Franken nach einem Trachtenkatalog |
Die Franken waren bekanntlich ein Zusammenschluss alter germanischer Volksstämme, die ab 200 etwa in wechselnden Allianzen aus dem Norden über das Römische Reich hergefallen waren. Später hatten sie sich der mediterranen Großmacht als Verbündete geradezu aufgezwungen. Mit dem Zusammenbruch der Römischen Zivilisation in Westeuropa richteten sie sich ab 498 nach der Einnahme Kölns in den gallischen Provinzen häuslich ein. Durch stetige Expansion schufen sich die Franken unter der Königsdynastie der Merowinger ein riesiges Reich. Jedes Frühjahr im März, wenn die erste Saat in den Boden gebracht worden war, trafen sich die fränkischen Bauernkrieger, berieten, wer als nächstes "an der Reihe" sei und zogen in die Schlacht. Die geölte Kampfmaschinerie besiegte im 6. Jhd. auch die Thüringer und Alemannen. Von Gregor von Tours wissen wir, dass Franken und Thüringer schon zuvor aneinander geraten waren. Wahrscheinlich als die Thüringer um 400 von den Karpaten bis an den Rhein vorgestoßen waren (Siehe Post „Thüringer - die letzten Goten?“). Nun aber fiel den Franken nach der
Schlacht an der Unstrut 531 nicht nur das Thüringer Becken, sondern auch das Gebiet zwischen Thüringer Wald und Donau in die Hände.
Die meisten Historiker gehen davon aus, dass die Franken nur zögerlich in den Osten vorgerückt waren, massiv erst gegen 700. Sie wären "militärisch noch in Gallien gebunden" gewesen.
Fränkische Expansion nach Wikipedia |
Für den Süden Thüringens postulieren Historiker in diesem 6. Jhd. immer noch einen Tiefpunkt der Bevölkerung. Nur im Werra-, Jüchse- und im Ulstertal hätten sich wenige Siedlungen der Alteingesessenen halten können.
Die so genannte fränkische Staatskolonisation vom Main herauf wird frühestens für das 7. Jhd. angenommen. Dabei lag Südthüringen direkt an der fränkischen Heerstraße ins Zentrum der Unruhestifter im Thüringer Becken. Nach Aussagen von Gesichtsschreibern jener Zeit zogen die Franken-Krieger zunächst nach Mainz, wo es noch eine römische Brücke über den Rhein gegeben haben soll. Dann durchquerten sie in „Frank-Furt“ den Main, marschierten über Gelnhausen und Steinau Richtung Fulda, um bei Eisenach ins Thüringer Kernland vorzustoßen. Dieser Weg entsprach der späteren Via Regia und ist archäologisch gut belegt: Alle 20 Kilometer (dem Tagespensum eines Ochsenfuhrwerkes) bauten oder übernahmen sie Wachstationen, aus denen sich später Siedlungen entwickelten: Die "-hausen und -heim-Orte waren geboren! Historisch interessant erscheint dabei die Tatsache, dass die Heerstraßen nicht mehr auf den Höhenzügen, sondern im Tal verliefen. Entsprechend dieser Wegführung müssen die fränkischen Kolonnen bei Vacha die Werra gequert haben und da ist man - noch dazu ohne Widerstand - auf dem Sprung ins Werratal nach Südthüringen gewesen. Der Einmarsch in die neuen Gebiete muss sofort und planmäßig erfolgt sein: Zuerst galt es den Weg, besonders an Flussübergängen mit Militärposten zu sichern. Manchmal geschah das in oder bei vorhandenen Siedlungen wie in Harras an der Werra, manchmal auf freistehenden, leicht zu sichernden Geländeerhebungen, wie die Habichtsburg, nordwestlich von Mendhausen.
Man kann davon ausgehen, dass viele Dörfer an Werra und Hasel aus solchen Posten hervorgegangen sind, wie Wernshausen, Einhausen, Ellinghausen, Dietzhausen, Vachdorf, Hildburghausen und Veilsdorf. Verdächtig sind insbesondere Orte mit romanischen Kirchtürmen aus Feldstein, die mit Schiescharten und Mauern bewehrt sind und deren Kirchenschiffe sichtlich erst später angebaut wurden. Am Anfang werkelte man aber nur mit Holz. Doch dazu später. Auch die mittelalterlichen Königspfalzen Breitungen, Walldorf und Rohr müssen vordem solche Wachstationen gewesen sein. Die Invasoren setzten auch verlassene Wallanlagen der Kelten instand, wie auf der späteren Henneburg oder der Heldburg.
Geographie der "leichten" Wege |
Standartarchitektur der fränkischen Wegesicherung (Wikipedia) |
Verklärung der heroischen Rasse |
In den Gräbern der Neusiedler kamen Waffen, kostbarer Schmuck und Trachten zum Vorschein, wie sie damals an Rhein und Main getragen wurden. Auch der Kleine Thüringer Wald scheint für die Franken eine wichtige Rolle gespielt zu haben, wie uns seine beziehungsvollen Flurnamen verraten. Von hier aus war man ja via Friedberg auch schnell über das große Mittelgebirge gehuscht. Alle Zugangsrouten dorthin sind so mit diesen Wachstationen gesichert: Die Burgberge bei Lengfeld und Tachbach, die Osterburg, sicher auch anfangs Schleusingen. Wenn, so frage ich mich, niemand mehr da war, warum mussten die neuen Herren solchen Aufwand zu ihrer Sicherheit betreiben? Neben den Unterjochten müssen da anfangs also auch noch Widerständler gewesen sein. Doch die Versklavung der Besiegten ließ sich nicht aufhalten. Man behielt sie aber im Land. Jemand musste ja die Arbeit machen.
Die merowingischen Könige setzen in den neuen Gebieten ihre Heerführer, die Herzöge, als Stellvertreter ein. Südthüringen gehörte zu dem ab 650 nachgewiesenen Herzogtum Würzburg. Die königlichen Würdenträger untergliederten ihre Territorien nach den alten germanischen Gau-Grenzen und ließen sie durch Grafen verwalten.
GraGeschützter und fruchtbarer Siedlungsraum |
Nun könnte man fragen, was gehen uns die Herzöge nördlich des Thüringer Waldes an. Wenn Mainfranken und Thüringen in jenen Jahren ein einheitliches Herzogtum waren - viel! Dieses Gebiet war ja traditionell ein einheitliches Reich, erst bei den keltischen Volcae, dann bei den germanischen Hermunduren und Thüringern. Auch wenn sich die Geister über die genauen Grenzen streiten. Jedenfalls taucht in den Quellen zur gleichen Zeit wie Radulf ein gewisser Hruodi in Würzburg auf. Viele Historiker glauben, die beiden waren identisch. Unser Herzog Radulf scheint außerdem zwei Söhne gehabt zu haben: Theotbald und Heden. Von letzterem wissen wir, dass er im Thüringer Becken residierte und von einer Reise nach Paris nicht wieder nach Hause kam. Königliche Rache lässt grüßen! Er wird in den Analen schon als Herzog in Würzburg und in Thüringen genannt. Außerdem hinterließer einen Sohn mit Namen Gosbert, der wiederum am Main regiert haben soll. Fränkische Söhne erbten dem Brauch nach immer den gleichen Anteil Land, was eine Teilung von Thüringen und Mainfranken bewirkt haben könnte. Offiziell wird eine "Rückeroberung" Thüringens durch Gosberts Sohn, Heden II., vermutet. Doch da ist viel im Dunkeln.
Historiker streiten z.B., ob er nicht der Sohn o.g. Theotbalds war, aber das tut hier nichts zur Sache. Der neue Heden jedenfalls unterzeichnete 704 in Virteburch - dem heutigen Würzburg - eine berühmte Urkunde. Sie gilt als das älteste Schriftstück, das Thüringen betrifft. Darin vermacht er Güter in Arnstadt, Mühlberg und Monhore, vielleicht Monraburg, an einen Bischof Willibrord. Bezeugt von seiner Frau Theotrada und Sohn Thuring. Noch einmal beurkundet Heden II. oder der Jüngere in Würzburg 716. Diesmal geht es um Besitz im mainfränkischen Hammelsburg. Thüringen und Mainfranken scheinen also ein vormals einheitlich regiertes Herzogtum gewesen zu sein, dass die Hedensippe im Erbe teilte. Doch es kommt, wie es kommen musste: Chronist Fredegar spricht von „Gottes Zorn“, der Herzog Theotbald hinwegraffte und von „Volkes Wille“, der seinen Sohn Heden II. vertrieb. So etwas kennen wir von heute! Jedenfalls wurde das Herzogtum Thüringen nach Radulfs Tod bereits im späten 7. Jhd. von Karl Martell wieder aufgelöst.
Die Verbindung zwischen Thüringer Becken und Mainfranken kann heute linguistisch und archäologisch belegt werden. Entlang der Altwege zwischen Würzburg und Unstrut über den Thüringer Wald finden sich verstärkt fränkische Siedlungen (-hausen, -heim und -dorf-Orte), Kriegergräber und Kleinburgen aus jener Zeit. Außerdem führt noch jetzt eine „thüringische Sprachbrücke“ bis tief in die Rhön hinein. Und damals sollen sich ja die Mundart-Unterschiede herausgebildet haben: „Thüringisch“ in dem zwar fränkisch besetzten, aber von Thüringern dominierten Becken nördlich des Mittelgebirges und südlich die totale Übermacht der neuen Herrensprache aus dem Westen. (Dass der Thüringer Dialekt später fälschlich als Sächsisch bezeichnet wurde, soll uns hier nicht irre machen.)
Die staatstragende Verbin |
Kreuz statt Baum |
Eine Hoch-Zeit für Opportunisten! Die in einer Urkunde benannten fünf Thüringer Edlen, die Bonifatius ausdrücklich unterstützten, sind als hohe Würdenträger bis ins späte Mittelalter anzutreffen. Und: jetzt wurden fleißig Kirchen gebaut. Auf Geheiß des Papstes Gregor I. vereinnahmte man zuerst die alten Kultplätze der keltischen und germanischen Heiden. Viele der neugebauten Kapellen und christlichen Symbole hatten bei uns einen Bezug zum Erzengel Michel oder der Heiligen Ottilie: Die Steinsburg auf den Gleichbergen, der Ehrenberg und der Steinshaug bei Themar, die alte (!) Kapelle auf dem Suhler Domberg, den Wall Laurenze zwischen Schmeheim und Wichtshausen usw. Bei Gumpelstadt wurde der Gottesdienst noch bis ins hohe Mittelalter auf dem Heiligenberg zelebriert, der vormals als Kultplatz zur prähistorischen Siedlung Alte Warth gehörte. In Mainfranken haben sich so viele Bergkirchen erhalten, dass man gar nicht zählen mag. Gleichzeitig errichtete man Schritt für Schritt Gotteshäuser auch in Siedlungen, teilweise schon aus Stein. Dabei griff man praktischer weise auf Vorhandenes zurück.
Befestigte Mutterkirche Leutersdorf |
Mit der Kirche im Rücken hatten auch die Nachfolger Karl Martells eine starke Stütze bei der Konsolidierung des Fränkischen Reiches.
Karl der Große |
So hielten, trotz eines spürbaren Fortschrittes oder gerade deswegen, auch unter Karl die Thüringer nicht still. Ein gewisser Hardrad beschwerte sich mit anderen Adeligen beim König, angeblich wegen eines nicht gezahlten Brautgeldes. Es sollen durchweg Nachfolger des Heden-Clans gewesen sein und sicher ging es ihnen um die damaligen Enteignungen. Der König reagierte prompt: Erst schickte er ein Heer, dann gab er den in Fulda Kirchenasyl suchenden freies Geleit, danach ließ er sie entweder umbringen oder blenden. Doch die Tage der Zentralmacht waren gezählt.
Adelsgeschlechter in Franken |
Die "Mutterburg" der Henneberger |
So blieb der Henneberger Besitz immer ein Fleckendeppich. Darunter befand sich auch der Forst am fast menschenleeren Thüringer Wald. Die Grafen administrierten um die erste Jahrtausendwende dessen zielgerichtete Rodung und Besiedlung. Die mit niedrigen Steuern im Westen angelockten Neubauern hatten nun niemanden mehr, den sie so einfach versklaven konnten. Es waren freie Bauern, die sich in Gütergemeinschaften mit genossenschaftlichen Strukturen wie in Gethles organisierten. Damit begann sich auch die ansässige Landwirtschaft zu verändern. Die traditionelle „Salwirtschaft“ mit zentralem Herrenhof, auf dessen Feldern die Leibeigenen schufteten, löste sich auf. Für die Noblen wurde es rentabler, das Land stimulierend als erbliches Lehen zu verpachten. Denn die Geldwirtschaft setzte sich auch beim Gemeinen durch, nicht nur Kirche und Adel machten plötzlich Profit. Aus Gehöften entwickelten sich Dörfer, vormals kleine Siedlungen erhielten Marktrecht, Handwerker spezialisierten sich, der lokale Handel blühte. So konnten die Henneberger nun ein halbes Jahrtausend lang große Teile Mainfrankens zusammen halten, doch das ist schon der nächste Post.
Fazit: Das Frühmittelalter wird für die Menschen wohl auch hierzulande kein Paradies gewesen sein. Es gab keine nennenswerte Entwicklung der Produktivkräfte, erst recht nicht für Gesellschaft und Kultur. Immerhin hatte sich um 1.000 rum die Bevölkerung bei uns wieder vervielfacht und die Zivilisation jenen Stand erreicht, den die Römer vor Einfall der germanischen Barbaren entwickelt hatten. Zumindest für die Oberschicht! Mehr kann man von Geschichte wohl auch nicht erwarten.