für ihren spektakulären Mut. Sie führten erfolgreich Kriegszüge, plünderten Rom und griffen Delphi an. Ihre Druiden – das Wort „Druide“ bedeutet „der Wissende“ - waren Lehrmeister, Ärzte, Priester, Weissager, Astronomen in einer Person. Sie achteten auf das Recht und die Kultur der Kelten, die teilweise bis in die Gegenwart überdauerten. Archäologische Funde und Reste von Wallanlagen auf zahlreichen Bergkuppen belegen, dass die Kelten auch in der Rhön, im Gleichberggebiet, am Dolmar und an der Werra zu Hause waren. Die bekanntesten Anlagen befinden sich auf der Milseburg, dem Öchsenberg, auf den Gleichbergen und auf den Gräberfeldern im Rhön-Grabfeld. Zahllose Funde sind in den verschiedenen Museen zusammengetragen.

Damit kann ein großer Bogen zur Gegenwart gespannt werden. Sie vermitteln der Wissenschaft neue Erkenntnisse über das Leben der Kelten von ca. 750 v. Chr. bis 15 v. Chr. In der Vorderrhön bei Sünna im Wartburgkreis wurde ein Keltendorf nachgebaut, in Markenzell bei Hünfeld entstand ein Keltenhof. Natürlich sind das in erster Linie touristische Attraktionen, aber sie berichten auch wer die Kelten waren, wie sie lebten, was ihre Kultur ausmachte und warum sie heute für uns so interessant sind.
Zum ersten Mal erwähnt wurden die Kelten von den Griechen am Anfang des 6. Jh. v. Chr. als „caltae“ oder „celtoi“. Das bedeutet „die Tapferen“ oder „die Kühnen“. Die verschiedenen Stämme von Spanien bis Mitteleuropa fassten die Griechen als Kelten zusammen, die östlich davon lebenden als Skythen. Sie beschrieben die Kelten als groß, bunt gekleidet, blond-oder rothaarig, mit rauen Sitten. Um 500 v. Chr. schrieb Hekataios von Milet über keltische Siedlungen. Auch die griechischen Chronisten Herodot, Platon und Polybios berichteten von den Kelten. Die hochzivilisierten Griechen nannten ihre Nachbarvölker herablassend „Barbaren“, d.h. „Stammler“, weil sie deren Sprache nicht verstanden. Sie hielten die Kelten für höhere kulturelle Leistungen nicht fähig.
Schon im 13. Jh. v. Chr. gab es eine gewisse wirtschaftliche Blütezeit in Mitteleuropa, sie gehörte noch zur Bronzezeit oder zur sog. Urnenfelderzeit. Zwischen den schon besiedelten Gebieten entwickelte sich in reger Fern-Handel. Erzsucher, Händler und Kolonisten zogen durch ganz Europa. Sie brachten neues Wissen, Symbole und Sprachen mit. Die lokalen Herren stellten Transportmittel und Handelsstationen zur Verfügung. Auf den Wegen übers Land nahm man auch Geschenke, wie Glasperlen, Bernstein, Korallen vom Mittelmeer, Bronzefibel und – spiegel usw. mit Dafür bekam man Lebensmittel, aber auch Erze wie Kupfer, Gold oder Silber, Blei, Zinn und – schließlich Eisen. Im 7. Jh. v. Chr. begann die Eisenzeit als neue Ära.
Die Eisenwirtschaft der Kelten erschütterte das gesamte wirtschaftliche Gefüge der Bronzezeit. Bronze wurde zwar noch für das Kunsthandwerk genutzt, aber Waffen und Geräte stellte man mehr und mehr aus Eisen her. Die Produktion von Eisengeräten (auch eiserne Pflugschare) sorgte außerdem für eine effizientere Landwirtschaft. Die frühe Eisenzeit bezeichnen wir heute als „Hallstattzeit“. Sie wurde benannt nach der Ortschaft Hallstatt in Österreich (Salzkammergut) mit seinen Funden aus dieser Zeit und den großen, seit ca. 1000 v. Chr. betriebenen Silberbergwerken.
Die meisten Menschen lebten damals schon als Bauern von Viehhaltung und Ackerbau. Dazu kam Handwerk und Handel. Etwa 5-6 % der Kelten gehörten zum Adel, 20 % waren Jäger und Krieger. Der Adel besaß bald auch die Bodenschätze. Bergleute, Bauern, Handwerker und Händler gerieten zunehmend in Abhängigkeit vom Adel und mussten schließlich Abgaben und Kriegsdienste leisten. Adlige waren auch die Grundherren. Sie hielten sich abhängige, aber bezahlte Gefolgschaften, die den Adeligen die Treue schwören mussten und für sie zu kämpfen hatten. Einen Gefolgsmann nannte man „ambaxios“. Es gab auch Hörige, die meist Kriegsgefangene waren und „diens“ genannt wurden. Sie wurden meist Sklaven ohne irgendwelche Rechte. Bauern waren wichtig, aber nicht so angesehen wie etwa Handwerker. Sie hießen Marcos, Titto oder Cosilus. Adlige nannte man Nero-valos = der durch Kraft Mächtige, oder Vercinge-to-rix = oberster König der Krieger.
Die Kelten hatten nie ein zusammenhängendes Staatsgefüge. Sie lebten in Clans, die zu Stämmen zusammengeschlossen waren. Diese lebten in politisch souveränen, durch natürliche Grenzen getrennte Siedlungskammern. Ödlandstreifen als Grenzen, wie bei den Germanen kannten sie nicht. Es wird von 50 bis 75 Stämmen allein in Gallien berichtet, die sich zeitweise zu Zweckbündnissen zusammenschlossen. Andere Stämme teilten sich, bildeten Ableger, waren aber nie eine Einheit. Große Stämme hatten bis zu 200 000 Männer, kleinere bis zu 50 000.
Die Kelten wohnten in Häusern aus einem Holzgerüst, das mit einem lehmverstrichenen Rutengeflecht gefüllt war, eine Art Fachwerk. An Stelle von Lehm wurde aber auch schon Kalkmörtel verwendet.
Sie verstanden es, große Kalkbrocken bei 1000 Grad zu brennen, mit Wasser abzulöschen, und dann mit Sand und organischen Zuschlägen einen haltbaren Mörtel herzustellen. Gedeckt wurden die kleinen Häuser mit Stroh, Spaltbrettern, Binsen, Schilf oder Rindenziegeln. Die Fußböden bestanden aus mehreren Schichten. Unten ein Fundamentbett aus Ästen, Blättern, Stroh und Mist, darauf zwei Bretter- oder Rundholzlagen, dann der eigentliche Lehm- oder Kalkmörtelboden. Häuser aus Stein bauten sie nicht. Das konnten erst die Römer bewerkstelligen. Durch Experimente fand man heraus, dass im Winter in den keltischen Häusern höchstens +8° erreicht wurden.
Als Einrichtungsgegenstände gab es Betten mit Stroh und Decken, in denen alle zusammen in ihrer Tageskleidung übernachteten, teilweise Tische, Bänke und Stühle, Truhen für Kleidung und Schmuck, Wandregale und Haken. Man fand ein Ablagebord und eine hängende Wiege aus Holz. Im Haus gab es außerdem Eimer, Zuber, Butterfass, Mörser und Quirl. Es gab in der Mitte des Hauses ein offenes Feuer zum Kochen, Bei Ausgrabungen fand man aber auch schon eine Art Herd aus Lehm. Der Rauch zog durch das Dach ab. Für die Beleuchtung wurden Fackeln, Talg- oder Öllampen sowie Kerzen aus Binsenstengel, die mit Fett, Wachs oder Pech umhüllt waren, benutzt. Die Fenster der Häuser waren mit Zweigen vergittert oder mit Pergament bespannt. Es gab glockenförmige Vorratsgruben und Speicherhäuschen auf Stelzen. Die Häuser gruppierten sich zu Herrenhöfen, kleineren Bauernhöfen, Streusiedlungen, Dörfern und befestigte Höhensiedlungen mit Wallanlagen (Oppidas). Gesiedelt wurde da, wo es guten Boden und evtl. Bodenschätze gab. Wichtige Verkehrswege und gute Verteidigungsmöglichkeiten spielten ebenfalls eine Rolle. Schon damals wurden die großen Urwälder gerodet. Jede Mengen Holz brauchte man bei der Eisenverhüttung, dem Salzsieden und beim Bau von Häusern und Befestigungsanlagen.
Eisen, Kupfer und Salz befanden sich in den Händen des Adels. Salz wurde in großen Bergwerken abgebaut. Es gab in Hallstatt Stollen bis 200 m Länge. Aber auch Solquellen wurden genutzt. Eisenerz konnte man oberirdisch leicht finden. Es wurde aber auch bergmännisch in über 100 m langen Stollen abgebaut. Eisenerz wurde in sog. Rennöfen geschmolzen. Es waren Gruben oder Schachtöfen mit einem Mantel aus Lehm oder Steinen. Der Windkanal war anfangs auch der Abstich fürs Roheisen. Später brachte man extra Düsenlöcher für Blasebalge an. In den Öfen wurde abwechselnd Erz und Holzkohle geschichtet. Bei 1100-1600°C kam beim Abstich flüssiges Roheisen mit Holzkohleschlacke zum Vorschein. Durch mehrmaliges Schmieden und Erhitzen formte man es zu Stabeisen oder Spitzbarren. Es gab Fein- und Grobschmiede. Etwa 70 Schmiedeprodukte aus der Keltenzeit sind bekannt. Grobschmiede stellten Sensen, Sicheln, Sägen, Äxte und auch schon eiserne Pflugschare her.

Damit waren Beetpflüge, die die Scholle wendeten ausgerüstet. Der Hakenpflug ritzte die Erde nur auf. Feinschmiede fertigten Fibeln und anderen Schmuck aus Eisen und auch aus Bronze. Geschmiedet wurden neben landwirtschaftlichen Geräten: Schwerter, Lanzenspitzen, Dolche, Messer Hacken, Schaufeln, Fleischgabeln, Bratspieße, Drechsel, Hufeisen, Sporen, Schildbeschläge, Helme, Feilen, Bohrer, Beile, Hämmer, Zangen, Meißel, Scheren, Schlüssel, Nägel, Haken und andere Dinge. Auch solche aus Gold (Silber wurde nur wenig genutzt) und Emailarbeiten wurden gefunden. „Eisen“, „Ger“, „Glocke“ und „Ofen“ sind Worte aus dem Keltischen. Bei den Kelten finden wir Sattler, die auch Pferdegeschirr herstellten, Münzpräger, Händler und Weber, Wagner, Stellmacher, Drechsler und Zimmerleute, die auch Boote aus großen Bäumen heraus hieben. Die Keltinnen webten schöne Stoffe, die sogar in Rom begehrt waren, ebenso Kissen und Polster. Allerdings war die Textilherstellung wesentlich zeitaufwendiger als die Lebensmittelproduktion. Ihre Arbeitskleidung war naturfarben ansonsten waren die Kelten bunt und zweckmäßig gekleidet. Wintermäntel hatten schon eine Kapuze. An den Füßen trug man Sandalen, Buntschuhe oder Schlupfschuhe mit hoch gebogener Spitze und fürstlicher Goldverzierung. Hals- und Armringe trugen Frauen und Männer. Die meist schulterlange Haartracht der Männer war aufgehellt und durch Kalklauge mit Buchenasche und Ziegenfett verdickt. Das Haar wurde mit Roteisenerz- Creme rot gefärbt, mit Mittelscheitel steif zurück gekämmt, zum Zopf oder 2 Zöpfen geflochten. Die jüngeren Männer trugen einen Schnurrbart, ältere eher Vollbart. Bei Bartlosen Gesichtern hatte man die Haare mit einer Bartzange herausgerissen. Auf dem Kopf trug man eine Art Baskenmütze oder konische Hüte aus Birkenrinde.
In den Kampf zogen die Krieger nackt. Manche waren tätowiert oder eingeschmiert mit Färberwaid. Bewaffnet waren sie mit Speeren, Schleuderkugeln, Schwertern, Genutzt wurden als Waffen notfalls auch Holzknüppel und Keulen. Zur Ausrüstung gehörten mannshohe ovale Schilder, die oft ein Wappentier trugen. Später hatten sie dann auch Pferde und Streitwagen, zum Teil trugen sie auch schon Kettenhemden und Helme mit Hörner drauf. Die Kriegstrompete „Carnys“ verbreitete einen schauerlichen Klang. Schleuder, Pfeil und Bogen waren nur bei der Jagd üblich. Die Frauen trugen ein langes Untergewand, darüber ein sehr farbiges, besticktes kittelartiges Obergewand, welches bis zur Mitte der Oberschenkel reichte. Junge Mädchen trugen kurze Röckchen. Eine geflochtene Wollschnur diente als Gürtel. Darüber kam der gleiche Mantel wie bei den Männern. Wahrscheinlich waren auch die Schuhe gleich. Zwischen rechten und linken Schuh wurde noch nicht unterschieden. Knöpfe waren nur Zierelemente. Zum Zuknöpfen dienten sie erst seit der Völkerwanderungszeit. Das Haar der Frauen war lang oder Schulterlang und ebenso wild wie bei den Männern. Manche hatten viele dünnen Zöpfe, in die Bronzespiralen eingeflochten waren. Später, unter römischem Einfluss, trugen die Keltinnen auch Hochsteckfrisuren. Auch Haarnetze wurde gefunden. Frauen trugen Spitzschleier, Wolken-und Flügelhauben, Filzbarette mit Schleier sowie zylinderförmige Hauben aus Pelz. Die Frauen waren stark geschminkt und schmückten sich mit Gürtelkettchen, Arm- und Fußringen aus Bronze, Schiefer und Bernstein sowie Glasarmringe und Perlenketten. Die Kelten hatten schon eine Kleiderordnung für die verschiedenen Stände.
Hygiene war den Kelten sehr wichtig. Sie erfanden eine Seife aus Talg und Asche und nannten sie „sapo“. Früh wusch man sich kalt im Bach, abends jedoch wurde warm gebadet. Sehr gründlich säuberte man sich die Zähne mit grünen Haselnusszweigen oder Urin und polierte sie anschließend mit einem Wolltuch. Mundgeruch war ein Scheidungsgrund. Der Müll wurde jedoch einfach vors Haus gekippt. Kadaver, abgenagte Knochen und zerbrochenes Geschirr lagen herum. Obwohl die Menschen damals sehr abgehärtet waren, hatten es Krankheitserreger leicht. Neben Parasitten litten die Menschen unter Augenkrankheiten, Malaria, Eisenmangel, Rheuma. Auch unsere zivilisatorischen Krankheiten waren schon weit verbreitet. Die Lebenserwartung war nicht sehr hoch. Man genoss das Leben solange man es hatte und glaubte an die Wiedergeburt. Bei den Völkern der Kelten waren sportliche Wettkämpfe sehr beliebt. Es wird berichtet von Ringkampf, Wettlauf, Schwimmen, Pferderennen und Angeln.
Kelten düngten als erste ihre Felder mit Kali, Kalk und Mergel sowie an den Küsten mit Meertang. Sie machten für den Winter auch Heu. Sie erfanden die schnell rotierende Mahlsteine und Töpferscheiben. Auch die Kuppelöfen zum Brennen von Keramik war ihre Erfindung. Etwa 250 v. Chr. begann bei den Kelten die Glasproduktion aus Quarzsand, Soda und Kalk. Sie stellten schon bald nahtlose Glasarmringe her. Handwerk und Kunst muss man im Zusammenhang sehen, denn fast alle Alltagsgegenstände waren verziert. Während der Hallstattzeit herrschten geometrische Muster vor. Auch Wellenlinien und magische Zeichen finden sich. Erste, mit Zirkel konstruierte Ornamente tauchen auf. Im 5. Jh. v. Chr. entwickelten die Kelten den Latenestil. Ab dem 3. Jh. v. Chr. wurden menschliche, tierische, pflanzliche und abstrakte Formen vermischt. Malerei findet man hauptsächlich auf Keramiken.
Ihr Brot haben die Kelten aus Spelzweizen und Dinkel gebacken. Bei Ausgrabungen wurde Blasenbrot und ringförmiges Lochgebäck gefunden. Gegessen wurde oft ein Brei aus Getreide, Fett und Milch. Gegärtes Getreide wurde auch zur Herstellung von alkoholhaltigen Rauschgetränken genutzt. Auch ein rauchiges und bitter schmeckendes Bier konnte man brauen. Es gab Weizenbier mit Honig und ein Gerstenbier. Bei Festgelagen saßen die Kelten im Kreis auf Fellen, Heu oder Stroh, die Bessergestellten auf mit Wolle oder Federn gefüllten Kissen. Der Hausherr saß auf einem Lehnsessel, Frauen auf Stühlen. Vor sich hatten sie niedrige Holztische für die Speisen, die auf Holztabletts lagen. Die ältesten erwachsene Kinder servierten. Gegessen wurde dabei viel gekochtes Fleisch, gerne auch Gepökeltes oder Wurst, dazu wenig Brot. Keltische Gastmähler waren große Fressorgien. Es wurde viel getrunken. Die Gastfreundschaft war unglaublich. In jedem Haus konnte man speisen, trinken und übernachten, - auch mit der Frau oder Tochter des Hausherrn.
Außer Getreide bauten die Kelten Erbsen, Linsen, Hirse, Hanf, Rüben und Saubohnen an. Auch Zwiebeln, Karotten, Kohl, Weißkraut, Salat, Porree und Knoblauch wurden geerntet. Ihre Felder nutzten sie mehrere Jahre als Acker, dann mehrere Jahre als Weide. So wurden die Flächen - neben der Kalkdüngung- auch von den Tieren gedüngt. Diese wechselnde Nutzung nennt man Koppelwirtschaft. Der Obstanbau hatte noch keine große Bedeutung. Man nutzte aber wild wachsende Obstsorten wie Kirsche, Birne, Walnuss, Feige und Marone; ebenso andere Nüsse, Pilze, Beeren und Kräuter. Man fand in Gräbern Vogelkirsche, Pflaumen, Schlehen, Ebereschen, Weißdorn, Mehlbeeren. Die Kelten verspeisten auch Wicken, Lupinen, Brunnenkresse und Bärlauch. Jagd und Fischfang spielten nur eine untergeordnete Rolle. Bedeutend war die Viehzucht mit Rindern, Pferden, Schweinen, Schafen und anderen Haustieren. An Milchprodukten stellte man Käse, Molke, Rahm und Butter her. Butter diente auch zum Eincremen (keltisch „crama“ = creme). Gänse und Hühner hatten die Kelten seit der Hallstattzeit. Auch Hunde waren weit verbreitet und fanden als Hirten- und Hofhunde Verwendung. Die Haus- und Hoftiere lebten im Winter mit in den Häusern. Welch ein Gestank!
Ab dem 3. Jh. v. Chr. prägten die Kelten eigene Münzen. Nach griechischem Vorbild entwickelten sie noch vor den Römern eigene Münzbilder. Dass es bei den Oberschichten eine entwickelte Schrift gab, wird angenommen. Die Kelten übernahmen zu diesem Zweck das Alphabet von den Griechen, Römern, Etrusker und Iberern. Es wurden Grabinschriften, Siegelringen und Verträge gefunden. Bei den Kelten herrschte das Patriarchat mit Relikten des Matriarchats. Der Mann hatte das Recht über Leben und Tod von Frau, Kindern und Gesinde zu entscheiden. Trotzdem hatte die Frau eine sehr geachtete Stellung und war zum Teil materiell abgesichert. Die weibliche Herrschaft war beim Adel möglich. Außerdem konnten sich die Frauen ihren Ehemann frei aussuchen und ganz offen Liebhaber erwählen. Meist lebten die Kelten in Einehe, nur die Adligen hatten mehrere Frauen. Die Familien waren kinderreich, die Erziehung übernahm der Vater. Die Römer berichten über amazonenhaftes Verhalten der Keltenfrauen. Sie entschieden mit über Krieg und Frieden. Sie kämpften und tranken mit, auch ihre Männer verprügelten sie mitunter.
Eine herausragende Rolle im Leben der Kelten, in ihrer Kultur und Religion, nahmen die schon oben genannten Druiden ein. Sie waren die Hochweisen, waren Universität, oberster Gerichtshof und Kirche sowie Politiker und Ideologen. Sie waren die Hüter der keltischen Kultur und hatten ein hohes Ansehen. An Kriegshandlungen nahmen sie nicht teil. Auch von Abgaben waren sie befreit. Barden unter den Kelten trugen Heldengesänge vor, selbst begleitet auf einer Harfe. Zu sehen auf einer Steinskulptur in Saint-Symphorien-Paule. Die Barden wurden 6 bis 7 Jahre in Dichterschulen ausgebildet. Weitere Musikinstrumente der Kelten waren die Leier, Hörner, die Kriegstrompete „Carnix“ Flöten, Glöckchen, Rasseln, Trommeln, Klapperbleche, Trompeten. Musik diente der Unterhaltung, als Kult und Kriegsschreck. Es gab Preis- und Schmählieder, Kriegstänze, Reigen- und Kettentänze. Jeder, egal aus welcher Schicht, durfte Druide werden, wenn er es schaffte, sich das nötige Wissen anzueignen. Auch Frauen wurden Druiden. Ihr Wissen aufzuschreiben hielten die Druiden für frevelhaft, obwohl sie in allen übrigen Angelegenheiten die griechische Schrift benutzten. Sie wollten nicht, dass sich ihre Lehre im Volk verbreitete. Ihre Schüler sollten das Gedächtnis üben. Die Schulen befanden sich im tiefsten Wald oder in Höhlen. Druiden hatten viele Kenntnisse in Astronomie, Mathematik, Medizin usw. Die Griechen nannten sie die besten Philosophen. So führte der Druide Diviacus mit den Brüdern Cicero Gespräche über Grundfragen der Natur. Die Druiden konnten ganze Stämme mit einem Bann belegen, sie verstanden es aber auch die verschiedenen Stämme geistig und kulturell zu verbinden. Sie waren zuständig für den Götterdienst, Opferungen, Religionsauslegungen, den Unterricht und die Rechtsprechung. Man erkannte sie auch an ihrer Frisur. Sie rasierten sich von einem Ohr zum anderen. Viele waren heilkundig.
Überliefert ist, dass sie Mistel, Salbei und Eisenkraut nutzten und auch chirurgische Eingriffe vornahmen. Hervorragende medizinische Instrumente, darunter auch Schädelsägen, wurden gefunden.
Der Wiedergeburtsglaube der Kelten förderte deren Tapferkeit in der Kriegergesellschaft, in der sie lebten. Dadurch meinten sie aber auch, es reiche Schulden im Jenseits zu begleichen. Die Begräbnissitten wechselten. Mal gab es Brandbestattungen, mal Körpergräber. Manche bedeutende Persönlichkeit bekam seine Wagen mit in die Grabkammer. Auch Waffen wurden mitgegeben, vorher meist durch Verbiegen unbrauchbar gemacht. Alles für den Verstorbenen Wichtige warfen sie mit ins Feuer, manchmal auch den besonders geschätzten Diener. Über 200 Wagengräber fand man bis jetzt. Die Religion der Kelten war der Glaube an die Götter. Etwa 400 Götternamen sind überliefert. Sie hatten verschiedene Funktionen.
Keltische Krieger waren Kopfjäger. Sie balsamierten die Köpfe ihrer gefallenen Feinde sorgfältig ein, nagelten sie gut sichtbar an die Hauswand und zeigten sie stolz ihren Gästen. Außerdem gab es bei den Kelten das Menschenopfer. Meist nahm man dafür Verbrecher, notfalls aber auch Unschuldige. Diese wurden verbrannt, erhängt, erstochen oder in einem Fass ertränkt. Vielleicht haben die Römer in ihren Berichten über Opferungen auch übertrieben, um eine Handhabe gegen die Druiden zu haben.
An bestimmten Plätzen kam es für die Kelten zum Austausch zwischen menschlicher und göttlicher Sphäre. Solche Heiligtümer konnten überall sein. Heilige Handlungen wurden in der Natur vorgenommen. Tempel gab es erst unter römischen Einfluss. Es gab Baumkulte, besonders mit Eichen, in Höhlen, Brandopferplätze mit Steinkreisen, Opfergaben an Quellen, Flüsse, Seen, Moore und Sümpfe. Phinius berichtet von Mistelernten durch weiß gekleidete Druiden am 6. Tag des Mondmonats und der Opferung von jungen weißen Stieren. Das Pflücken von Bärlapp und Samokus (Sumpfpflanze) soll mit dem Ritus, dem Opfern von Brot und Wein verbunden gewesen sein. Insgesamt sind zum Thema Religion und Druiden nur wenige überliefert. Darum wird heute manches konstruiert und mystifiziert.
Um 80 bis 15 v. Chr. beginnt der Zerfall der keltischen Welt. Germanen dringen über den Thüringer Wald in die Rhön und das Grabfeld vor. Es beginnt die Verdrängung der Kelten aus unserem Gebiet. Ob das ohne Kampf abging ist nicht überliefert. Der Kampf der Kelten gegen die Römer ging auf jeden Fall verloren, weil sie nicht planmäßig ,organisiert und diszipliniert vorgingen. Sie sahen den Kampf als heroisches Unternehmen. Sie suchten als Helden Ruhm im Zweikampf. Auch Gallien wurde von Caesar erobert und unterworfen. Die Römer drangen bis an den Oberrhein vor. Man vermutet, dass es vor allem auch ein wirtschaftlicher Zusammenbruch war, in dessen Folge die eigenständige keltische Kultur unterging. Es gab Störungen des Fernhandels durch Germanen, vielleicht gab es auch Naturkatastrophen oder Seuchen. Die demografischen Folgen zeigten sich verheerend. Es war der erste große Bruch seit über 1000 Jahren in Mitteleuropa. Die Kelten wurden nun in andere Völker und Kulturen einbezogen. Die Stämme waren politisch ohnmächtig, aber die Menschen mit ihrer Kultur blieben. Sie hießen jetzt nur nicht mehr Kelten. Zum größeren Teil gehörten sie zum römischen Reich, zum Teil wurden sie zu den Germanen gerechnet oder lebten am nordwestlichen Rand Europas. Von den Kelten geblieben sind Zeugnisse ihres unvergleichlichen Kunsthandwerks, Abwandlungen ihrer Bräuche, Feste und Feiern, Märchen und Sagen, aber auch Spuren ihrer Sprache. In unserer heutigen Sprache findet man immerhin über 100 Wörter keltischen Ursprungs. Viele Orts- und Flurnamen blieben erhalten. Der Beitrag der Kelten zur Entwicklung Europas war vor allem ihr unvergleichlicher Latene-Kunststil und die Weitergabe der fortschrittlichen Techniken, der Fähigkeiten und Wissen der Griechen und Römer an die Völker neben und nach ihnen. So gab es kein absolutes Ende ihrer kulturellen Wirksamkeit. Die irische Sprache ist keltisch geprägt und die irischen Heldensagen spiegeln noch heute das Heldentum der Keltenzeit wider, allerdings mit starken christlichen und mittelalterlichen Einflüssen.

Die Kelten in der Rhön und im Gleichberggebiet.

 Durch den Vulkanismus entstanden vor etwa 25 Millionen Jahren die charakteristischen Basaltkuppen vor allem in der Rhön, aber auch die Gleichberge und andere Basaltkuppen in unserer Gegend. Es folgten Eis- und Zwischeneiszeiten. In den extremen Kaltzeiten verwitterte sogar der Basalt und die berühmten Blockmeere entstanden, aus denen auch die Kelten die Basaltblöcke holten, um ihre Wälle zu bauen. Stark verändert hat sich damals auch die Vegetation. Als sich das Klima nach dem Ende der letzten Eiszeit erwärmte, wuchs auch auf den bisher kahlen Bergen allmählich der Buchenwald. (Buchonia). Jäger und Sammler streiften umher und später siedelten sich die ersten Ackerbauern an, denen andere Ackerbaukulturen folgten. Während der Bronzezeit war das Klima wesentlich milder als heute. Reste der damaligen Vegetation finden sich besonders an den sonnigen trockenen Hängen der Rhönkuppen.
Schon in der Latenezeit entstanden hier erste Wallanlagen. Die meisten Befestigungen stammen allerdings aus der Urnenfelderzeit, in der der Bau von Wallanlagen in ganz Europa groß in Mode kam. Die größten Wallanlagen in der Rhön und Umgebung sind auf der Milzeburg, dem Öchsenberg und auf den Gleichbergen bei Rhömhild zu finden. Die Milzeburg und die Anlagen auf dem Kleinen Gleichberg kann man als Oppidum bezeichnen, die als politische, wirtschaftliche, militärische und kultische Stammeszentren anzusprechen sind. Unser Mittelgebirgsraum wird von Wissenschaftlern als Kontaktzone zwischen Kelten und Germanen bezeichnet. Manche vermuten aber auch, dass diese Gegend noch zum keltischen Kernbereich gehörte, was wahrscheinlicher ist. Dafür sprechen typisch keltische Funde mit regionaler Prägung, aber auch solche aus dem germanischen Norden sowie dem zentralen Südwesten und Südosten. Wie die Menschen damals sprachen, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Vielleicht ein einheimischer Dialekt mit keltischen Bezeichnungen für Flüsse, Berge, Orte. Welche Flur- oder Ortsnamen „Keltisch“ sind, müsste genau erforscht werden. Schon zur Latenezeit wurde der Urwald gerodet, um Viehweiden, Ackerland und Holz zum Bauen zu gewinnen. Man brauchte Brennmaterial zum Heizen, zum verhütten von Eisenerz und zum Salzsieden. Da man von den Wallanlagen weit ins Land schauen konnte und auch gesehen werden wollte, waren die Bergkuppen mit den Anlagen vorwiegend kahl. Durch Feuer und Rauchzeichen konnten sich die Höhensiedlungen untereinander verständigen.
Im Umland wechselten sich Weideflächen, Felder und Buschwald ab. Günstige Wegstrecken wurden schon zur Jungsteinzeit begangen. Es bildeten sich Trampelpfade, Wege und später Straßen aus. Zahlreiche Wege führten schließlich von West nach Ost.Wurde der Thüringer Wald vorerst umgangen, fand man später Möglichkeiten den Rennsteig zu überqueren. Einer der wichtigsten Übergänge war zum Beispiel der Oberhofer Pass mit seinen nachfolgenden Wegen ins Thüringer Becken. Aus dem Gleichberggebiet kamen die Erzsucher, die bei Suhl und anderswo (auch bei Gethles?) ihre Schmelzöfen bauten um Eisen zu gewinnen und es zu schmieden. Auch werden sie die vorhandenen Weidegebiete im Vorland der Thüringer Waldes genutzt haben.
Schon um 80 bis 15 vor Christus beginnt auch bei uns aus weitgehend unbekannten Gründen der Zerfall der keltischen Welt. Germanen dringen über den Thüringer Wald in die Rhön und das Grabfeld vor und verdrängen die Kelten. Meiner Meinung nach ist es unwahrscheinlich, dass das ohne Gewalt abging. Bei den Kämpfen werden die Gipfelburgen in der Rhön und im Grabfeld die Brennpunkte gewesen sein. Es kann sich aber auch ganz anders abgespielt haben. Darüber berichten weder griechische noch römische Chronisten. Schon um 58 bis 51 vor Christus unterwirft Caesar Gallien und dringt bis an den Oberrhein vor und ab 15 vor Christus ist römisches Militär erstmals in Südwestdeutschland und es werden Militärstationen angelegt. Römer und Germanen stehen an Donau und Rhein, das Land an der Werra, der Rhön und das Grabfeld werden germanisch. Hier sind nun vor allem Hermunduren und Chatten zu Hause.

Quellen:

  • Schriften Chronik Suhl
  • Jens Dahlems: „Das Keltenkreuz“
  • R. Frimei: Ursprung und der Blütezeit b. z. Untergang d. Kelten