Freitag, 7. August 2015

Keltische Sprachwurzeln in Südthüringen


Keltisches Oppida Steinsburg:
Die alten Herren unserer Heimat
Die Geschichte aus schriftloser Zeit müsste sich doch auch von den Namen der Flüsse, Berge und Siedlungen um uns herum ableiten lassen. Südlich des Rennsteigs ist alles Germanisch, sagen die Flurnamenforscher vom Heimatbund Thüringen. Kann nicht sein, sage ich. Denn wenn die Germanen bei ihrem Einzug hier wirklich alle Geländemarken neu definiert hätten, gäbe es nicht so viele ungeklärte Begriffe in der Landschaft (Beispiele folgen). Da scheint noch einen andere Sprache im Spiel zu sein. Gehen wir der Sache also auf den Grund:
Schon in der Steinzeit muss es eine differenzierte Sprache gegeben haben. Gerade bei Jägern und Sammlern war es existentiell, geologische Besonderheiten zu definieren. Höhlenmalereien, wie im fränkischen Gleisenau oder megalithischen Steinreihen, wie in Langenbach im Thüringer Wald, als Richtungsanzeiger zum Pass ins Saaletal, zeigen das Jahrtausende währende Mühen um präzise Ortsbeschreibungen.
Wo sind die Landmarken bei der Ausbreitung
der ersten Bauernkulturen geblieben?
Unstrittig dürfte auch sein, dass die ersten Siedler einer Region auch die ersten Namen vergeben haben. Und wer waren diese Leute? Bis 5.000 v. Chr. gibt es gar keine Anhaltspunkte. Dann wanderten die archäologisch klassifizierten, aber sprachlich nebulösen Bauern ein, wie Linienbandkeramiker aus dem Osten- und teils auch La Hoguette aus dem Westen. Sie splitteten sich auf und vermischten sich teilweise. Über die Sprache ist weiterhin nichts bekannt, auch wenn einige Sprachwissenschaftler drüber spekulieren, ob die Bandleute nicht schon ein ur-indogermanisch gesprochen haben könnten. Die meisten Experten aber datieren die Einführung der neuen Sprache bei uns um 3.500 v. Chr. Damals müssen sich in Mitteleuropa die aus dem Osten kommenden Trichterbecherleute mit ihren Holzkammer-Bestattungshügeln und die westliche Megalithkultur mit ihren Steinkammer-Grabhügeln gegenüber gestanden haben. Erstere habe sich sich lokal entwickelt, ohne Verbindung zu den späteren indogermanischen Zentren, letztere mit einem sprachlich tiefen "alteuropäischen Hinterland" bis Spanien und Portugal. 
In Mitteleuropa mischten sich nicht erst ab 2500 v.Chr.
östliche und westliche Sprecher
Um 2.600 v. Chr. stoßen dann von dort die Glockenbecher-Leute dazu. Nach neuesten Erkenntnissen kamen sie, wie die Megalithkultur, von der Iberischen Halbinsel. Sie scheinen deren direkte Nachkommen gewesen zu sein. Eine ähnliche Sprache kann also angenommen werden. Archäologisch vermischen sie sich in Mitteldeutschland mit den inzwischen aus den Steppen Russlands eingewanderten Schnurkeramikern zur Aunjetitzer-Kultur (2200-1600 V. Chr.). Das ist auch genetisch längst belegt. Wenn also bei uns Sprachrelikte vor 2200 v. Chr. übrig geblieben sind, müssen sie aus dem Westen stammen. Oder aber sie kommen aus dem vor-indogermanischen Raum, dann aber erst nach 2200 v. Chr. Da der Einfluss mit den Megalithikern vom Atlantik mindestens 2000 Jahre länger währte, spekuliere ich, dass hier in Mitteleuropa ein alteuropäisches Idiom vom Atlantik gesprochen wurde. Die Dominanz der westlichen Einflüsse bei den Aunjetitzern lässt sich auch archäologisch belegen. Das war mindestens bis 1600 v. Chr. so! Danach scheinen die Indogermanen mit der Hügelgräberkultur wieder einen Vorstoß gen Westen unternommen zu haben.
Die Urnenfelderleute ab 1200 v. Chr. als erste Indoeuropäer
westlich des Rheins
Den ganzen Hickhack versteht nur, wer sich mit der Theorie von der Bipolaritet Europas in der Urzeit beschäftigt. Die war im vorigen Jahrhundert populär, aber moderne Wissenschaftler relativieren da inzwischen sehr. Die Hypothese beschreibt die Trennung unseres Kontinents in einen westlichen Kulturraum und einen östlichen, der eine als "alt" und der andere als indogermanisch bezeichnet, genetisch unterschieden mit R1b- und R1a Chromosomen, kulturell mit Glockenbechern und Schnurkeramikern, geografisch diffus mit rechts- und linksrheinisch. Südlich des Rennsteiges müssen in Verbindung mit den Steinkistengräber mindestens bis 1600 v. Chr. megalithische Kulturen dominiert haben. Entsprechend die Einordnung unserer Sprache in Südthüringen!  Erst nach 1200 v. Chr. kann die Verbreitung der Indogermanen in ganz Europa als sicher  angenommen werden. Diese Ost-West-Triften brachten durch Barrieren wie Karpaten, Alpen oder Pyrenäen eine enorme Sprachdifferenzierung hervor. Ihre Entwicklung ist noch heute hörbar (alle v. Chr.): Anatolisch (1700), Griechisch (1400), Italisch (700), Iberisch (700), Keltisch (600), Germanisch (300), Slawisch (900 jetzt nach Christi). Wo um Gotteswillen sollen wir da einsteigen? Über die Tradition?
Von der Urnenfelder-, zur Hallstatt- bis zur Latènekultur: 
Erst die Kelten beherrschten ganz Westeuropa.
Ausbreitung der indogermanischen Sprache in Europa
Einmal vergebene Geländebezeichnungen - egal aus welcher Zeit - müssen lange Bestand gehabt haben, schon um Irrtümer zu vermeiden. Nur eine vollkommene Abwanderung oder Auslöschung einer Population könnten also Namensänderungen bewirken. Selbst bei Völkerwanderungen blieben ja auch immer Menschen in den ursprünglichen Siedlungsgebieten hängen. Warum sollten sie die Bezeichnung ihres Dorfes, Hausberges, Jagdwaldes oder ihrer Wasserquelle ändern? So könnten die uns heute nicht vertraut klingenden Eigennamen bereits aus vorgermanischer, sprich vorindogermanischer Zeit stammen: Brix, Milz, Simmer usw. Das macht besonders Sinn für dominierende Geländemarken. Jeder braucht sich nur die großen Flüsse seiner Heimat herzunehmen, wie Werra, Main, Saale oder Jüchse. Das gleiche könnte aber auch für die alten Siedlungen, wie Fulda, Vacha, Metzels, Wahns, Themar, Harras, Meeder usw. gelten, deren Namen keinen germanischen "Sinn" ergeben. Und wirklich: Überall, wo an solchen Orten Archäologen anrückten, kamen mindestens Urnenfelder-Artefakte zum Vorschein. Urnenfelder? Um 1.200 v. Chr. muss europaweit ein Umbruch stattgefunden haben. Unvermittelt und plötzlich treten die Brandgräberleute in Zentraleuropa auf den Plan. Irgendwelche extremen Rahmenbedingungen müssen die Menschen bewogen haben, ihre Verstorbenen nur noch zu verbrennen und erst lose, dann in Töpfen flüchtig zu verscharren. Im Donaubecken, dem Entstehungsort dieser Kultur, sollen die Indogermanen gesessen haben, die sich aber dort seit tausend Jahren nicht von der Stelle gerührt haben sollen. Die archäologische Lehrmeinung erklärt dieses Phänomen mit religiöser Neubesinnung, die Katastrophentheorie mit einem Klimakollaps, der von Tsunami- und Vulkankatastrophen im Atlantik ausgelöst wurde (Siehe Blog Prähistorisches Europa). Fakt jedenfalls, dass seit dieser Zeit die expansive und innovative Kraft der Megalithkultur aus Westeuropa gebrochen war. Einig ist man sich nur, dass damals extreme gesellschaftliche Umbrüche stattgefunden haben, aus denen die indogermanische Sprache als Sieger hervorgegangen ist. Und die diffundierte nun als Urnenfelderkultur zunächst in den gesamten Donauraum. Wir gehören dazu!

Die Theorie: Jede Kaltzeit war eine Katastrophenzeit und
nach jeder rückten die Indogermanen weiter nach Westen vor.
Die in den Mittelgebirgen damals massenhaft ausgebauten befestigten Höhensiedlungen könnten noch von den megalithisch beeinflussten Westsprechern stammen. Denn die Steppenreiter kannten so etwas ja nicht. Die größten dieser Oppida sind bei uns gut erforscht: Gleichberge, Staffelstein, Ehrenbürg. Das hört sich zwar erst einmal sehr vertraut an, doch diese Namen haben sie bekanntermaßen erst in germanischer Zeit verpasst bekommen, vielleicht als die christlichen Kapellen dort errichtet wurden. Die überwiegende Mehrzahl dieser Wallanlagen tragen auf den ersten Blick phantasiefreie Eigennamen: Dolmar, Geba, Milse-Burg, Dis-Burg, Umpfen, Öchsen, Arns-Berg, Bern-Berg, Bleß-Berg usw. Doch diese Bezeichnungen reklamieren sowohl Germanisten als auch Keltisten für sich. Fakt jedenfalls: Sie alle waren bis zu Beginn unserer Zeitrechnung von den späteren Kelten verlassen und von den Germanen nur spärlich wieder neu besiedelt worden. Die Wissenschaft streitet sich, ob nun erstere freiwillig gingen, oder von den anderen vertrieben wurden.
Die Sprachbestimmer: Kelten oder Germanen?
Scheinbar aber waren nur die Eliten von den Höhenburgen fortgezogen. In den Ebenen konnte eine keltische Siedlungskontinuität festgestellt werden, wie beim fränkischen Aubstadt, wo eine Vermischung von Kelten und Germanen archäologisch nachgewiesen wurde. Geländenamen aber werden sich auch bei Invasionen und neuen sozialen Hierarchien kaum geändert haben. Es sei denn, man hätte die Einheimischen vollständig ausgerottet. Unterdrücker aber brauchen immer Arbeiter und müssen in deren Verständniswelt kommunizieren! Nur extreme Umwälzungen im Alltag konnten so zu Veränderungen in der Sprache führen. Natürlich wurden Flurbezeichnungen auch vergessen. Nämlich dann, wenn sie nicht mehr gebraucht wurden, z. B. bei der Verlagerung alter Verkehrswege oder Siedlungsstrukturen, wie bei den beiden Gleich-Bergen. Die bezeichnete man jetzt "aus der Ferne, vom Tal heraus", nur die immer noch lebensbestimmenden Flüsse wie Werra oder Milz behielten ihre Namen (Für den Großen Gleichberg ist auch der Name Bernberg überliefert.).
Ab 1200 v. Chr. war der megalithische Sprachraum 
zusammengebrochen. Warum?  
Doch ab wann konnte sich nun unsere heutige Sprache durchsetzen? Aus der zunächst donauzentrierten Urnenfelderkultur hatten sich ja bekanntlich kontinuierlich um 800 v. Chr. die Hallstatt- und gegen 500 v. Chr. die Latène-Kultur entwickelt. Letztere wird dann schon in antiken Schriften mit den Kelten und Galliern in Verbindung gebracht. Von denen wissen wir, dass sie letztendlich die indogermanische Sprache in ganz Westeuropas verbreitet haben. Ein Prozess, der noch viele Fragen offen lässt (Siehe hier)! Die von dieser Invasionen übrig gebliebenen "Alteuropäer" wie Basken, Iberer und vielleicht Ligurer scheinen keinen sprachlichen Einfluss auf unsere Region gehabt zu haben - jedenfalls hat das meines Wissens noch niemand untersucht. Nachdem auch die indogermanischen Kelten ab der Zeitenwende etwa von ebenfalls indogermanischen Römern und Germanen vertrieben wurden, blieben wieder nur  Sprachinseln an den Rändern Europas übrig. Sprachforscher wie Wilhelm Obermüller oder Joachim Richter versuchten nun, in bekannten keltischen Restsprachen wie gälisch, kimbrisch und bretonisch nach Überbleibseln unseres Namensgutes suchen.
Die Mauern der neuen Herren
Sie klopften Tausende Gelände- Personen-, Gewässer- und Siedlungsnamen von der Ostsee bis zu den Alpen nach ihren alten keltischen Wurzeln ab. Und siehe da, 90 Prozent der "vorgermanischen" Eigennamen wollen sie aus alten Vokabeln hergeleitet haben (Siehe Link zum Schluss). Außerdem kommen die beiden zu dem Ergebnis, dass um 2.000 v. Chr. nicht nur ein relativ einheitliches „Vorkeltisch“ in Mitteleuropa benutzt wurde, sondern dass bereits damals die meisten Bezeichnungen im Gelände vergeben waren. Das war die Zeit der megalithischen Glockenbecher-Typen, als hierzulande - wie wir oben erfahren haben - wahrscheinlich ein astreines "Alteuropäisch" und nicht indogermanisch gesprochen wurde. Damit kommen Obermüller und Richter zu den gleichen Ergebnissen wie die Katastrophentheorie, wenn auch auf anderen Wegen. Auch der Sprachforscher Hans Krahe schlussfolgert aus seiner Untersuchung der alteuropäischen Hydronymie, dass die meisten Gewässernamen von einer frühen vorgermanischen und vorkeltischen Sprache abstammen müssen, wie Alba, die Elbe oder Sala, die Saale. Er ordnet sie aber indogermanisch ein, also sicher nur nach 1200 v. Chr., ohne nach der Alt-, sprich Westeuropäischen Sprache zu fragen. Auffällig bei diesen Vergleichen: Es schält sich wieder die oben genannte diffuse Grenze zischen Ost- und West-Sprechern heraus. Andere Linguisten ordnen bestimmte Endungen definitiv dem Keltischen zu, also einer Zeit zwischen 600 und 50 v. Chr., wie ar, -a, -les, lis, -los, -las, -ach, -hall, -loh, oder -idi.
Die Germanen als indogermanische
Sprachverwandte der Kelten?
Ab der Zeitrechnung jedenfalls waren die keltischen Kriegereliten fast ganz aus Südthüringen verschwunden. Jetzt machten sich die ebenfalls indoeuropäischen Germanen breit, deren sprachlicher Einfluss ziemlich genau festgemacht werden kann: Erst Alemannen (mit den Namensendungen -ing und -ung , dann Hermunduren mit -stedt, später Thüringer mit -leben, zum Schluss Franken mit -heim, -haus, -burg, und -feld. Um 800 kamen ein paar kriegsgefangene Slawen dazu (-wind). Die indogermanischen Neuankömmlinge hatten nun über 2.000 Jahre Zeit, die alten Eigennamen zu schleifen, verdrehen, verballhornen und entstellen. Oft aber blieb ein Stamm erhalten. Die „Kalte Küche“ die man auf einigen Höhenzügen in Deutschland findet, soll so bestimmt nicht der Ort gewesen sein, wo Waldarbeiter ihre Leberwurstbrote ausgepackten, sondern „calde kuchel“, die Bergkapelle.
Eiserne Hand im Kleinen Thüringer Wald:
Fünffingriger Wegweiser?
Die auf vielen Höhenzügen mit Urwegen vorkommende „Eiserne Hand“ wäre lautlich vom keltischen „eathan annet“, dem Berghaus abzuleiten. Da geht es aber los: Wenn man die 37 "Hände"-Orte im deutschsprachigen Raum abklappert (3 alleine um Suhl), findet man keine Hausruinen, dafür prinzipiell 5 Abzweigungen an einem Kammweg, so viel wie die Hand eben Finger hat. In diesem Sinne scheinen viele Ableitungen der Keltisten einfach an den Haaren herbei gezogen.
Trotzdem könnte, wenn unterschiedliche Völker und Sprachen auf ein Geländemerkmal trafen, manchmal ein Wortstamm erhalten geblieben sein: Die Elbe der Deutschen und die Labe der Tschechen scheint aus dem keltischen „eloava = die mäandernd Dahinfließende“ entstanden zu sein. Auch die kuriosen Schreibweisen der ersten deutschen Rechtschreibversuche änderte kaum etwas an dieser Wurzel. Beispiel Oder: 892 Odagra, 950 Oderam, 1086 Oddera. Dabei muss auch nach dem Sinn der Worte gefragt werden. Gerade für die Oder gibt es ein halbes Dutzend Deutungen in Keltisch, Lateinisch, Germanisch und Slawisch. Und das macht es so schwierig: Achim Fuchs, der im Auftrag des Heimatbundes Thüringen Flurnamen südlich des Rennsteiges sammelt, listet die bekannten Namensherleitungen des Dolmar bei Meiningen mit seiner hallstattzeitlichen Wallanlage auf:
  • Obermüller (keltisch): tula mar - Berg groß,
  • Jacob (germanisch): dol mari - Wölbung mächtig; auch keltisch: dol mor - Tafelberg groß; später tulli mari - herausragendes Bollwerk
  • Müller (slawisch): Tolmari - ein Personenname
  • Schneider: dol mor - Tafelstein
  • Jäger französisch: tol - Erhebung
  • Brigleb (illyrisch): Delm ar - Schaf berg
Der hallstattzeitlich bewehrte Dolmar
All diese poetischen und sinnvollen Varianten verwirft der gute Herr Fuchs und leitet den Bergnamen von der Wüstung Tolmarsdorf her. Und die soll auch noch slawisch gewesen sein, also von Siedlern, die südlich des Rennsteigs immer eine zwangsangesiedelte Randgruppe waren. Ein alles dominierender, mit hallstattzeitlichen Wällen bestückter Berg soll nach einem frühmittelalterlichen Dörflein zu seinen Füßen benannt worden sein? Da hätten sicher noch ein halbes Dutzend anderer nachkeltischer und germanischer Dörfer in der Nachbarschaft ein Wörtchen mitzureden gehabt. Die Silben dol und mar tauchen - unabhängig von ihrer Bedeutung - in Dutzenden alten Bezeichnungen verstreut über ganz Europa auf. Dazu ist die Gegend rund um den Dolmar seit der Bronzezeit ununterbrochen besiedelt gewesen. Ein Slawe namens "Tolimir", noch dazu wenn seine Gründung nicht lange bestanden hat, kann da nicht viel Bleibendes eingebracht haben.
Auch die Große Geba in der Rhön ist solch ein ideologischer Fall:
  • Jacob: Gewe - Schlund
  • Haas (germanisch) gebal- Schädel
  • Bahlow: Herleitung von Sumpf
Die Geba: Kein Berg Europas trägt so deutliche Kennzeichen
aus der frühen Eisenzeit
Keltische Abwanderung: Die um den Thüringer Wald 
siedelnden Volcae werden um 121 v. Chr. von den Römern
im Süden gesichtet
Hier klingt kein Name logisch und jeder darf sich etwas aussuchen. Seit Jahrhunderten rätseln Heimatforscher an der eigentümlichen Bezeichnung herum. Um das Bergmassiv herum kamen prähistorische Artefakte in Massen zu Tage. Allein - auf seinem weiträumigen Plateau wurde noch nichts gefunden. Man hat aber bisher auch nicht gegraben. Sogar die winzigen  frühmittelalterlichen Fundamente am Neidhardskopf wurden vergessen. Dabei deuten offensichtliche Geländestrukturen auf eine sogar üppige frühzeitliche Besiedlung der Geba hin: Rund um den ehemaligen Steinbruch gibt es mehrere Schanzkanten, bemooste Steinhäufungen und -reihen, die nur als Reste einer befestigten Siedlung Sinn machen. Dazu kommen nördlich des ehemaligen Militärgeländes kranzförmig angelegte Steinlinien im Wald, mehrere Abschnittswälle und Gräben auf der Kleinen Geba, ja und wer soll die überdimensionalen Ackerterrassen rundum angelegt haben, die größten in ganz Europa? Es gibt sogar Heimatforscher, die vermuten im Kleinen und Großen Ölberg westlich von Seeba und im Oelberg neben Dörrensolz überdimensionale Grabhügel. Natürlich müssen sich insgesamt Sprachwurzeln, Geländesituation und Archäologie jeweils ergänzen.
Das ist nicht immer eindeutig. Nehmen wir das Problem der lokalen und der Fremdbezeichnung einer Flur, hier natürlich für Südthüringen und Franken: Ptolemäus nannte kurz nach der Zeitenwende den kompletten Gebirgszug vom Böhmer- bis zum Thüringer Wald als „gabreta silva“.  Mittelalterliche Autoren bezeichneten unsere Region später als „Buchonia“ oder „Loipe“. Beim Keltisten Joachim Richter sind die Thüringer „dour-rannegourien“, die Leute beiderseits der Wasserscheide. Den Einfluss der urkundlich belegten keltischen Volcae hier, hat noch niemand untersucht. Für die Menschen ringsum war das Mittelgebirge bis heute einfach „die Berge“ oder "im Wald". Doch wer, bitte schön, hätte das je aufgeschrieben? 
Die Werra in Südthüringen: Ein 4000 Jahre alter Name?
Auch die Werra ist so ein Streitfall: Den landschaftsprägenden Fluss beanspruchen sowohl Germanisten als auch Keltisten für sich. Einig ist man sich noch, dass bis zum Ende des ersten Jahrtausends Werra und Weser als einheitliches Gewässer wahrgenommen wurde. Doch dann machen Linguisten aus der ersten Erwähnung „visurgis” bei Tacitus ein germanisches “visuri”, obwohl bekannt ist, dass die Römer prinzipiell die keltischen Flurnamen übernommen hatten. Richter leitet Werra vom keltischen “gwyrdd“ ab, grünblaues Wasser. Sie sieht aber nicht anders aus, als alle Bäche und Flüsse ringsum. (Bis man begann, massenhaft salzhaltigen Abraum hinein zu pumpen.) Einige auf Ausgleich bedachte Sprachwissenschaftler bevorzugen das indogermanische Wort “ueis” - „fließen” und schließen damit alle germanischen und keltischen Sprachgruppen ein. Erst im 8. Jhd. klammert das schriftlichen Zeugnis “wesera” alle Zweifel aus.
Wie bezeichneten "Fremde" unsere Welt?
Nach Richter lassen sich auch alle Zuflüsse der Werra aus dem Keltischen herleiten. Für ihn stehen 3.000 Jahre südwestliche, sprich "alteuropäische", später keltische Sprachtradition gegen maximal 1.000 Jahre germanischer Einflussname. Und von letzteren haben die Archäologen in Südthüringen nach Abzug der Kelten ja kaum etwas gefunden. Das soll daran liegen, dass die meisten Germanen einfach durchgewandert waren und sich nicht mehr auf den "archäologisch ertragreichen" Bergen verbarrikadieren mussten. Andere Historiker sind der Meinung, dass ihre großen Talsiedlungen den heutigen entsprechen, schlicht tausendfach überbaut wurden und Archäologen bisher nur unzureichend zum Zuge gekommen sind. Die meisten der vielen germanischen Orte mit den Endungen -ing, -stedt, -haus-, -heim, -leben, und -feld waren ja zwischen der Zeitenwende und 700 nach Christi entstanden und existieren bis heute. Dort konnten die neuen germanischen Herren zwar schnell ihre Alltagssprache durchsetzen, nicht aber in "Wald und Flur". 
Am Ende der Völkerwanderung dominieren romanische
und germanische Sprachen 
Trotzdem müssen Romanisierung jenseits des Limes und Germanisierung in Mitteldeutschland das ihrige getan haben. Allein an Rhein und Mosel konnten gallorömische Schreiberlinge ja 500 Jahre länger am Keltischen herum biegen. Jenseits des römischen Reiches, also auch bei uns, scheint sich die alte Sprache länger erhalten zu haben: Nicht wenige Linguisten glauben, dass bis ins Mittelalter hinein hierzulande noch keltische Dialekte gesprochen wurden. So sollen in der Zeit der Sächsischen Kaiser neugebaute Burgen eindeutig keltische Namen erhalten haben. Gronau an der Leine beispielsweise
würde vom  keltischen „cronua“ - „Neuburg“ abstammen. Auch die irischen Mönche, die wie Kilian im 6. und 7. Jahrhundert Mitteldeutschland missionierten, wären nur deshalb so erfolgreich gewesen, weil man sie noch verstanden hätte. Ein weites Feld... Diese Beispiele zeigen wohl deutlich, das bei jeder Deutung eines Altnamens ein kritischer Blick auf Geschichte, Geografie und Sprachwissenschaft geworfen werden sollte.
Die mögliche Herkunft der Thüringer als gotische Terwingen
Sogar über die Herausbildung der Deutschen Sprache rund um den Thüringer Wald wird gestritten: Über die Sueben, die ja irgendwie vom Unterlauf der Oder nach Schwaben gekommen sein müssen, gibt es gar keine Aufzeichnungen. Über die Hermunduren nur von 0-180 unserer Zeit, danach verstummen für 300 Jahre die Urkunden. Die Thüringer sollen von 400 an ihren Dunst südlich des Rennsteigs versprüht haben, aber nur zaghaft. Ihr Zentralreich soll sich nach dem Tode Odoakers im Thüringer Becken befunden haben. Damit entpuppt sich das heutige Sächsisch dort als das alte Thüringisch. Die falsche Bezeichnung hat etwas mit den mittelelterlichen Grenzveränderungen zu tun.Die Franken kamen ja bekanntlich erst 531 nach der Schlacht an der Unstrut über uns. Sie steuerten jedenfalls in Südthüringen ihren westgermanischen Dialekt vom Unterlauf des Rheins mit bei.
Doe Ausbreitung der Fränkischen Sprache
Es soll fast 1.000 Jahre gedauert haben, bis sich unsere heutige fränkische Mundart herausgebildet hatte. Dass es dort heute anders klingt, als bei uns, könnte etwas mit den Mischungsressourcen dort zu tun haben. Östlich des auslaufenden Rheins waren Kelten und Germanen, im Westen Kelten und Latiner, erst später die Germanen. Doch das ist schon die nächste Geschichte, mit Luther und seiner Bibel war sowieso alles vorbei …
Resümee: Man wird wohl nicht umhin kommen, jede Flur- oder Ortsbezeichnung einzeln von den unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen nach o. g. Prinzipien untersuchen zu müssen. Doch wer hat schon dafür Zeit und Geld?

P.S. Weitere Hinweise für Germanisten: der umfangreiche Flurnamenreport auf der Internetseite des Heimatbundes Thüringen. Und für Keltisten: Obermüllers Deutsch-keltisches Wörterbuch als eBook im Internetarchiv, Band I und II. Richter muss man sich kaufen oder in der guten alten Bibliothek ausleihen. Zum Schluss daraus noch ein paar Beispiele unserer Region mit ihrer möglichen keltischen Ableitung (Man beachte die Allgemeinplätze, die überall zutreffen könnten!):
  • Gleichberge, die wasserreichen Berge
  • Eisfeld an der Werra, Gerstenfeld
  • Römhild/ Rothemulde, oberes Sumpfland
  • Marisfeld, ruhiger Platz
  • Henfstädt, sehr alter Platz
  • Gethles, Platz im Wald
  • Suhl, kleines Wasser
  • Schleuse, heftig rauschend
  • Fulda, schön breites Wasser
  • Saale, weidbestandene
  • Harz, großes Hindernis
  • Jena, Platz der Quellen
  • Schwarzatal, Tal des lieblich lächelnden Wassers
  • Queienfled, Rinderfeld 

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