Sonntag, 25. Oktober 2015

Die Widderstatt

Vergessenes prähistorisches Kleinod

Wer die Flur Widderstatt auf der Hochfläche zwischen Werra und Jüchse besucht, wird zunächst nichts Besonderes finden: Felder, Wiesen, Büsche, ein bisschen Wald. Und doch stellt die kleine Senke bei Wachenbrunn selbst im historienschweren Südthüringen ein außergewöhnlich geschichtsträchtiges Fleckchen Erde dar. Hier haben über Jahrtausende immer wieder Menschen gesiedelt. Anziehungspunkt war eine auch heute noch sprudelnde Quelle, die sich nach Süden über den Sülgrund in die Jüchse ergießt. Die Fernsicht gab einige Sicherheit und das Umland eignete sich für die Landwirtschaft. Nach eben diesem Prinzip wurden übrigens die meisten Dörfer in der Gegend angelegt. Archäologische Funde belegen, dass schon mittelsteinzeitliche Jäger hier ihre Beute zerlegten, Glockenbecher-Bauern ihre Toten begruben, Urnenfelderkrieger Pfeile schärften und bronze- wie eisenverarbeitende Handwerker einen üppigen Alltag gestalteten. Höhepunkt der Siedlungstätigkeit soll ein keltisches Dorf während der Latène- und Hallstattzeit gewesen sein, also etwa von 500 vor Christus bis an die Zeitenwende heran. Mehrfach wurde in der DDR auf der Widderstatt offiziell und fachgerecht ausgegraben: Pfostenhäuser mit Herdstelle gruppierten sich um einen Quellsee, Vorrats- und Abfallgruben scheinen reichlich gefüllt gewesen zu sein, die Felder begannen gleich hinter dem Dorf, sogar eine Eisenfeinschmiede konnte identifiziert werden. Keramikscherben und verrostetes Handwerkszeug lassen keine soziale Differenzierung erkennen, hier müssen die einfachen Leute gewohnt haben, selbst eine wie auch immer geartete Befestigung fand man nicht. Auch die Ausdehnung der alten Siedlung ist unklar. Wahrscheinlich aber war die Höhe gleich hinter der Quelle einbezogen und der Berg "Knorr" nebenan - heute als Flächendenkmal ausgewiesen.
Archäologen verweisen auf die Nähe der berühmten Gleichberge, wo ähnliche, aber viel reichhaltigere Artefakte im keltischen Oppidum Steinsburg auf ein übergeordnetes Zentrum schließen lassen. In der Widderstatt also sollen zu jener Zeit die Untertanen irgendeines Gleichberg-Fürsten gewohnt haben. Da wir über die sozialen Strukturen damals wenig wissen, belassen wir es lieber bei einer vermuteten Arbeitsteilung mit der heutigen Wüstung. Bei Eisenwaren nämlich lässt sich eine kontinuierliche Besiedlung der Widderstatt nachweisen, auf der Steinsburg hingegen nicht. Das interpretieren einige Forscher als zeitweise Abwanderung von der Steinsburg, andere lediglich als ungenügendes Fundaufkommen, wegen der stärkeren Verwitterung des Metalls zwischen den Basaltblöcken dort.
Gleichberge
Die Steinsburg und die Witterstatt verbindet zudem der Urweg von Süddeutschland ins ebenfalls dicht besiedelte Erfurter Becken. Er lässt sich vom Oppidum Manching an der Donau über die Wallanlage Alteburg bei Zeil am Main bis zur Alteburg südlich Arnstadts an Hand von aneinandergereihten Wallanlagen nachweisen. Auch prähistorische Funde entlang der Strecke, wie ein Eisenbarren aus jener Zeit am Oberhofer Pass, können das belegen. So geben allein schon die wissenschaftlichen Veröffentlichungen genug Spielraum für die Phantasie geschichtsinteressierter Mitmenschen. Doch da ist mehr: Neben der Widderstatt liegt der so genannte Rittersrain. Auf der nicht sehr mächtigen Erhebung wurden u. a. Hügelgräber aus der bronzezeitlichen Glockenbecher-Kultur gefunden. Das waren jene Altvorderen, deren Heimat man bis nach Spanien zurückverfolgen kann und die die Bronze mitgebracht haben sollen. Der Rittersrain kann aber nicht bloß ein exponierter Friedhof gewesen sein, denn rund um den Hügel zieht sich ein deutlicher, etwa zwei bis fünf Meter hoher künstlich angelegter Absatz herum. Das können nur Verteidigungsanlagen gewesen sein, etwa mit Palisaden bewehrt, denn eine Interpretation als Feldterrasse schließen Experten aus. Sie verweisen auf die vielen großen Steine auf dem Areal und die Struktur der Kante. Ein solch hoher Aufwand nur für ein Hügelgräberfeld ist nirgendwo bekannt. Die verdächtige Stufe in der Landschaft umfasst sogar den Bereich des ehemaligen Mittelwellensenders Wachenbrunn. Das kann man trotz der enormen Geländedeformation beim Bau der erst jüngst gesprengten Sendemasten auch heute noch deutlich erkennen. Die Verteidigungsanlage passt auch zum Bild der Glockenbecherleute als eine handwerkliche und kriegerische Elite der Bronzezeit, die nach Mitteleuropa vorstößt. immer mehr Historiker sagen sogar mit Pferden! So würde auch der Name Rittersrain passen, obwohl die Bezeichnung erst von den germanischen Siedlern später stammen kann. In der Widderstatt, zu Füßen des Ritterrais, wird dann wohl das Bruttosozialprodukt für die Herren erwirtschaftet worden sein. Dafür hatte das Bauerndorf länger Bestand: Etwa 500 Jahre soll das Dorf mit seiner keltischen Hochkultur durchgehalten haben.
Museum Jüchsen

Da kommen eine Menge zerbrochener Töpfe und verlorener Fibeln zusammen. Die schönsten Keramikfragmente und Gewandtspangen sind im Steinsburgmuseum bei Römhild und im Museum für Frühgeschichte in Weimar ausgestellt. Aber auch Jüchsen hat der Widderstatt eine kleine aber feine Sammlung gewidmet. Faszinierend welcher Fortschritt in den Fundstücken zum Ausdruck kommt: Da wurden mit einem Skalpell medizinische Eingriffe vorgenommen, Pinzetten können nur der Kosmetik gedient haben, ein Schlüssel dokumentiert feststehendes Eigentum und die vielen Bruchstücke der damals modernen Glasarmringe künden vom Schönheitsideal jener Tage. Dererlei Dinge fand man in Süddeutschland noch häufiger - über den Thüringer Wald hinaus kaum. Neben dem so dokumentierten Fernhandel wird auch das kulturelle Nord-Süd-Gefälle deutlich, das mit der Katastrophentheorie um 1200 v. Chr. erklärt werden kann (Siehe Blog Atlantisches Europa). So lässt sich auch das Siedlungsverhalten der aus dem nichts entstandenen Urnenfelderkultur deuten. Die Menschen scheinen sich auf Hochflächen zusammengezogen zu haben, wie die zwischen Werra und Jüchse. Es finden sich nämlich hier noch andere Plätze, die durch prähistorische Funde und Hügelgräber belegt sind oder der Widderstatt in der Geländestruktur ähneln: der Ermelsberg nördlich von Dingsleben, der Weitberg nordöstlich von Beinerstadt, Steinbruch und Kirchberg bei Exdorf, die Kuppe der Ehemaligen Großsendeanlage Wachenbrunn, der Michelsberg zwischen Belrith und Vachdorf, der Steinerne Berg südlich von Henfstädt, nur um die Größten zu nennen. Ähnlich stark prähistorisch besiedelte Höhenplatten gibt es übrigens dutzende südlich des Rennsteigs...
Doch diese Gefüge dürften sich mit dem Anmarsch der Elbgermanen Mitte des 1. Jhd. v. Chr., zunächst bis ans Mittelgebirge, langsam aufgelöst haben. Trotzdem endet die keltische Widderstatt - wie auch das Oppidum Steinsburg nicht durch Zerstörung, sondern die Siedlungen scheinen friedlich aufgegeben worden sein. Nach Lage der Dinge werden ihre Bewohner nach Süden gezogen sein. In dieser Zeit nämlich wird nicht nur Manching zum größten Oppidum Deutschlands ausgebaut, sondern es tauchen verstärkt auch Kelten im Mittelmeerraum auf. Höhepunkt: 387 v. Chr. erobern sie unter ihrem Anführer Brennus Rom.
Jüchsen - ältester Ort im Grabfeld
Bliebe nur noch die Frage zu klären, was aus unserer Widderstatt wurde. Es ist kaum anzunehmen, dass alle Menschen auswanderten, zumal die Germanen nur zögerlich über den Rennsteig kamen. Die Widderstatt wird erstmals im Jahre 800, in der Schenkung der Äbtissin Emhilt von Milz an das Kloster Fulda unter dem Namen „Widarogeltesstat“ erwähnt. Das bedeutet dreierlei: Erstens hat die Ortsbezeichnung nichts mit Schafen zu tun. Zweitens können Orte mit der Endung -stat, -statt, -städt, entgegen gängiger Lehrmeinung getrost in die Zeit vor der Zeitrechnung gelegt werden. Zweitens muss die Widderstatt auch im Mittelalter noch von gewisser Bedeutung gewesen sein. Tatsächlich fanden sich eine Münze von Kaiser Constantinus II (337 – 361), Glasperlen und eine Zwiebelknopffibel, was auf die späte römische Kaiserzeit verweist. Dazu tauchte am Rand der Grabungsfläche in einer Hausgrube mit ansonsten latènezeitlichem Fundmaterial Kammreste aus dem 6. Jhd. auf. Auch weitere Knochenkammfragmente, die Scherbe eines Knickwandtopfes und Perlen müssen eindeutig den neuen fränkischen Herrschern im Frühmittelalter zugeordnet warden. Es müssen also nach den Kelten auch erste Germanen und Franken dagewesen sein!
ehemaligen Sendemasten - dahinter Rittersrain 

Und warum hatte das Dorf, wie, sagen wir mal Harras, mit gleicher Zeitstellung, keinen Bestand bis heute? Die Archäologen halten sich mit Spekulationen wie immer zurück. Dabei scheint die Ursache eindeutig: Die alte Heer- und Handelsstraße auf der Nord-Süd-Trasse muss sich verlagert haben. Denn die mittelalterlichen Altwege mit ihren tiefen Hohlwegebündeln an den Rändern der Höhe verliefen jetzt weiter werraauf- bzw. abwärts. Das könnte mit veränderten geopolitischen Interessen der Franken zu tun gehabt haben, oder gezwungenermaßen mit dem Werradurchbruch bei Henfstädt. Hier hatten sich Jahrtausende lang vor der felsigen Flussschleife bei der heutigen Agrar GmbH Sandbänke gebildet, die einen leichten Werra-Übergang bei der so genannten Zwick ermöglichten. Das scheint sich geändert zu haben, als der Fluss durch den Felssporn „Burkhart“ bei der heutigen Gärtnerei brach. Spätestens am Ende des 1. Jahrtausends, als die meisten Handelsstraßen nur noch im Tal verliefen, waren die alten Höhenwege sowieso passé. Die lange noch genutzte „Heerstraße“ bei den Gleichbergen führte nun durch die Werra-Furten bei Themar, Trostadt und Reurith. Doch wie in alten Zeiten zog es sie zum Rennsteig hin. Doch lassen wir das Spekulieren! Das "Wüstfallen" so mancher alten Siedlungen am Urweg wird im Mittelalter dann schon durch Urkunden aufgegriffen: Die seit der Bronzezeit genutzte, nun aber germanische Siedlung „Strick“ nordöstlich von Henfstädt, der Steinshaug mit seiner erst später errichteten Kapelle über Themar, die fränkische Siedlung Gärtles nordwestlich von Henfstädt und sicher nicht zuletzt auch die Widderstatt. Viel Stoff also zum Träumen und Fabulieren…

Wer mehr wissen möchte über die Widderstatt, kann das im Jahrbuch 1991 des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins.

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Der Dreißigjährige Krieg im Henneberger Land (von C.A.)

Während Herzog Ernst der Fromme von Sachsen Gotha- Weimar und seine Brüder, Albrecht und Bernhard, der spätere Heerführer, schon 1631 mit Gustav Adolf von Schweden ein festes Schutz- und Trutzbündnis in Erfurt geschlossen hatten, bewahrte sich Herzog Johann Casimir von Sachsen- Coburg bis zu diesem Zeitpunkt seine Neutralität. Casimir hielt fest am Luthertum und übte die Schirmherrschaft über die evangelische Landeskirche konsequent aus. Trotz seiner Neutralität konnte er jedoch nicht alle Drangsale des Krieges von seinem Herzogtum abhalten.
Die fast endlosen Truppendurchzüge hatten die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gemeinden bereits sehr stark in Anspruch genommen, aber Blut war kaum geflossen. Außer in einzelnen Fällen, wo sich Bauern mit Spießen, Dreschflegeln und Flosshaken gegen kleinere Truppenschwärme auf eigene Faust gewehrt und Recht verschafft hatten, wobei es dann auch Mord und Totschlag gab. Als aber nach dem Fürstentag in Leipzig (Februar 1631) und nach dem Mord- und Brandinferno in Magdeburg (Mai 1631) Herzog Casimir sich dem Bündnis mit Schweden anschloss und sogar schwedische Truppen als Besatzung in seine Veste Coburg aufnahm, brachen alle Schrecken des Krieges auf sein Land herein. Nun waren seine Gebiete von
Nordfranken und Südthüringen den schlimmsten Verwüstungen ausgesetzt. Die Heerstraßen, die durch sie und über den Thüringer Wald ins Thüringer Becken und nach Sachsen führten, die katholische Nachbarschaft in den angrenzenden Bistümern Würzburg und Bamberg und die drei Festungen Kronach, Coburg und Königshofen, auch wenn diese nur unbedeutende feste Plätze waren, zogen jeden Feind magisch an. Und je tapferer und länger sie sich wehrten, desto schlimmer war es für das umliegende offene Land, zumal die ersten Truppendurchzüge den Wohlstand der Bevölkerung schnell wahrgenommen hatten und diese Kunde von einer Truppe zur anderen getragen wurde. In den folgenden Jahren brach das Unheil über Franken sowie Südthüringen und damit die Mitte Deutschlands herein.
„In diesem Jahr, so beginnt die Coburger Chronik das Jahr 1632, wurde hiesiges Land durch kaiserliche Truppen durch Mord, Raub, Plünderungen, auch Verheer- und Verwüstungen aller Häuser und Schlösser und andere unzählige Unthaten und wilder Barbarenart in einen erbärmlichen Zustand versetzt.“
Schon 1631 hatte der kleine Grenzkrieg in Franken zwischen katholischen und lutherischen Gebieten begonnen. Im großen Stil wurde er nur von der katholischen Veste Kronach aus geführt, deren Besatzung ihre Streif- und Raubzüge meilenweit über das Herzogtum und selbst bis nach Steinheid auf dem Thüringer Wald hinauf ausdehnte. Auch diese durch ihren Bergbau auf Gold einst blühende Bergstadt fraß dieser Krieg, die Bergwerke verfielen und erst nach Friedensschluss 1648 erhob sich um die alte Kirche ein armer Markflecken.
Um die Kronacher zu bestrafen, rückten die Coburger mit zwei halben und zwei Viertel- Karthaunen (Kanonen) unter der Führung eines schwedischen Obersten, vor Kronach. Jedoch bekam diesen die Belagerung recht übel. Die Coburger mussten mit dem Verlust von drei Kanonen, aller Munitions- und Bagagewagen abziehen und die Kronacher wüteten schlimmer als zuvor. „Der schwarze Leutnant,“ einer ihrer Führer, war noch lange nach dem Krieg ein Schreckensname in der Bevölkerung geblieben.
Wenige Wochen zuvor schon hatte Tilly mit 8.000 Mann die Stadt Königsberg i. Franken berannt und sie auch genommen. Sie wurde angezündet und der Plünderung übergeben. Gleich darauf fielen die Kroaten von Lichtenfels aus in den Itzgrund ein und brannten und plünderten die reichen Dörfer Buch und Siemau aus. Von allen Seiten kam die fliehende Bevölkerung nach Coburg um Schutz und Brot zu suchen. Und doch war das alles erst der Anfang und das Vorspiel zum großen Drama, das nun folgte. Es begann als Wallenstein Anfang September 1632 über den Thüringer Wald, auf der sog. Frauenstarße (Schleusingen-Ilmenau) nach Sachsen ziehen wollte. Sachsen-Coburg war das erste ketzerische Land, das vom Kaiser und damit vom katholischen Glauben abgefallen war. Es sollte seinen ganzen Zorn fühlen. Um den Weg nach Schleusingen freizumachen musste er Coburg einnehmen. Als sich die Veste Coburg nicht ergab und seine stürmenden Söldner zurückschlug, loderten am Abend desselben Tages die Flammen im ganzen Land auf. Von der Veste aus sah man die Feuersäulen der Städte Rodach, Heldburg, Ummerstadt, Eisfeld, Schalkau, Neustadt und vieler Dörfer die ganze Nacht gen Himmel lodern. Während der Belagerung der Veste Coburg durch kaiserliche und bayerischen Truppen, war für die Soldateska jedermann vogelfrei und bald begann nach der allgemeinen Plünderung der umliegenden Dörfer bis in die Gegend um Eisfeld und Hildburghausen, eine allgemeine Flucht.
Der ev. Pfarrer Bötzinger aus Poppenhausen bei Heldburg hat schriftlich hinterlassen, was sich damals abspielte. Auf Bitten seiner Angehörigen und um sein Leben zu retten, war er aus seinem Dorf geflohen. Doch 8 Kroaten griffen ihn auf, zogen ihn bis aufs Hemd aus und als sie ihn als „Pfaff“ erkannten, wollten sie ihm „die Testiculos nehmen“ (Kastrieren). Ein gefangener schwedischer Söldner, den die Kroaten mitführten, konnte sie davon abhalten. „Ich lief ihnen davon, bis ich in eine Wasserrunse fiel und da liegen blieb bis es Nacht wurde. Dann schlich ich nach Seidlingstadt, fand dieses Dorf ganz leer, aber hinter einem Stadel traf ich den Rest der Gemeinde, die gerade beraten wollte, wohin man flüchten sollte. Man schenkte mir, den halb erfrorenen und halbverhungerten Pfarrer, einen Topf Milch, eine alte Lederhose voll Wagenschmiere, einen grauen und einen weißen wollenen Strumpf und ein Paar Riemenschuhe ohne Sohlen. In diesem Aufzug floh ich nach Hildburghausen, das durch ungeheure Geldzahlungen vor der Brandfackel bewahrt worden war, aber wo gleichwohl alles, was laufen konnte, zur Flucht rüstete, zumal über Tausend fremde Flüchtlinge sich dort angesammelt hatten. Ich und mein Hauff kamen um 12 Uhr Mitternacht nach Themar, welche Stadt sich mit uns aufmachte und abermals etliche 1000 mehr wurden. Der Marsch ging auf Schwarza und Steinbach zu, wo wir gegen Morgen in ein Dorf kamen, da wurden die Leute erschreckt, daß sie Haus und Hof zurückließen und mit uns fortzogen, um uns in den tiefen Wäldern zu verstecken.“
Als der Pfarrer im Jahr 1634 endlich nach unzähligen Leiden, sich nach Poppenhausen zurück wagte, war dort der größte Mangel, „ so daß wir den dodten Leuten ähnlicher sahen als den lebendigen. Viele lagen schon aus Hunger darnieder, und mußten gleichwohl alle Tage etliche Mal Fersengeld geben, um uns vor herumziehenden Söldnern zu verstecken. Obwohl wir unsere Linsen, Wicken und andere Speiß in die Gräber und alter Särge, ja unter die Todtenköpfe versteckten, wurde uns doch alles genommen.“ Evangelische Geistliche und Schullehrer waren der besonderen Verfolgung ausgesetzt. Sie sind es auch, die in Kirchenbüchern und Schulbibeln aufzeichneten, welche Gräueltaten von beider Seiten in den Ortschaften verübt wurden, wie das letzte Getreidekorn oder das letzte Stück Vieh weggenommen wurden. Der Pfarrer von Bürden starb damals am Hunger in Hildburghausen. Der Schulmeister von Veilsdorf entwich nach Thüringen, um „von gutherzigen Leuten ein Stück Brot zu erbetteln.“ Den Superintendenten von Eisfeld führten Soldaten auf den Markt, zogen ihn bis aufs Hemd aus und jagten ihn aus der Stadt. Das Dorf Stelzen, hoch am Thüringer Wald, wurde auf Michaelis 1632 bis auf Kirche, Schule und Hirtenhaus abgebrannt. Der Pfarrer meldete seine Not nach Eisfeld. Er klagt, „daß ihm nichts geblieben sei, als seine acht kleine, arme nackte, hungrige Kindlein. Er unterschrieb seinen Brief: Unterdienstwilliger und gehorsamer armer verbrannter Pfarrer daselbst.“
So war das Brennen und Morden bis 1634 durch das ganze Land gegangen, vom Itzgrund an bis in die letzten Dörfer des Thüringer Waldes, wo der Feind eingebrochen war und alles Erreichbare verwüstete. Bernhard von Sachsen -Weimar, nunmehr Heerführer unter Gustav Adolf, belagerte dreimal die Festung Kronach, um diese katholische Hochburg im Coburger Herzogtum auszulöschen. Es gelang ihm nicht. Dafür ging die Raub- und Mordlust, die Beutezüge der siegreichen Kronacher Besatzung im Land weiter. Es traf auch Königshofen, das in diesem Krieg abwechselnd bald in den Händen der Schweden (ev.) bald in denen der Kaiserlichen (kath.) war.
Coburg
Nachdem 1632 Wallenstein die Coburger Veste nicht bezwingen und er damit auf seinem Weg nach Sachsen die Frauenstraße über den Rennsteig nicht benutzen konnte, marschierte er mit seinen Truppen durch die Saalepforte nach Leipzig, um in der Schlacht bei Lützen von Gustav Adolf und Bernhard von Sachsen - Weimar geschlagen zu werden. In diesem Kampf verlor der Schwedenkönig sein Leben.
Noch höher stieg in den nachfolgenden Jahren das Elend des Landes, als die Veste Coburg selbst in die Hände der Kaiserlichen fiel. Nach einer erneuten Belagerung am 20. Oktober 1634 wurde sie am 28. März 1635 dem kaiserlichen General von Lamboy übergeben. „Not und Elend, schreibt im Jahr 1635 die Chronik, waren nun aufs Höchste gestiegen. Das Land war ganz mit fremden Soldaten überschwemmt.. Im Amt Römhild lagen die tunischen, gallischen, hatzfeldischen und andere Regimenter, in Heldburg adelshofisches und anderes Volk, in Neustadt und Eisfeld lagen Ungarn und des Oberst Forgatsch Kroaten, in den Coburger Dörfern die Lambboysche Reiterei. Dazu kam noch Feldmarschall Piccolomini, der mit vielen Geschützen aus der Veste Coburg nach Königshofen zog, um die Stadt den Schweden, die sie mittlerweile eingenommen hatten, wieder zu entreißen. Generalfeldzeugmeister Marchese de Grana brach von Kronach her ins Land. Wer noch fliehen konnte, suchte in der Fremde, die meisten in Thüringen, das Leben zu fristen. Fast alle Schulen blieben leer, weil keine Kinder mehr vorhanden waren.. Viele Pfarrer mussten sich von Tagelöhnerarbeiten, von Holzhacken und Dreschen ernähren, wo es überhaupt noch was zum dreschen gab, denn auch das meiste Land blieb öde liegen, überwucherte mit Dornen und Disteln. Die meisten Häuser wurden verwüstet, die Scheunen selbst rings um die Stadt Coburg abgerissen und von Freund und Feind als Brennholz genutzt. Außerhalb der Stadt Coburg war im ganzen Land kein ganzes Haus mehr zu finden und sind damals mehr als fünfhundert Kinder auf den Gassen todt gefunden worden, ohne die alten Leute, die der Hunger gefressen. Es war auch sonderlich erbärmlich, daß eine Frau von Roßfeld eingebracht wurde, welche ihren Nachbarn ermordet hatte, um ihn zu essen.“
Johann Georg, Herzog von Sachsen und sein Feldherr, hatten während des ganzen Jahres 1634 versucht, mit Kaiser Ferdinand Frieden zu schließen und das sehr zum Ärger der Schweden und Länder, die bisher gegen den Kaiser gekämpft hatten. Auch Ferdinand war bereit, wogegen er sich vor vier Jahren noch gesträubt hatte, das Restitutionsedikt (Verbot des Protestantismus) aufzuheben. Auf protestantischer Seite zeterten vor allem der Kurfürst von der Pfalz und der von Brandenburg über den Verrat der Sachsen. Jedoch war deren Abfall unausbleiblich.
Als endlich der Abschluss des Prager Friedens zwischen dem Kaiser und Sachsen, auch dem Coburger Land einige Ruhe brachte, kehrten viele der noch lebenden Flüchtlingen in ihre Dörfer zurück. Johann Casimir war 1633 gestorben und die Regierung hatte sein Bruder Johann Ernst übernommen. Er setzte alle Mittel ein, um den Anbau der verödeten Fluren wieder zu bewerkstelligen. Er hatte im Jahr 1636 bedeutende Getreidevorräte in Thüringen angekauft und forderte nun die Ämter und Ortsgerichte auf, den Bedarf jeder Gemeinde anzumelden. Auch sollten sie angeben, welche Transportmittel sie zum Herbeischaffen des Getreides aus Thüringen stellen könnten und über den Zustand der Fuhrwerke und anderer Transportmittel in den Dörfern berichten.
Trotz mehrfacher Mahnung der Regierung in Coburg verging das ganze Jahr 1636, ohne dass die Gemeinden reagiert hätten. Erst im April 1637 werden die Transportmittel angemeldet. Es war so gut wie nichts mehr an Fuhrwerken vorhanden und die Bauern sahen sich auch körperlich und gesundheitlich nicht in der Lage, das Getreide in Thüringen abzuholen. Ein vorhandenes Verzeichnis in Coburg aus der damaligen Zeit lässt den entsetzlichen Zustand des Landes ahnen.
In den fünfzehn Dörfern des Cent Hildburghausen sind nur vier Karrenführer aufzutreiben, außerdem sechsunddreißig Schubkarren und zweiundsiebzig Träger. In 13 Dörfer des Gerichts Heldburg gar nur eine Karre und außerdem 36 Schubkarren und 70 Träger. Dazu wird aus Hildburghausen berichtet: „Die Leute werden so urplötzlich krank, als daß dieselben dahin sterben ohne das neue Korn genießen zu können, auf das sie sich lange gefreuet. Der liebe Gott wende es zum Besten!“ Seuchen und Krankheiten verbreiteten sich durch das Kriegsvolk rasend schnell.
Ein anderes Aktenstück beinhaltet den Bestand an Pferden und Mannschaften und was Wüst steht in den Gemeinden. Dort kann man lesen: „In Colberg ist kein Pferd noch sonst lebendig Vieh allda. Es sind noch 4 Männer und 3 Wittweiber am Leben und stehen 28 Wohnhäuser leer. In Rieth ist nicht mehr als ein Pferd in der Gemeinde. Daselbst stehen 60 Häuser ledig und es sind noch 20 Einwohner, davon 11 Männer am Leben. In Lindenau sind noch in Allem 12 Männer und 3 Wittwen vorhanden und stehen noch 58 Häuser leer.“ Am allerschlimmsten sah es in vier anderen Dörfern des Heldburger Gerichts, in Poppenhausen, Käßlitz, Schweikershausen und Seidingstadt aus. In Seidingstadt lebten noch 1 Mann und 2 Wittweiber, in Poppenhausen noch 3 Männer, in Käßlitz noch 4 Männer und in Schweikershausen lebte noch ein einziger Mann. Im ganzen Gerichtsbezirk Heldburg sind lediglich 177 Acker mit Wintergetreide, 75 Acker mit Sommergetreide bestellt. Für 49 Acker fehlt das Saatgut. Es sind insgesamt vorhanden: 8 Pferde, 116 Männer, 54 Wittweiber und 550 leere Häuser.
Im Centgerichtsbezirk Hildburghausen sieht es nicht anders aus. 2/3 der Bevölkerung ist verschwunden. Im Ganzen sind nur 713 Acker angebaut, 3228 Acker sind als Ödfeld bezeichnet, liegen also brach. 345 Häuser stehen leer und wo einst 6000 Menschen lebten, sind noch 313 vorhanden (1 Acker = ca. 0,21 ha).
Für die Verwüstungen und die allseitige Not sind beide Kriegsparteien verantwortlich zu machen. Auch die Schweden und ihre Verbündeten hausten am Ende des Krieges in den protestantischen Ländern ohne Gnade. Sie begingen zum Teil wildere Gräuel und Menschenmarter (Schwedentrunk= den Leuten wird zur Folter zwangsweise Jauche eingetrichtert) als die Kroaten. Die Jugend hatte noch keinen Frieden gesehen und verrohte in diesen wilden Zeiten.
Der schwedischer Oberst Phuls berichtet 1648 vom Lande Coburg: „Es ist durch die ausgestandene schwere Kriegslast dahin gediehen, daß Hunde, Katzen, Ratten, Mäuse todtes Aas, um das sich die Menschen schlagen, und andere abscheuliche Dinge dem armen Landvolk zur Speise dient. Sie ernähren sich mit Trebern, Leinkuchen, Kleie und Eichelbrod, gleich den unvernünftigen Tieren. Aber auch davon ist nicht genug vorhanden und so wollten die Mütter ihre Kinder angehen und schlachten. Und wirklich hat eine Frau zu Roßfeld, Anna Hessin, zwei Kinder ermordet, Würste davon gemacht und dann gegessen. Man hielt sie für eine Hexe, brachte sie ins Gefängnis und wollte sie eben mit glühenden Zangen zerfetzen und dann verbrennen, als sie noch zur rechten Zeit im Gefängnis starb. Ihr Körper wurde dennoch auf der Gerichtsstätte verbrannt. So wütete der Hunger bis zum Wahnsinn.!“
Tatsächlich umgibt den 30-jährigen Krieg eine Legende, die ihn in der deutschen, wenn nicht gar in der europäischen Geschichte einzigartig macht. Jedes Übel damals wurde bereitwillig dem Dreißigjährigen Krieg zugeschrieben. Es war bis zur Mitte des 19. Jh. keine Schätzung der Verluste an Leben und Gütern zu übertrieben, um nicht geglaubt zu werden. Man nahm an, dass die Bevölkerung um drei Viertel gesunken und der Verlust an Vieh und an sonstigen Gut noch weitaus größer gewesen sei, dass die Landwirtschaft in einigen Gegenden erst nach 2 Jahrhunderten wieder zur vormaligen Blüte gebracht und der Handel in vielen Städten ganz vernichtet worden sei. Wie übertrieben die Berichte und Zahlen der Zeitgenossen auch sein mögen, sie vermitteln uns doch wenigstens einen allgemeinen Eindruck von den Zuständen, die während des Krieges herrschten. Sicher ist, ob nun Deutschland drei Viertel oder einen kleineren Teil seiner Bevölkerung verlor, die Verluste und Schäden in allen Bereichen waren enorm. So waren zum Beispiel die Städte Minden, Hameln, Göttingen und Magdeburg nach ihren eigenen Angaben nur noch ein Trümmerhaufen.

Schweden allein wurde beschuldigt, fast Zweitausend Schlösser, Achtzehntausend Dörfer und über Fünfzehnhundert Städte in ganz Deutschland zerstört zu haben. Die kaiserliche Seite hat nie eine Erhebung durchgeführt. Auch die Verluste der Söldnerarmeen ist nie ermittelt worden. Der tatsächliche Bevölkerungsverlust lässt sich auch nur schwer und genau feststellen,, da aus vielen Regionen die Menschen nicht nur flohen, sondern für immer Abwanderten und nicht wieder in ihre Heimat zurückkehrten. Historiker gehen heute davon aus, dass zwei Fünftel in den Stä
dten und fünfzig Prozent der Bevölkerung auf dem Land den Krieg nicht überlebten. Der Verlust an Ackerboden und Vieh ist kaum abzuschätzen, da verlässliche Zahlen für die Zeit vor und nach dem Krieg selten sind. Dem Kriegsvolk (beide Seiten zeitweise bis zu 200.000 Mann), gelang es, ohne Rücksicht auf die Bevölkerung, bis zum Kriegsende aus dem Land zu leben. Kaum ein Wunder, dass nach 30 Jahren Deutschland meist kahl gefressen war.
Viel Arbeit, um Deutschland wieder aufzubauen. Dabei machte sich der Geldmangel in einigen Gebieten stark bemerkbar. Allerdings waren die Verluste an Geld niemals so groß, wie man aus den Klagen der Behörden schließen könnte. Viel von dem Geld, das an Kriegskontribution den Städten und Gemeinden abgenommen wurde, wechselte lediglich den Eigentümer und floss als Zahlung für die Bedürfnisse der Söldner in die Taschen der Bevölkerung besonders der Händler zurück.
Wie in jedem Krieg gab es auch Landstriche und Städte, die kaum einen Rückschlag erlitten und einige wenige zogen sogar aus dem Krieg ihren Vorteil und machten Gewinne. Während Leipzig schon 1625 bankrott ging, gelang es z. B. Bremen den englischen Leinwandmarkt für sich zu gewinnen. Hamburg hatte den Zucker und Gewürzhandel seiner Rivalen an sich gerissen und war aus dem Dreißigjährigen Krieg als eine der angesehensten und reichsten Städte Europas hervorgegangen. Die Grafschaft Oldenburg konnte, dank der Wendigkeit seiner Obrigkeit, die ihre Bündnisse ständig wechselten und damit meist auf der Seite des Siegers stand, eine Besetzung des Landes vermeiden. Auch Frankfurt a. Main war nach einige Jahren der Besetzung wieder aufgeblüht. Dresden nahm viele Flüchtlinge auf und hatte am Ende des Krieges bevölkerungsmäßig weder zu - noch abgenommen.
Vorübergehend konnte auch die Bauernschaft ihre Lage etwas verbessern. In der Vorkriegszeit durften sie ja nicht so ohne weiteres ihre Dörfer verlassen. Soweit sie nicht Leibeigene waren, hatten sie ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis zu den Grundherren, die sie schamlos ausplünderten.. In den Wirren des Krieges waren viele Bauern in die Städte geraten, wo sie meist ein Gewerbe erlernten. Einige kehrten in die Heimat zurück und konnten mit ihrem Können auch ihre Einkünfte verbessern. Der Adel musste im Krieg und einige Zeit danach Zugeständnisse an die Bauern machen, da es fast keine mehr gab, die ihnen die Arbeit auf ihren Grund und Boden sowie auf ihren Güter machten und die ihnen Abgaben zahlen konnten. Solange das dauerte, war der Landadel hilflos diesen Vorgängen ausgeliefert. Aber bald nach dem Krieg, als sich die Bauernschaft zu erholen begann, änderte sich das. In Sachsen zwangen die Landedelleute den Kurfürsten eine Reihe von Gesetzen ab, die dem Bauer erneut das Verlassen seines Dorfes verbot. So wurden auch anderenorts die Besserungen, die der Krieg gebracht hatte, zunichte gemacht.
Ganz eindeutig: Für Deutschland war der Krieg ein restloses Unheil; er war es auch für das übrige Europa, wenngleich auf eine andere Art. Der Friede, der die Streitigkeiten in Deutschland verhältnismäßig erfolgreich beendet hatte, weil die Leidenschaften abgekühlt waren, versagte bei der Lösung der europäischen Schwierigkeiten völlig. Die Abtretung des Elsasses führte geradewegs zu einem neuen Krieg; die Besitzname von halb Pommern durch die schwedische Krone war ein einziges Desaster. Das Anwachsen des französischen Einflusses am Rhein und die Besetzung strategisch wichtiger Grenzpunkte, untergruben die Friedensvereinbarungen. Die Mündungen vier großen Flüsse waren in fremden Händen, das Rheindelta unterstand Spaniern und Holländern, die Elbe den Dänen, die Oder den Schweden und die Weichsel den Polen.. Der westfälische Friede, der in der europäischen Geschichte als epochemachend beschrieben worden ist, legte, wie die meisten Friedensabschlüsse, durch die Umgestaltung der Landkarte Europas, die Keime zum nächsten Krieg.
In Polen schrieb ein geflüchteter protestantischer Kirchenfürst: „ Sie haben uns in den Verträgen von Osnabrück hingeopfert...“ Der Vatikan verdammte feierlich den Frieden als „null und nichtig, ungültig, unbillig, ungerecht, verdammenswert, verwerflich, nichtssagend, inhalts- und wirkungslos für alle Zeiten.“ Nach 30 Jahren Krieg waren die extremen Protestanten und Katholiken noch immer nicht zufrieden. Wir sehen, nachdem so viele Menschenleben für einen so blödsinnigen Zweck vergeudet worden waren, hatte selbst die kirchliche Obrigkeit und andere Staatenlenker noch nicht begriffen, dass Glaubensstreitigkeiten nicht durch einen Krieg gelöst werden können. Sie waren aber verblendet genug, um immer wieder andere Kriegsgründe zu finden.
Die vielfache Behauptung, der deutsche Militarismus sei auf den Dreißigjährigen Krieg zurückzuführen, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Tatsächlich haben die Deutschen schon immer eine große Zahl militärischer Abenteuer hervorgebracht. Von den Kreuzzügen bis zu den beiden Weltkriegen im 20. Jh.. Wobei immer das Volk sklavisch ihr Geschick erduldete, auf die Schlachtbank geführt zu werden. Glaubte man nach dem 2. Weltkrieg, dem sei nicht mehr so, belehrt uns die Gegenwart das Gegenteil, Natürlich, die Generation, die den 2. Weltkrieg mit über 50 Millionen Toten erlebten, ist im Wesentlichen ausgestorben.
Die Verdummung der Massen, die extensiv und wissentlich betrieben wird, trägt Früchte. Ein großer Teil der Deutschen (2014 über 40%) befürwortet ein militärisches Eingreifen in Konflikte außerhalb Deutschland, um den Einfluss (sprich Größenwahn der Deutschen) wieder geltend zu machen. Man spielt bewusst mit dem Feuer. Man hat selbst nach zwei verheerenden Weltkriegen, nach Afghanistan, Irak Ukraine und dem sog. „Arabischen Frühling“, bei dem die Geheimdienste - wie überall - ihre Finger mit im Spiel hatten, nicht gelernt, dass Krieg nur Krieg hervorbringt. Die enormen Flüchtlingszahlen (2014/15) sollten eine ernsthafte Warnung sein.

 Quelle: „Der 30jährige Krieg“ v. C.V. Wedgwood -List Verlag

Henneberger Heimatblätter 1924