Freitag, 8. Mai 2015

Die Steinsburg (von C.A.)

Eine prähistorische bedeutsame Örtlichkeit ganz in unserer Nähe ist die Steinsburg auf dem kleinen Gleichberg bei Römhild. Vom Gethleser Kuhberg, vom Hohen Berg oder vom Rote Haak aus, sieht man in südwestlicher Richtung zwei Berge aus dem welligen Gelände gewaltig und massig emporsteigen, so dass man sofort den Eindruck gewinnt, die Beherrscher der ganzen Gegend vor sich zu haben.
Die Gleichberge
Wie Zwillingsbrüder, gleich geartet in Aufbau und Form, strecken sie nebeneinander ihre Gipfel in den Himmel. Dunkler Wald zieht sich bis auf die Höhen empor und lässt die beiden Berge aus der Ferne im blauen Dunst erscheinen. Sie führen mit Recht den Namen „Gleichberge“ und bilden in ihrer Einmaligkeit und Wucht das Wahrzeichen der Landschaft um Römhild.
Vor Millionen Jahren in der Erdgeschichte mögen hier einmal gewaltige Eruptionen getobt haben. Da riss die Erdrinde auf, feuerflüssige Massen quollen gleich einem zähen Brei aus dem Erdinneren hervor und legten sich über den Untergrund. So entstanden über der Keuperschicht des Trias die beiden eruptiven Basaltkegel. Beide haben ihre vorgeschichtliche Bedeutung. Die bei weitem interessantere Erhebung aber ist der Kleine Gleichberg, die heute weithin berühmte „Steinsburg.“

Wer die Steinsburg besucht, sieht sich riesigen Basalttrümmern gegenüber, die unten und in der Mitte des Berges wallähnlich verlaufen, droben auf dem Gipfel aber liegen ausgedehnten Halden, die 50 bis 60 m an den Hängen hinabreichen. Lange Zeit sah man in diesen Steinhaufen nur ein Spiel der Natur, und so erklärt es sich, dass Jahrzehnte lang die Basaltfelder als bequeme Gelegenheit zum Abbau von Straßenschotter genutzt wurde.
Erst in den 1870-er Jahren erkannte der Römhilder Arzt, Hofrat Dr. Jacob, in den Steinfeldern planmäßige Befestigungsanlagen, die einst von Menschenhand errichtet worden waren. Funde wurden gemacht, die den Beweis ergaben, dass der Berg in verschiedenen Kulturepochen besiedelt war. Auch nach dem Tod von Dr. Jocob wurde weiter geforscht. Tausende von Funden brachten neues Licht in die Vergangenheit des Berges und heute kann, nach jahrelangen Bemühungen, vor allem von Prof. Dr. Götze, die Geschichte der Steinsburg nachvollzogen werden.
In fernen Tagen der Menschheitsgeschichte, als man sich in primitivster Weise des Steins als Werkzeug bediente, muss der Berg schon betreten worden sein. Namenlose Menschen waren es, die in der Steinzeit dort droben hausten. Aufgefundene Steinbeile, schon geglättet und durchbohrt, Messer aus Feuerstein und sonstige Geräte weisen auf die jüngere Steinzeit hin.
Dann wird schon das erste Metall verwendet und bringt großartige Neuerungen hervor. Etwa 1000 Jahre lang (2000- 1000 vor Christus) besteht die Kulturepoche der Bronzezeit. Immer noch wissen wir nichts über die Herkunft und Namen der Siedler. Aber ihre Dasein ist erwiesen. Gefunden hat man bronzene Äxte, Nadeln, Armspangen, Dolche u.dgl.
Dann steigt eine weitere Entwicklungsperiode herauf, die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens. Diese Zeit lässt die Steinsburg- Forschung klarer sehen und wichtige Schlussfolgerungen ziehen. Die Funde häufen sich.
Sie verraten uns, dass Kelten, von Westen her vordringend, im Grabfeld und auf dem Kleinen Gleichberg sesshaft werden. Die Kelten wollen sicher wohnen. Und so umbauen sie die Höhe mit drei riesigen Basaltringen. In mehreren Fassaden türmen sie dicht hintereinander die Blöcke, die sie am Berg vorfinden, ohne jedes Bindemittel auf, die Zwischenräume werden mit Geröll ausgefüllt. So entstehen bis zu 5 m dicke und 4 m hohe Mauern. An der Nordbastion sind Mauerkerne freigelegt und durch Zementeinspritzungen von Prof. Götz konserviert worden. Zwei Haupteingänge führen zum Gipfel. Eine von Norden her, (heute der Dingslebener Weg) der andere von Süden her (der sog. Torweg). An den Durchbrüchen der Festungsringe errichteten die Kelten Holztore, noch einmal gesichert durch winkelförmige Umbiegungen der einen Mauer oder durch dahinter liegende Mauerriegel. Hinter den Schutzwällen lassen sich die Menschen nieder. Einfache Hütten werden gebaut. Auf einem Basaltfundament erheben sich Pfähle und aus Ruten geflochtene Wände, die außen und innen mit Lehm beworfen werden. Ging eine solche Hütte in Flammen auf, so härtete der Lehm aus und blieb in gebrannten Zustand erhalten. Aufgefundene Brocken, mit noch vorhandenen Rutenabdrücken erweisen die Richtigkeit dieser Behauptung. Neben den Wohnungen legte man kleine Speicher an für Getreide- und andere Vorräte. Getreidefunde sind gemacht worden. Die Körner konnten natürlich nur verkohlt die Jahrhunderte überleben. So wurde es ermöglicht, dass die damals vorkommenden Getreidearten bestimmt werden konnten und an den nur spärlich auftretenden Unkrautsamen ist zu erkennen, dass schon ein Getreide-Reinigungsverfahren bekannt gewesen sein musste.
Die Ansiedlung der Kelten und die Befestigung des Berges erfolgte in der älteren Eisenzeit, der sog. Hallstattzeit, etwa um 700 oder 600 vor Christus. Einige Jahrhunderte hausen sie ungestört in ihrer Festung und entfalten ihre reiche Kultur. Es ist die Blütezeit der Steinsburg, eine Zeit, aus der die meisten Funde stammen. Sie zeigen, dass die Kelten Meister waren in der Bearbeitung der Bronze und des Eisens. Die Funde, heute meist im 1929 erbauten Steinsburgmuseum ausgestellt, zeigen Schmuckgegenstände wie Armspangen, Nadeln, Ringe, Gürtelschließen und Gewandnadeln oder Fibeln von wundervollen Formen. Die Kelten kannten Schweißeisen und Stahl und verstanden es Eisen und Stahl zu härten, wie ausgegrabene landwirtschaftliche Geräte bezeugen. Die Eisenschmucksachen weisen zum Teil eine aufgeschmolzene Emaillmasse auf, fein verzierte Geschirrplatten in durchtriebener Arbeit bekunden hohen Kunst- und Schönheitssinn. Viele aufgefundene Tonscherben gestatten einen Überblick über den Stand der Keramik bei den Kelten. Sie formten mit und ohne Töpferscheibe herrliche Gefäße für die verschiedensten Zwecke. Ein eigentümlicher metallischer Glanz verrät, dass man dem Ton häufig Graphit zugesetzt hat. Auch Handel wurde von der Steinsburg aus betrieben. Wahrscheinlich meist nach Süden hin bis in die Mittelmeerländer. Es ist aber auch möglich, dass sie, um Handel zu treiben, bereits die Urstraße aus dem Maingebiet benutzten, die den Fuß der Gleicberge streifte und über den Oberhofer Pass ins Thüringer Becken führte. Eine Halskette aus Opalglas, die den Forschern in die Hände fiel, ist vermutlich eingeführt worden, denn die Glasherstellung ist auf der Steinsburg nicht nachgewiesen.. Dass die Frauen bereits gesponnen haben, ist ebenfalls durch Funde bezeugt. Sie benutzten dazu ein Holzstäbchen als Spindel, die durch einen Wirtel in Drehung versetzt wurde.
Wie oben bereits erwähnt beherrschten die Kelten neben der Eisengewinnung und Erzeugung bereits auch ausgezeichnet seine Weiterverarbeitung. Da jedoch auf der als „Oppidum“ bezeichneten Bergsiedlung und in näherer Umgebung keinerlei Schmiedewerkzeuge zutage kamen, die zur Herstellung der vielerlei Gerätschaften notwendig gewesen wären, liegt die Vermutung nahe, dass sie in unmittelbarer Nähe der Eisenerzeugung geschmiedet wurden, wo neben dem Eisenerz auch die erforderliche Holzkohle zur Verfügung stand. Vermutlich waren es Erzsucher vom Kleinen Gleichberg, die zuerst die reichen und für die frühgeschichtliche Verhüttungstechnologie vorzüglich geeigneten Eisenerze vor allem im Suhler (auch Gethleser ?) Raum entdeckten, ausschmolzen und vor Ort weiter verarbeiteten. Sicher haben sie auch für ihre Viehherden die Weidegründe im Vorland des Thüringer Waldes genutzt.
Die blühende Keltensiedlung erreichte ihren kulturellen Höhepunkt in der jüngeren Eisenzeit auch Latenezeit genannt, die rund 500 v. Chr. an gerechnet wird.
Doch mit der Sorglosigkeit war es bald vorbei. Um 400 v. Chr. verbreitete sich eine schlimme Kunde: Die Germanen rücken von Norden unaufhaltsam gegen den Thüringer Wald vor. Da beginnt ein regen Leben und Treiben auf der Steinsburg. Tausende Hände rühren sich, schaffen neue Steine herbei und errichten vor der untersten Mauer eine weitere Außenmauer, die den Berg in 3 Km Länge umspannt und heute als jüngerer Außenring bezeichnet wird.
Auch die mächtige Mittel- oder Hauptmauer erfährt eine Verstärkung und schließlich wird von ihr ein im Halbkreis verlaufender Wall hangabwärts geleitet, um den sog. Grabbrunnen, die wichtigste Wasserversorgungsstelle, besonders zu sichern. Forscher haben übereinstimmend geschätzt, dass die Mauern ungefähr 200 000 Kubikmeter Steinmaterial umfassten. Diese Erweiterungsbauten machen die Steinsburg für die damalige Zeit zu einer Verteidigungsstätte ersten Ranges. Zusammen mit den Befestigungen auf den Rhönbergen, dem Dolmar und anderen Höhen bis hinunter zum Staffelberg, wo man jetzt noch den uralten Keltenwall unter Busch- und Strauchwerk deutlich sieht, und auf dem auch Nachbauten von keltischen Befestigungsmauern entstanden sind, sicherten die Kelten ihr östliches Grenzgebiet. Die Steinsburg war der Eckpfeiler dieser Linie. Ein ausgezeichneter Nachrichtendienst vermittelte durch Feuer- und Rauchsignale im Falle einer Gefahr Botschaften von Höhe zu Höhe.
Aber schon um 80 bis 15 v. Chr. beginnt aus uns weitgehend unbekannten Gründen der Zerfall der keltischen Welt und alle strategische Kunst kann die Germanen nicht aufhalten. Sie dringen unaufhaltsam über den Thüringer Wald in die Rhön und das Grabfeld vor und verdrängen die Kelten in Richtung Westen. Das ist wahrscheinlich nicht ohne Kampf und Gewalt abgegangen und sicherlich werden dabei die Gipfelburgen der Rhön und des Grabfeldes die Brennpunkte gewesen sein. Es kann sich aber auch ganz anders abgespielt haben. Darüber berichten jedoch weder griechische noch römische Chronisten.
Gewohnt in Freiheit und Ungebundenheit zu leben, lassen die Germanen die Gipfelburgen mit ihren Mauern verfallen. Der Gipfel der Steinsburg wird eine Opferstätte, wo die Germanen ihrem Gott Wotan einen Altar bauen und Opfer darbringen.
Als dann zur Frankenzeit das Christentum den Bewohnern des Südthüringer Vorlandes vermittelt wird, setzen die Missionare, dem kriegerischen Charakter der Germanen Rechnung tragend, an die Stelle Wotans den streitbaren Heiligen Michael und errichten auf dem Kultplatz eine St.- Michaelskapelle, die bis ins 16. Jh. urkundlich bezeugt wird. Gefunden wurden Kalk und Ziegelsteine von diesem Bau, ebenso Teile einer Steinfigur des heiligen Michael.
Auf dem Sattel zwischen großem und dem 30 m kleineren Gleichberg, steht heute das Steinsburgmuseum, ein Hotel mit Gaststätte und der in den 1920- und 1930-er Jahren gebauten Waldhaussiedlung, Damals entstanden die villenähnlichen Häuser von Steinsburgforschern und Bessergestellten. Diese Ansiedlung ist heute der Ortsteil „Waldhaus“ und gehört zur Stadt Römhild. Ein großartiger Eichen- und Buchenwald, der die beiden Gleichberge und damit auch die Reste der Steinsburg bedeckt, breitet wie schützend seine Äste und Zweige darüber aus. Stets war die Steinsburg ein beliebtes Ausflugziel für tausende Besucher aus Nah und Fern. Nach der Wende machten illegale „Wanderer“ mit Suchgeräten auf sich Aufmerksam, die ihre Sammlungen mit Fundstücken von der Steinsburg bereichern wollten. Im Laufe der letzten Jahre sind Aufwuchs und größere Bäume in den ehemaligen Ringwällen und am Gipfel beseitigt worden.
Wer hinaufsteigt bis zum Gipfel, wird belohnt mit einer wundervollen Aussicht auf die blauen Berge des Thüringer Waldes, auf die fruchtbaren Auen des Grabfeldes mit seinen friedsamen Ortschaften und die Basaltberge der Rhön. Auf dem Gipfel rauscht und raunt es von den Geistern einer heidnischen Zeit, von dem was einst hier war und wieder versank.

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