Dienstag, 21. April 2020

Urweg der Megalithik nach Süddeutschland?

Der Heidenstein: Großsteinanlage um 3000 v. Chr. nicht weit 
von der hier postulierten Straße der Megalithik
Die Überschrift allein schon ist ein Widerspruch in sich. Nach archäologischer Lehrmeinung gab es keine megalithische Kultur zwischen Alpen und Thüringer Wald. Dem stehen aber hunderte Großsteinsetzungen auch in Süddeutschland und der Schweiz gegenüber. Auch die dutzenden Cairns, jene ominösen Bruchsteinaufschichtungen mit der sich viele Heimatforscher in Baden-Württemberg befassen, lassen einen Bezug zu dieser alten Hochkultur vermuten. Bis in den Thüringer Wald könnte die Tradition der Menhire und Großsteingräber vorgedrungen sein. Auch wenn die deutschen Cairns von der Fachwelt nicht anerkannt sind, neben jedem dieser mutmaßlichen Nekropolen liegen Siedlungsverdachtsplätze oder solche, die archäologisch bestätigt wurden. Derartige Anlagen sind nach archäologischem Verständnis ab 4800 v. Chr. im Süden der Iberischen Halbinsel entstanden. Und wie kam der Brauch zu uns?
Wasserscheidenwege als natürliche Verteiler der Kulturen 
in Europa?
Alle Völkerwanderungen scheinen nach dem gleichen Prinzipien abgelaufen zu sein: Konzentrierter Marsch entlang eines bekannten Fernweges, Bau von Stützpunkten zur Wegesicherung, sternförmige Ausbreitung in einer fruchtbaren Region. Man braucht also wieder nur die wasserscheidenden Höhenwege sinnfällig miteinander zu verbinden und gelangt in einer Art Zwangsführung, oft sogar metergenau, von Anatolien zu den archäologischen Fundstätten in Deutschland. Damit sie nicht denken, nun ist der Kerl ganz verrückt geworden, habe ich wieder schnell eine interaktive Karte gezeichnet. Die kürzeste, sicherste und trockenste Verbindung sticht sofort ins Auge. Sie führt fast kerzengerade durch unseren Kontinent und ist heute noch allerorts zweispurig befahrbar. Hauptträger dieser - nennen wir sie die südliche Megalith-Route - muss dementsprechend die Europäische Hauptwasserscheide mit ihren Abkürzungen an den großen Flüssen Ebro, Saône und Rhein gewesen sein (Siehe entsprechender Post im Blog Prähistorisches Europa.). Auch viele der anderen dort eingezeichneten kontinentalen Altstraßen sind bereits in mehreren Posts hier untersucht worden.
Die Wasserscheidenwege von Schwarz- und Odenwald, Spessart 
und Rhön als schnellste, sicherste und trockenste Verbindung 
in der Frühzeit vom Südwesten in den Norden Deutschlands
Nicht aber die Kammwege von Schwarzwald, Odenwald, Spessart und Rhön. Dort habe ich entsprechend auch wieder die gesicherten und verdächtigten Artefakte eingezeichnet. Insbesondere die Sicherungs- und Versorgungsstationen alle 20 Kilometer - dem Tagespensum eines Ochsenkarrens. Bei anderen mutmaßlichen megalithischen Monumenten, wie Großsteingräber oder Menhire, muss immer berücksichtigt werden, dass sie nachträglich verrückt, bzw. nur zur Dekoration aufgestellt worden sein können.
Die Masse aber der Artefakte bildet wie üblich einen zielorientierten wasserscheidenden Höhenweg ab. Die so entstandene  Hinkelstein-Route könnte die Hauptlinie der Völkerwanderungen von Anatolien nach Zentraleuropa gewesen sein (die neolithische um 6000-, die megalithische gegen 4000- und die Glockenbecher-Expansion um 2600 v. Chr.).
Die Dolmen von Antequera in Südspanien gelten als die
größten Steinsetzungen der Megalithik
Geografen heben zwar immer das Rhontal und die Burgunder Pforte als Einfallstor aller mediterranen Werte und Güter zu uns hervor, aber die hier eingezeichnete Kammlinie (Abkürzung der Hauptwasserscheide) braucht 100 Kilometer weniger in den Südosten und war gegen alle Hochwassergefahren gefeit. Und an diesem Weg entlang finden sich ja auch die meisten archäologischen Relikte, einschließlich der perlenkettenartig aufgereihten befestigten Höhensiedlungen. Die mit eindeutigem Bezug zur ur- und Frühzeit habe ich rot markiert, wie auch die Cairn-Zentren um Sternenfels und Maulbronn. Natürlich kann man sich auch Abweichungen zu den Talrändern hin vorstellen, wahrscheinlich wasserstandabhängig. Es sind übrigens auch Wanderungen entgegengesetzt von Zentraleuropa nach Iberien bekannt: einige Schnurkeramiker ab 2800 v. Chr., mehr schon die Hügelgräberkultur ab 1600 v. Chr., massig dann Kelten ab 600 v. Chr., gotische und burgundische Germanen nach 400 jetzt unserer Zeit. Bei den Römern ist die Burgundische Pforte dann auch als entsprechende Straße belegt. Für die waren ja Brücken und Entwässerung schon keine Fremdworte mehr.
Der Weg der Megalithik: Anatolien ab 10.000, 
Griechenland ab 6000, Italien ab 5000, Malta ab 4000,
Nordafrika ab 4400, Spanien ab 4800, Bretagne ab
3500, Stonehenge ab 2600 - respektive Schweiz ab 2500 -
alle v. Chr.
Solche Prinzipien treffen auch auf unsere hier eingezeichnete Teilstrecke Basel-Eisenach zu, die ja 3 große Flüsse überwinden musste: Neckar, Main und Werra. Hügelgräber, befestigte Höhensiedlungen und Flurnamen weisen sie aber als einen mindestens seit der Bronzezeit befahrenen Fernweg aus. Auch er ist noch heute durchgehend befahrbar. Die Überquerungen von Pässen in Schwarzwald, Odenwald, Spessart und Rhön sind gut belegt. Dazu gehören berühmte Magistralen wie die Hohe Straße von Speyer nach Nürnberg, die Via Publica von Brüssel nach Prag, der Ortesweg von Marburg nach Bamberg, oder der von mir so genannte Zinnweg vom Ärmelkanal über Rennsteig nach Wien (Alle seit der Bronzezeit begangen und von mir im Blog Fränkisches Thüringen beschrieben). Es gibt aber auch viele unbekannte regionale Querwege (Brotweg, Altensteig, Diebesstieg, Vieh- und Ochsenweg…). Die Römer hinterließen uns neben ihren schon weitgehend bekannten Straßen im Odenwald zwei Prachtexemplare des grenzsichernden Limes gegen die Germanen. Der eine unmittelbar entlang unseres Kammweges. Als die Südländer im Jahre 159 wieder mal nicht genug bekommen konnten, legten sie diese schnurgerade Barriere 30 Kilometer weiter in den Osten.
Heute werden solche Anlagen aus einem fragwürdigen
Traditionsbewusstsein heraus aufgestellt. Man erkennt sie an 
den schafkantigen Bruchsteinen: Aussichtspunkt "Toter Mann"
 im Schwarzwald
Ihre Siedlungsstrategie zeigt uns die Römische Villa Haselburg bei Höchst, unter der sowohl ein neolithisches Steinkistengrab, als auch ein bronzezeitlicher Grabhügel gefunden wurden: Wiederbenutzung, Kontrolle, Einschüchterung.
Wie im Thüringer Wald erzwingt die bekannte Querung quasi auch die vergessene Längsnutzung! Im Mittelalter hat unsere Nord-Süd-Kammstrecke dann auch teils beurkundete Altstraßen-Namen verpasst bekommen: Im Schwarzwald die Hohe Straße oder Alte Weinstraße von Gernsbach über Seewald-Besenfeld-Freundenstadt nach Schramberg, im Spessart der Eselsweg von Schlüchtern nach Großheubach am Main. In Thüringen wissen wenigstens die Altstraßenforscher von der historischen Nutzung der Langen Rhön. Aber schon das militärische Sperrgebiet um Wildflecken auf dem wasserscheidenden Kamm scheint jede länderübergreifende geografisch-historische Arbeit zu unterbrechen. Auch im Odenwald hat wahrscheinlich noch niemand über die hier angebotene Kammlinie nachgedacht.
Wie die Megalithkultur wanderten auch die 
Glockenbecherleute in einer Art Zangenbewegung nach
Zentraleuropa: Per Schiff entlang der Küste und zu Fuß
entlang der Europäischen Hauptwasserscheide
Was glauben die Geografen dort, warum die Römer gerade auf dieser Strecke ihren Limes aufgezogen haben? Wie im Thüringer Wald beleuchten alle Autoren gebirgsquerende Passstrecken, einen wasserscheidenden Fernweg aber zieht niemand in Betracht. Dabei zeigt die extreme Konzentration von längsführenden Hohlwegen und Verdachtsplätzen befestigter Höhensiedlungen um Ebersbach am Neckar und Laudenbach am Main genau an, wo es lang gegangen sein muss. Dazu kommen die beurkundeten Sandbänke für Flussquerungen dort. Na und der Name Trennfurt am Main, genau auf unserer Linie, muss auch nicht weiter kommentiert werden.
Noch ein Wort zu den so zahlreich eingezeichneten Sicherungs- und Versorgungsstationen. Die meisten sind natürlich nur als Verdachtsplätze klassifiziert, weil nach der hier vertretenen Strategie da ja noch niemand gegraben hat. Aber die Indizien sprechen neben Hochquellen, Rodungen und Bergfeldern für sich. Alle haben nämlich:
Menhir von Degernau in Süddeutschland
  • - Flachgräber oder bronzezeitliche Hügelgräber in der Nachbarschaft
  • - künstlich versteilte Abhänge, Steinwälle, Felsplateaus, Trockenmauern (in der Karte allgemein als Schanzen bezeichnet)
  • - oft rundumführende Terrassenfelder, die aus mehreren Gründen aus der Ur- und Frühzeit stammen müssen (Siehe Post zu Terrassenfeldern)
  • - meist entsprechende Flurnamen: Wallberg, Schanze, Hoher Markstein, etc.
  • - nicht selten Altsteinbüche, zur Werkzeuggewinnung und Verteidigung, auch um Cairns aufzuschichten
Nach diesen Relikten muss unsere megalithische Kontinentaltrasse schwerpunktmäßig vom Endneolithikum bis teils ins Mittelalter benutzt worden sein.
Sie merken sicher auch als Tendenz an der Strecke: nach Norden werden die roten, also bekannten Markierungen immer dichter. Das liegt aber nicht an der verstärkten Streckensicherung, sondern weil wir dort meiner Heimat Thüringen immer näher rücken. Da kenne ich mich einigermaßen aus! Ab dem sog. Ellenbogen - Wegeknick - in der Hochrhön bietet sich auch eine „Geradeaus-Variante von der frühen Eisenzeit bis ins Mittelalter an. Die Flurnamen hier zu entsprechenden Befestigungen lassen mich auch auf identische Bezeichnungen an der Gesamtstrecke schließen.
Die 12 Apostel am Rennsteig im Thüringer Wald
Ab dem Wegeknoten Eisenach kann es dann in alle möglichen Richtungen nach den selben Mustern weiter gegangen sein. Auf Strecken, die ich bereits in anderen Artikeln hier dargelegt habe. So wäre beispielsweise der Menhir von Buttelstedt über die spätere Via Regia zu erreichen gewesen, die 12 Apostel bei Langenbach über den Rennsteig, oder die Stele von Kassel-Istha über den o.g. Zinnweg. Viele Archäologen glauben allerdings, dass diese Großsteinsetzungen von der Norddeutschen Tiefebene herauf inspiriert worden sei. Das ist natürlich ebenfalls möglich (Siehe Post „Die Expansion der Westeuropäer…“).
Nun könnten sie natürlich einwenden: alles Gespinne, Zufall, herbeigeredet. Das haben vor ein paar Jahren die Historiker zu meinem Artikel über den Erzgebirgskamm auch zu mir gesagt. Ein paar Monate später gruben Archäologen entsprechende Beweise dort aus. Das wäre hier ebenso möglich.