Freitag, 2. Juni 2017

Die Weißenburg - Hauptsitz der alten Thüringer Könige?


Die Michelshöhe, ganz vorne die Weißenburg
Es führt nicht einmal mehr ein Trampelpfad zur Wallburg auf dem Drachenschwanz am westlichen Bergsporn der Michelshöhe zwischen Sömmerda und Weißensee. Und dennoch:
  • Hier findet sich mit der westlichen Weißenburg eines der am aufwendigsten gesicherten frühzeitlichen Erdwerke des Thüringer Beckens. Der Graben, der in den Kalkstein getrieben wurde, ist heute noch mehr als 20 Meter breit und trotz Verwitterung 5 Meter tief. Der natürliche Steilabhang misst vielleicht 50 Meter.
  • Wer hier saß, beherrschte das gesamte Thüringer Becken. Er befand sich nämlich genau in dessen Mitte und überblickte es von der Hainleite bis zum Steiger, vom Hainich bis zum Ettersberg und Finne, bei guter Sicht vom Harz bis zum Thüringer Wald.
  • Von hier kontrollierte man die wichtigsten frühzeitlichen Altstraßen Mitteldeutschlands, wie im Norden die Heidenstraße zwischen Rhein und Leipziger Becken oder die Kupferstraße zwischen Skandinavien und Italien. Letztere führte mit einem Strang direkt über den Höhenzug hinweg, mehrere andere Altstraßen tangierten ihn zu seinen Füßen.
  • Vor den Toren der ehemaligen Weißenburg konnte man geschützt ein ganzes Volk, gut und gerne mehrere 10 Tausend Menschen unterzubringen - innerhalb von Befestigungswerken versteht sich!
    Noch heute sichtbare Schanzkanten auf der Michelshöhe
    Auf Luftbildern wie Google-Earth sind nicht nur deutlich drei weitere Wälle vor der westlichen Weißenburg zu sehen, sondern auch um das Plateau in der östlichen Nachbarschaft, den so genannten Mittelberg. Noch weiter im Osten, am anderen Ende der Michelshöhe, 3 Kilometer entfernt, findet sich außerdem eine weitere Schanze mit dem Namen Weißenburg. Das assoziiert eine Interpretation als zusammenhängende Anlage. Aber auch die so entstandene Hochfläche von knapp 5 Quadratkilometern scheint gesichert gewesen zu sein. Das lassen zwei durchgehende künstliche Aufwürfe entlang der flach abfallenden Höhenlinien nach Weißensee vermuten. Für den Feldbau machen sie jedenfalls keinen Sinn.
Geschichte hat hier keine Chance
Und wer war nun dieser schier übermächtige Herrscher da oben? Zugegeben: Die alten Siedlungsstrukturen sind kaum mehr zu erkennen, trotz oder gerade wegen ihrer Dimension. Seit Jahrhunderten scheinen die Menschen ringsum ihren Müll an den Berg geschmissen zu haben, gekrönt von der Mülldeponie Sömmerda, die ein ganzes Tal verfüllte. Dabei muss dieser Einschnitt gemeinsam mit dem Abhang im Süden und Westen Teil des Bollwerkes gewesen sein. Der weniger mächtigen Weißenburg im Osten hat zusätzlich eine Neubauernsiedlung den Garaus gemacht. Die heutige Straße von Weißensee nach Sömmerda veränderte das Terrain ebenfalls, scheint aber die effektivste Strecke zu Überwindung des Bergrückens gewesen zu sein. Dort könnte auch ein Zugang zu den prähistorischen Befestigungen auf der Hocheben gelegen haben. Trotz aller dieser Deformationen aber gibt es Hinweise: Nach den archäologischen Funden war das ganze Umland voll mit den ersten Bauern aus dem Neolithikum ab dem 5. Jahrtausend vor der Zeitrechnung. Das erkennt man auch an den vielen Grabhügeln aus der Bronzezeit, vorweg das Fürstengrab von Leubingen. Auch an unserer Weißenburg selbst liegt solch ein historisches Monument. Es heißt Galgenberg und hat dies, wie die meisten seiner Namensgenossen, nur dem Umstand zu verdanken, dass sich die Menschen späterer Zeiten die Skelette in seinem Innern nur mit einer Richtstätte erklären konnten. Hier fand man trotz der üblichen Plünderungen im Laufe der Jahrtausende immer noch mehrere bronzezeitliche Kleinteile.
1. Prähistorische Großsiedlung auf der Michelshöhe?
2. Spuren von Gräben und Wällen um Weißenburg und Oberberg
Nach den Mustern damaliger Siedlungen könnte man sich eine mehrfach durch Schanzen gesicherte Anlage entlang der natürlichen Bruchkanten wie in Bild 1 vorstellen. Die Weißenburg kann es damals natürlich noch nicht gegeben haben. Deutlich aber ist zu erkennen, wie sich deren spätere drei Wälle mit denen aus der Bronzezeit überlagern (Bild 2). Typisch auch, dass der Grabhügel des ersten bronzezeitlichen Fürsten außerhalb der Siedlung, aber in deren unmittelbarer Nähe liegt. Auch der Flurname Kahler Berg verweist auf eine Rodung noch vor den ersten Germanen. 
In der Nähe der östlichen Weißenburg, am Kirchhügel, kamen dann immerhin schon „Gefäße mit Leichenbrand“ zu Tage, aloso aus der Urnenfelderzeit von 1200 bis 800 v. Chr. Genau weiß man das nicht. Die ungenügende Dokumentation der ersten Ausgrabungen hat schon Alfred Götze 1909 beklagt, der die „Vor- und Frühgeschichtlichen Altertümer Thüringens“ zusammengetragen hat. Schon er sieht auf der westlichen Michelshöhe eine Siedlung aus der Urnenfelderzeit mit „späteren Einbauten“. Das kann nur unsere Weißenburg sein. Für sie beschreibt er eine Ascheschicht (Brandhorizont), diverse Topfscherben, Tierknochen, formlose Eisenstücke, dazu eine Sichel und Nägel aus gleichem Material. Dazu könnten auch die eisenzeitlichen Nachbestattungen im Galgenhügel passen.
Die östliche Weißenburg heute
Könnte! Denn alles ist ohne genauere Datierung! Die Eisenzeit wird für Mitteldeutschland von 750 bis 60 vor der Zeitrechnung festgelegt. Das neue Metall blieb aber auch förderhin bestimmend für Gebrauchsgegenstände aller Art. Es ist also ohne analysierende Grabung schwer zu sagen, ob der prähistorische Chef auf der Weißenburg ein alteingesessener Latènemensch oder ein okkupierender Germane war. Denn dieser Graben, der den Sporn der Weißenburg vom Gipfel des so genannten Oberbergs mit viel Aufwand abgeteilt hat, weist eigentlich ins Frühmittelalter, und damit auf die Franken ab 531. Suchen wir weiter!

Die Germanen kommen
Die Germanen wanderten ab 200 v. Chr. ins Thüringer Becken ein. Manche zogen durch, wie vermutlich Sueben, Vandalen, Burgunden und Langobarden. Andere setzten sich fest. Nach römischen Quellen soll im Jahre 3 nach Christus der Markomannen-Fürst Marbod die Hermunduren, Turonen, Quaden, Langobarden und Semnonen zu einem Reich vereint haben. Wie so etwas funktioniert, sehen wir heute. Bereits eine Generation später wird berichtet, dass Vibilius, Fürst der Hermunduren, die Markomannen vertrieben habe. Könnte in so einer bedrängten Zeit die Weißenburg entstanden sein? Altgeschichtler erklären uns, die Germanen hätten in Thüringen gar keine befestigten Siedlungen gehabt. Soll man das glauben? Das beste Gegenbeispiel liegt ja ganz in der Nähe: die „germanische“ Funkenburg bei Westgreußen. Sie ist in Wirklichkeit eine latènezeitliche Befestigung, aber auch germanische Funde deuten auf eine Nachnutzung hin. Auch die germanischen Burgen von Zislow am Plauer See, auf dem fränkischen Staffelberg, dem Runden Berg über Bad Urach in der Schwäbischen Alb oder die Wettenburg bei Urphar am Main sollen von Germanen benutzt worden sein. In Thüringen liegt das bedeutendste den Hermunduren zugeordnete Gräberfeld bei Großromstedt nahe Jena. Die Landschaft dort ähnelt unserer Michelshöhe schon fast beängstigend. Auch hier scheint schon früh ein ganzes Hochplateau besiedelt worden zu sein. Es gibt einen bronzezeitlichen Grabhügel bei Vierzehnheiligen, die dazugehörige Siedlung müsste auf dem Sperlingsberg gelegen haben. Auch wenn wir uns die Geländedeformation dort durch Franzosen und Preußen von 1806 wegdenken, sind die ringförmigen Schanzen drum herum noch deutlich bei Google-Earth zu sehen. Gegenüber findet sich dann sogar ein „Weißberg“ dessen Abschnittswälle in der Natur sogar mit bloßem Auge zu erkennen sind. Dazu die Flur- und Ortsnamen der Umgebung - wie bei unserer Sömmerdaer Michelshöhe ergibt sich ein Spiegelbild vom Übergang der Spätantike zum Frühmittelalter. Waren also die Hermunduren die Erbauer der Weißenburg?

Unbezwingbarer Drachenschwanz
Die Michelshöhe gibt auf jeden Fall ein unrühmliches Beispiel dafür ab, wie es bei einer archäologischen Einordnung zugehen kann: Götze hatte also vor über 100 Jahren von den Eisenfunden auf der Weißenburg und im Galgenberg berichtet. Er selbst datiert sie zwischen Urnenfelder- und Frankenzeit. Reinhold Andert legt sie auf den 6.12.1211. Der besonders als Liedermacher aus DDR-Zeiten bekannte Sömmerdaer war nämlich vor allem Historiker. Mit seinen zwei Büchern „Der Fränkische Reiter“ und „Der Thüringer Königshort“ erweist er sich nicht nur als profunder Kenner der Fränkisch-Thüringischen Zeit, sondern auch als meisterhafter Erzähler, einer, der trockene Geschichte spannend und unterhaltend präsentieren kann. Allerdings nimmt er die einzig historische verbürgte Nachricht über die Weißenburg, nämlich „die Plünderung eines militärischen Versorgungslagers im 13. Jahrhundert“ auf dem „monte Wiczenburg“ als „Entstehungsdatum“ o.g. Eisen-Artefakte. Er ignoriert, dass schon damals zwei „Wiczenburgen“ zur Auswahl standen und der „Monte“ größer war, als die Burg alleine. Viel wäre nämlich auf dem kleinen Areal der westlichen Weißenburg nicht unterzubringen gewesen.

Grandiose Übersicht
So könnte es mancher altgermanischen Burg ergangen sein. Für die Eisen-Kelten war die Weißenburg alleine jedenfalls viel zu klein. Fragen wir also bei den nachfolgenden Thüringern an. Die sollen nach Expertenmeinung schon gar keine Burgen besessen haben. Damit sind wir mitten im Streit über deren Herkunft. Nach der offiziellen Version haben sich Warnen, Angeln und Hermunduren geeinigt, dass die „Duren“ künftig das Sagen hätten und nebenbei eine Königsdynastie gründen durften. Das wird aber von immer mehr Historikern angezweifelt. Auch Andert ist skeptisch und vermutet eine militärische Dominanz der Thüringer. Germanen haben oft Bündnisse geschlossen, aber nur für den Krieg. Das da eine neue Herrscherfamilie mit Namen Thüringer entstanden sein soll, wäre in der Völkerwanderungszeit beispiellos. Hier kommt die relativ neue Theorie von Heike Grahn-Hoek ins Spiel, wonach die Thüringer mit den westgermanischen Therwingen identisch sind, die auf der Flucht vor oder im Bündnis mit den Hunnen die Region um das Thüringer Becken okkupiert hatten (Siehe entsprechender Post in diesem Blog). Demnach fielen die Thüringer, als halbnomadisches Reitervolk aus dem Osten, hier als Erbauer unserer Weißenburg total aus dem Rennen. Es gibt aber - hypothetisch - keinen besseren Platz in ganz Thüringen, wo sie sich nach ihrem Einzug im Thüringer Becken erst einmal „umsehen“, oder nach einer gewonnenen Schlacht über die vereinigten Angeln, Warnen und Hermunduren erst einmal verschnaufen konnten, als auf der Michelshöhe zwischen den beiden Weißenburgen. Notfalls konnte man hier ein ganzes Volk von vielleicht 100.000 Menschen unterbringen. Zumindest bei der Ankunft im Thüringer Becken nach der Wanderung! Auch wenn die Grabenanlage im Westen der Michelshöhe noch nicht fertig war - die Kuppe dahinter schützt ja ein fast rund um führender natürlicher Steilabhang. Ein besonderer Platz für den König? Passen würden so jedenfalls die altthüringischen Pferdegräber gegenüber auf dem östlichen „Hölzchen“, an anderer Stelle „Burg“ genannt. Die dazugehörigen Adelsgräber sind wahrscheinlich für immer unter der dort liegenden Müllkippe von Straußfurt verschwunden. Kommen die Thüringer also doch als Burgenbauer in Frage?

So könnte die östliche Weißenburg ausgesehen haben
Versuchen wir einen anderen Weg: Größe (etwa das Drittel eines Fußballfeldes) und Struktur (dominierender Graben) deuten nach Michael Köhlers Burgeneinteilung (Siehe Referenzen) ins Frühmittelalter zwischen 500 und 1050 etwa. Ab 531 aber herrschten schon die Franken in Thüringen, nach einer ominösen „Schlacht an der Unstrut“. Gregor von Tours (538 - 594, Bischof dieser Stadt) beschrieb nur wenige Jahre nach dieser Schlacht in seiner Geschichte der Franken die Intrigen zur Vorbereitung des Krieges gegen die Thüringer und das bittere Nachspiel. Den Feldzug selbst skizziert er recht stiefmütterlich: Wie die Franken anmarschiert kamen, wie die Thüringer sie mit Fallgruben aufzuhalten versuchten, wie sie aber bei der Flucht über die Unstrut abgeschlachtet wurden. Nichts aber von einer Burg! Die taucht erst 500 Jahre später in der Sachsengeschichte des Widukind von Corvey (geschrieben im 10. Jhd.) auf. Die Sachsen hatten nämlich bei der Niederschlagung der Thüringer mit den Franken gemeinsame Sache gemacht. Hier werden nun für 531 mehrere Scharmützel zwischen König Herminafried und den heranstürmenden Franken bei „Runibergun“ und „Ohrum“, sowie die alles entscheidende Endschlacht bei „skindingi“ aufgeführt. Alle Anwärter auf diese Orte tragen heute mittelalterliche Burgen. Nun unterstellen aber die meisten Historiker dem guten Widukind, dass seine Erzählung durch die Sicht auf die vielen Burgen des Mittelalters beeinträchtigt gewesen sei. Immerhin erzählt auch die Heilige Radegunde (520-587), die den Krieg als Kind mitmachen musste, in ihrem Klagelied von einem „Gehöft des Palastes“ und einem „Niedergang wie Troja“. Das assoziiert zumindest eine Befestigung, auch wenn die aus Holz gewesen sein muss. Reinhold Andert hat einmal berechnet, wie viele Krieger sich 531 wirklich gegenüber gestanden haben müssen. Er kommt auf Minimum 1.500 Thüringer und 2.000 Franken. Für solches Potential bedarf es strategischer Plätze. Auch deshalb wird die Frage nach diesen Schlachten-Burgen und damit der Königsburg der Thüringer unter Altgeschichtlern heftig diskutiert. Je nach Autor und Anliegen werden dazu allein in Thüringen vorgeschlagen:
Die Franken überrennen fast ganz Westeuropa
  • Bösenburg, abgeleitet von Bisinius, dem ersten nachgewiesenen Thüringischen König überhaupt; zwischen dem kleinen Abschnittswall über dem Dorf und Beesenstedt wurden immerhin mehrere Gräber aus dem 5. Jahrhundert entdeckt.
  • Tretenburg; dieser unscheinbare Hügel nördlich von Gebensee ist bis ins Mittelalter hinein als Thingplatz der Thüringer überliefert (tritian, althochdeutsch für treffen); Hier soll Bonifatius die Thüringer zum Christentum bekehrt haben.
  • Herbsleben, nach Herminafried, der letzte Thüringer König. So war „Herefridesleiben“ im Jahr 780 die erste urkundliche Erwähnung. Die Ruinen der heute sichtbaren ehemaligen Wasserburg stammen aber aus dem Mittelalter. Es sind bronzezeitliche Hügelgräber im Umfeld und ein „Königsleuteweg“ bekannt, nicht aber Funde aus Thüringer Zeit.
  • Ruhnsburg an der westlichen Hainleite, südöstlich von Niedergebra, abgeleitet von Ruhnen.
  • Burgscheidungen, 881 als Scithingi beurkundet (Scidinge = Scheidungen). Die meisten Wissenschaftler sehen hier die Endschlacht 531 nach Widukind von Corvey . Aber auch hier wurden trotz jahrelanger intensiver archäologischer Forschung keine altthüringer Artefakte gefunden.
  • Ronneburg in Weißensee, mutmaßlich nach Runibergun, das ja Widukind von Corvey nannte, als unentschiedene Vorschlacht von 531. Burg und Stadt „Wyssense“ wurden aber erst 1174 in einer Urkunde von Landgraf Ludwig III., von Thüringen erwähnt. Und wir ahnen es: Wieder keine einzige Thüringer Scherbe.
Die Weißenburg als Idealschanze Thüringer Herrscher
Dazu werden weitere Befestigungsanlagen diskutiert, wie die Alte Burg am nördlichen Rand des Ettersberges. Sie ist mit 5 Gäben und Abschnittswällen sogar besser gesichert als unsere Weißenburg. Alle diese Orte mögen im Mittelalter historienschwere Festen gewesen sein, die aus den Kleinburgen der siegreichen Franken hervorgegangen waren. Neben den fehlenden archäologischen Nachweisen berücksichtigen sie aber in keiner Weise die bekannten militärischen und siedlungsstrategischen Gepflogenheiten der Germanen während der Völkerwanderungszeit.
  1. Sie sind viel zu klein. Auf ihnen hätten nur wenige hundert Krieger Platz gefunden. Als ganze Völker im Treck durch die Lande zogen, waren ideale Siedlungsplätze solche, auf denen sich zur Not Zehntausende Menschen mit ihrem Hab und Gut verschanzen konnten.
  2. Sie lagen nicht hoch genug. Wichtigster strategischer Vorteil war damals die Fernsicht. Alle o.g. Orte bieten einen gute Rundumblick, nicht aber über 10-20 Kilometer hinaus.
  3. Sie befinden sich in einer Randlage zum Thüringer Becken. Naturräumlich stellt die Unstrut-Gera-Niederung mit Randplatten das Kernland des Thüringer Reiches dar. So jedenfalls wird es von antiken Autoren beschrieben.
Auf jede der o.g. Königsburg-Anwärter bezieht sich mindestens eine der drei ausschließenden Kritikpunkte. Nur die Weißenburg bei Sömmerda steht über solchen Dingen.

Vielleicht aber waren ja die Franken die Erbauer der Weißenburg? Götze setzt ein Fragezeichen, Andert zweifelt. Nach archäologischem Befund bauten die neuen Herren aus dem Westen ihre Wachen direkt an die Heer- und Handelsstraßen an den Rändern der Täler. Die Michelshöhe umschlossen sie aus unerfindlichen Gründen mit einer solch hohen Zahl an Burgen und Befestigungen, wie man sie sonst nirgends in Thüringen findet. Die meisten dieser Festen sind zwar schon vorfränkisch belegt, scheinen aber auch unter den neuen Herren aktiv gewesen zu sein.
Funkenburg
  • Schalkenburg bei Schallenburg
  • Große und kleine Burg, Tunzenhausen
  • Hagen und Scheibe, Tunzenhausen
  • Wasserburg, Tunzenhausen
  • Funkenburg am Fuße der Weißenburg
  • Runneburg in Weißensee
  • Kastell Sömmerda (Schloss Summeringen, Königsschloss)
  • Frühmittelalterliche Burgstelle Straußfurt
  • Warthügel neben östlicher Weißenburg
Galt es hier ein Zentrum des früheren Thüringer Adels zu bewachen? Misstrauten die Franken hier mehr als anderswo den besiegten Thüringern? Wenn man der Geschichte der nun unterjochten Thüringern folgt, zettelten sie in jedem Jahrhundert mindestens einen großen Aufstand an. Die hohe Konzentration fränkischer Aktivitäten könnte aber auch dem Schutz ihrer Herzöge gegolten haben. Die von ihrem König eingesetzten Statthalter agierten anfangs recht selbstbestimmt, trugen übrigens auch den Titel „König von Thüringen“. Noch 641 machte sich Herzog Radulf in Thüringen selbständig und widerstand dem anmarschierten Heerbann von Merowinger-Chef Siegbert III. Seine „Verschanzung hoch oben über der Unstrut“, wie es in den Analen heißt, hat noch niemand lokalisiert. Könnte die Weißenburg der Sitz der alten fränkischen Herzöge gewesen sein?

Fragen wir die Namensforscher! Die Michelshöhe, nach einem Heiligen, verweist auf eine christliche Ersatzbezeichnung für einen heidnischen Kultplatz.
Weißensee vom Michelsberg aus gesehen
Dass der Ort Weißensee aus dem Höhenzug Weißenburg hervorgegangen ist, scheint naheliegend. Nördlich von Weißensee hat man einen römischen Münzschatz mit letztem Prägedatum 163 gefunden. Das war Hermunduren-Zeit. Die Farbe Weiß ist weder am Berg, an der Burg, noch an den Seen auszumachen. Weiß wurde aber auch im übertragenen Sinne für glänzend, leuchtend oder hell verwendet. Weiß waren darüber hinaus auch die Schimmel, die der Thüringische König Herminafried an keinen geringeren als den König der Westgoten, Theoderich der Große, schickte. In dessen Dankesbrief machen die weißen Pferde - trotz wichtiger anderer Geschäfte - ein Drittel des Textes aus. Reinhold Andert schildert in seinen Büchern, warum die Schimmel heilig waren und nur aus königlicher Zucht stammen konnten. Kamen sie vom Höhenzug auf dem Weißenberg? Andert bringt weitere religiöse Zusammenhänge ins Spiel: Wizzan heißt althochdeutsch wissen oder vorhersagen. Ronneburg könne auch von Runenburg abgeleitet werden und der inzwischen zugeschüttete Ober-See könnte ein Opfersee gewesen sein. Im Mittelalter jedenfalls galt Weißensee als Cor Thuringiae, das Herz Thüringens. Erstmals wurde Ort und Burg als „Wyssense“ 1174 in einer Urkunde von Landgraf Ludwig III., dem Frommen von Thüringen erwähnt. Der Name Ronneburg (Runde Burg) soll erst im 18. Jhd. aufgekommen sein. Andert verweist aber auf Vorgängerbauten und bringt sogar sie sogar als Sitz der Thüringer Könige ins Spiel. Wir wissen aber: Keine einzige Thüringer Scherbe!

Trotzdem finden sich frühmittelalterliche Lesefunde in den meisten Dörfer der Region. Deren Alter kann bei allem Streit um dieses Thema grob folgenden Stämmen und Zeiten zugeordnet werden:
  • Fremd klingende Eigennamen wie Sömmerda - Keltenzeit - weit vor der Zeitenwende
  • Endung -ing wie Grüningen - Sueben - um die Zeitenwende
  • Endung -stedt wie Alperstedt - Hermunduren- kurz nach der Zeitenwende
  • Endung -leben wie Wundersleben - Thüringer ab 400 unserer Zeit
  • Endung -hausen wie Tunzenhausen - Franken - ab 531
Alle anderen dürften später entstanden sein. Wie man sieht: Um die Michelshöhe sticht keine der historischen Zeiten besonders hervor! Vielleicht sind noch die Terrassenfelder im Süden, Norden und Osten um die Michelshöhe wichtig. Sie machen eigentlich nur Sinn in einer Zeit, als es die Dörfer ringsum noch nicht gab. Denn das landwirtschaftliche Platzangebot ringsum ist gigantisch. Was bleibt also?
Mit der Christianisierung werden die alten Kultplätze vereinnahmt
Fasst man das alles zusammen, sprechen die Indizien dafür, dass die Michelshöhe zumindest seit der Bronzezeit ab 2200 v. Chr. besiedelt war. Die Hermunduren könnten zumindest begonnen haben, den westlichen Zipfel von der Michelshöhe (wenn auch nur mit Palisaden) abzutrennen. Sie hatten dafür 500 Jahre Zeit. Die nachrückenden Thüringer mit ihren 150 Jahren Grabungspotential hätten sie immerhin noch vervollständigen können. Die Franken, wenn sie überhaupt da oben waren, müssten die Burg spätestens nach 100 Jahren aufgegeben haben. Denn danach tauchen die ersten Zeugnisse ihrer raumgreifenden Verwaltung in den Geschichtsbüchern auf. Und die liegen alle im Tal rundum. Just zu dieser Zeit (7. Jahrhundert) wird die Herzogswürde in Thüringen wieder aufgehoben. Zufall?

Es bleibt ein Treppenwitz der Geschichte, dass das kurze Intermezzo der Thüringer bis heute namenstiftend für die Region geblieben ist. Immerhin: Thüringen war das einzige Königreich, dass während der Völkerwanderung am Ende der Antike im "freien Germanien" entstehen konnte. Dazu gilt es als eines der größten Königreiche in ganz Europa damals. Es umschloss fast das gesamte Dreieck zwischen Rhein, Elbe und Donau. Das Volk der Thüringer stellte mit Odoaker jenen Heerführer, der dem Römischen Reich den endgültigen Todesstoß gab. Die Thüringer scheinen als eingewanderte Terwingen die letzten heute nachweisbaren Goten in Mitteleuropa zu sein. Und wer ihre befestigten Siedlungen kennt, kann Rückschlüsse auf Ethnogenese und Untergang dieses germanischen Stammes ziehen - mit allen Konsequenzen für heute! Unsere Parallelen zum Römischen Reich sind bereits in aller Munde. Gregor von Tours schreibt über die Schlacht an der Unstrut, dass die Masse der erschlagenen Krieger eine regelrechte Brücke über den Fluss bildete, über den die Franken dann hinweg marschieren konnten. Bei allem Horror den solche Worte bei mir auslösen - vielleicht sollten die Archäologen mal anfangen, zwischen Unstrut und der Weißenburg zu graben?